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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christvesper, 24.12.2014

Der nahe Gott
Predigt zu Lukas 2:1-20, verfasst von Marion Werner

Liebe Gemeinde,

 

die Kinder haben uns mit dem Krippenspiel die schönste und größte  Geschichte aller Zeiten erzählt. Eine Geschichte, die weit zurück reicht, in Zeiten und Orte, fern von uns heute. Und dennoch mit uns zu tun hat. Eine Geschichte, die die Menschen überall auf der Welt seit vielen vielen Jahren immer neu erzählen, bedenken und besingen.

Sicherlich kann man heute in Büchern, Filmen und Zeitungen Geschichten lesen oder sehen, die spannender sind als die von Maria und Josef, den Hirten und den 3 Königen. Da sagten mir doch meine Kinder, dass der Film mit den Drachenreiter von Berg oder Bob der Baumeister viel spannender sind, als das Büchlein mit der Weihnachtsgeschichte. Vielleicht kennen Sie das ja auch?!

 

Dennoch, kann nichts die Größe, die Wichtigkeit und auch Schönheit dessen übertreffen, was in der Weihnachtsgeschichte erzählt wird.

Jesus ist geboren. Gott wird ein Kind. Und das meint: Gott kommt uns Menschen nahe. Er wartet nicht erst, dass wir uns zu ihm bewegen, besondere Leistungen erbringen oder  erst einmal sündlos werden, bevor wir vor ihn treten.  Nein. Er kommt zu uns. Denn er ist an uns wirklich interessiert. Wir sind ihm wichtig. So wichtig, dass er selber ein Mensch wird. Dass er selber ein Menschenleben lebt, um zu wissen wie es sich anfühlt ein Mensch zu sein. Um uns Menschen dadurch besser und inniger zu verstehen. Um uns Menschen zu retten. Und das ist wohl das verrückteste und auch wunderschönste, was uns Menschen passieren kann.

 

Wenn man heute in der Öffentlichkeit über Gott redet, in Artikeln und Umfragen, dann wird von Gott als einem unpersönlichen Gott gesprochen: von der Weltseele, die in allem da ist; von der Energie die alles durchdringt; von einem göttlichen Wesen, das die Geschicke leitet oder von einem göttlichen Wesen, das dafür zuständig ist, dass die Evolution so gelaufen ist und nicht anders.

Dieses göttliche Wesen ist wichtig aber gleichzeitig bleibt es mir und meinem persönlichen Leben fern und unnahbar. Es hat zu meinem persönlichen Leben mit allen Höhen und Tiefen keinen Zugang. Und die Weltseele - die durchdringt alles. Aber wo ist dabei das Gegenüber, das mich als Mensch in meinem Sosein respektiert und mir die Möglichkeit gibt zum Gespräch, zur Gemeinschaft, zum Streit, zum Hilferuf, zum gemeinsamen Nachdenken, zur geteilten Freude? Wo ist dabei mein Gott, der mir vergibt, mein Gewissen erleichtert, so dass ich erhobenen Hauptes weiter gehen kann.

 

Wie anders ist doch das Wunder der Heiligen Nacht. Es ruft uns zu: Dir ist der Heiland geboren. Dein Gott ist Mensch geworden. Dein Gott versteht dich, wenn du zu ihm betest. Er weiß wie es sich anfühlt ein Kind zu sein, zu staunen, sich zu freuen und zu spielen. Er weiß um Glück und Freundschaft im Kreis seiner Familie und seiner Jünger, aber auch um tiefes Verlassensein in Gethsemane, um das Gefühl „die ganze Welt ist gegen mich", er weiß von Gerechtigkeit und Verrat, von falschen Prozessen, er weiß wie es sich anfühlt im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, von allen bestaunt, er weiß wie es sich anfühlt Gutes zu tun, andere zu lehren. Er kennt die  Angst und den Schmerz des Todes.

Gott ist Mensch geworden in der Heiligen Nacht - dieses Wunder feiern wir heute. Darüber freut sich auch heute die Welt.

Weil Gott in Jesus Mensch geworden ist, kann er uns verstehen wenn wir zu ihm rufen und kann uns auch helfen. Er kann sich mitfreuen mit uns und auch mit uns mitleiden. Weil Gott Mensch geworden ist, nimmt er uns an trotz unserer Fehler und Vergehen, trotz des Egoismus, den wir immer wieder an den Tag legen oder unserer Schwächen.

 

Es standen schon viele Menschen vor uns an der Krippe und haben über das Wunder der Heiligen Nacht gestaunt. Heute Abend reihen wir uns ein und stehen vor der Krippe, die so ein großes Geheimnis birgt, dass wir uns ihm nur tastend nähern können. 

Euch ist heute der Heiland geboren, sagt sie uns. Seht, Gott ist mitten unter Euch. Er, der euch versteht und euch respektiert, dem ihr wertvoll seid und der euch liebt. Er ist da. An eurer Seite. Mit seiner Liebe, seinem Licht, seiner Wärme, seinem Frieden.

 

Amen



Pfarrerin Marion Werner
Zürich
E-Mail: pfarrerin@luther-zuerich.ch

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