Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Christmette, 24.12.2014

Predigt zu Matthäus 1:1.18-25, verfasst von Jasper Burmester

Gnade sei mit uns und Friede - von dem der war und der ist und der kommt. Amen

Liebe Gemeinde in der Heiligen Nacht -

umrahmt von Johann Sebastian Bachs Choralsätzen aus dem Weihnachtoratorium haben wir eben die Geburtsgeschichte Jesu gehört, wie sie der Evangelist Lukas aufgeschrieben hat. Jetzt, mitten in der Nacht soll die andere Geburtsdarstellung zu Wort kommen, wie sie der Evangelist Matthäus uns hinterlassen hat. Und Matthäus beginnt sein Evangelium so:

Dies ist das Buch von der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams. Zwei Vorfahren werden gleich im ersten Satz genannt - Abraham, der Vater der Völker und David, der vielleicht größte unter den Königen Israels.

Dann listet Matthäus einen langen Stammbaum auf, der dreimal vierzehn Generationen umfasst, von Abraham zu David, von David zur babylonischen Gefangenschaft und von diesem Exil bis zu Josef. Dieser - wohl legendäre und nicht historische Stammbaum wäre eine eingehende Betrachtung wert. Abraham zeugte Isaak. Isaak zeugte Jakob. Jakob zeugte Juda und seine Brüder.Juda zeugte Perez und Serach mit der Tamar. Uns so geht es weiter. Mit den hier nur aufgezählten Namen verbindet sich eine Fülle von Geschichten, die alle aufzuzählen, gar zu betrachten, den Rahmen nicht nur dieser Predigt übersteigen würde. Juden und Ausländer sind darunter, besonders auffällig in der Reihe der Männer sind vier Frauen - Tamar, Rahab, Rut und die Frau des Uria, den David in den Kriegstod schickte, die schöne Batseba. Sündige Könige und gesegnete Ehebrecherinnen - die ganze bunte Melange von Menschen gehört in diese Aufzählung. Wenn Gott solche gebrochenen Existenzen und zwielichtigen Menschen, wie viele der dort aufgezählten, brauchen kann, um sein eigenes Kommen in diese Welt vorzubereiten - warum sollte er dann nicht auch Leute wie Sie und mich brauchen können, um sein Werk in dieser Welt zu tun? Das ist die schwer zu lesende und doch so ermutigende Aussage dieses Stammbaums: Nicht unsere moralische Qualität macht uns Menschen brauchbar für Gottes Werk, sondern allein seine Gnade. Gottes Heilsgeschichte geht nicht so, wie wir Menschen es wohl erwarten würden - das zeigt sich am schönsten in den Geburtsgeschichten Jesu. Zu diesen ganz gewöhnlichen Menschen, die Gott für sein Zur-Welt-Kommen braucht, gehören auch Maria und Josef. Vor allem Josefs Weihnachtsgeschichte wird vom Evangelisten Matthäus erzählt:

Die Geburt Jesu Christi geschah aber so: Als Maria, seine Mutter, mit Josef verlobt war, fand es sich, ehe er sie heim holte, dass sie schwanger war von dem Heiligen Geist. Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen. Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem Heiligen Geist.
Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden. Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht (Jesaja 7,14): »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«, das heißt übersetzt: Gott mit uns. Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Liebe Gemeinde - anders als beim Evangelisten Lukas, wo er nur eine sehr unscheinbare Rolle einnimmt, kommt hier Josef in den Blick. Er hat sein ganz eigenes Problem mit dieser Schwangerschaft seiner Verlobten Maria. Das Kind ist nicht von ihm. Das würde auch heute in unseren Zweierbeziehungen zu erheblichen Verwerfungen führen, nicht wahr? Josef überlegt, ob er Maria verlassen soll, heimlich. Heimlich nicht aus Feigheit, sondern um seine zukünftige Frau nicht der Schande eines Ehebruchs auszusetzen - wo kein Partner ist, kann auch keine Untreue vorliegen. In diese innere Auseinandersetzung - ich stelle mir vor, dass Josef eine unruhige Nacht hatte - träumt er einen Engel, der ihm die Angst nimmt und Mut macht, sich auf dieses für ihn unbegreifliche Geschehen einzulassen. Er wird bei Maria bleiben. Er wird zu ihr stehen und zu ihrem Kind. Er wird die menschliche Verbindung sein zu all den Generationen der Heilsgeschichte, die er als später Nachfahre Davids repräsentiert. Und er wird dem Kind seinen Namen geben: Jeschua, Jesus, Gott rettet.

Josef, so wie der Evangelist Matthäus ihn uns nahebringt, teilt aber noch ein anderes Verstehensproblem mit uns - die Frage nach dem Zustandekommen dieser Schwangerschaft. Was Maria empfangen habe, sei vom Heiligen Geist, wird ihm gesagt. Und der Engel verweist auf die alte Weissagung des Propheten Jesaja, die er mit der Geburt Jesu als erfüllt ansieht:  Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben.

"Empfangen durch den heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus" - diese Worte haben wir alle schon unzählige Male gesprochen, immer dann, wenn in einem Gottesdienst das apostolische Glaubensbekenntnis gemeinsam bekannt wird. Ich weiß nicht wie es Ihnen mit dieser Aussage geht. Konnten Sie es frank und frei mitsprechen ? Oder haben Sie innerlich - geboren von der Jungfrau Maria - vielleicht einen Moment gestutzt, um dann, mitgerissen von den Umstehenden doch diese Worte der Tradition mitzusprechen? Ich sage es Ihnen ganz offen: Ich gehöre zu denen, die bei diesem Satz des Bekenntnisses immer einmal gedanklich ins Stolpern geraten, für Sekundenbruchteile nur, in denen sich in mir Zweifel und Glaube, historische Vergleiche und biblische Argumente verdichten zu einem Knäuel, das aufzulösen im Fortgang des bekennenden Sprechens stets die Zeit fehlt. Eine Zeitlang habe ich, wann immer möglich, anstelle des Wortes "Jungfrau" mit seinen biologischen Assoziationen mich auf Jesaja 7, Vers 14 zurückgezogen, wo von einer "jungen Frau" die Rede ist, "ha`alma", und habe für mich dann immer gesprochen "Geboren von der jungen Frau Maria". Denn lange vor Christi Empfängnis und Geburt wurden die hebräischen Worte Jesajas ins Griechische übertragen, und dabei wurde aus der ha ´alma, der jungen Frau, die "parthenos", die Jungfrau. Nun weiß ich auch, dass dieser Mythos einer Jungfrauengeburt bei vielen Völkern vorkommt und damals, als das Evangelium entstand, wohl besser verstanden wurde als wir das heute können.

Es ist keine biologische, keine medizinische, sondern eine symbolische Aussage.  Ich verstehe dieses Symbol der "Jungfrau Maria" so, dass die rettende Gegenwart Jesu Christi in unserer Welt unabhängig ist von jeder historischen, menschlichen, sexuellen Zufälligkeit und allein seine Wurzeln in Gott hat. Paul Tillich schreibt: "In der jungfräulichen Geburt soll zum Ausdruck kommen, dass der göttliche Geist, der den den Menschen Jesus von Nazareth zum Messias machte, ihn schon vorher als Gefäß geschaffen hat."

Die Frage, die sich uns mit der Aussage unseres Glaubensbekenntnisses und mit der Weihnachtsgeschichte stellt, ist nicht die, ob wir dieses Geschehen physiologisch für möglich halten, sondern diese: Glauben wir, dass Gott uns so nahe gekommen ist und nahekommt, dass er unser  Leben in Jesus mit uns geteilt hat, Geburt und Sterben inbegriffen? Anders gefragt: Ist Jesus für uns lediglich ein ganz besonderer Mensch, etwa in einer Reihe mit Sokrates, Augustinus, Franz von Assisi und J.W.v. Goethe, um nur einmal eine Reihe zu konstruieren, oder aber ist Jesus für uns der Herr und Heiland, in dem der ewige Gott auf geheimnisvolle Weise ganz und gar menschlich wurde von der Krippe in Bethlehem bis zum Kreuz auf Golgatha? Wenn wir die Jungfrauengeburt in dieser Weise verstehen: Dann sagt dieses Symbol nicht mehr und nicht weniger, als dass in dieser Geburt eines kleinen Kindes Gottes eigenes und einzigartiges Eingreifen in den Ablauf der Welt zu ihrem und unserem Heil geschieht und dass diese Geburt nicht einfach eine weitere in der Reihe der Millionen und Millionen von Zeugungen und Geburten ist, und allein bestimmt ist durch den eigenen Schöpferwillen Gottes: Er ist es, der uns retten will, der uns aus seiner Liebe entgegenkommt so weit als wir nur denken können, um uns in Jesus zu zeigen, wie er uns, seine Menschen, gemeint hat am Tage unserer Schöpfung.

In ihm, so die andere gewichtige Aussage in Josefs Traum, ist der "Immanuel" da, und dieser Name ist Programm: Gott ist bei uns. Das heißt: Gott ist es, der zu uns kommt, der über die Maßen Treue kommt zu uns Treulosen. Gott, der unendlich Barmherzige kommt zu uns Unbarmherzigen. Gott, die Liebe selbst, kommt zu uns, die wir selbst beim Lieben noch sorgsam darauf achten, dass wir nicht zu kurz kommen. Immanuel - das ist die Weihnachtsbotschaft als  Konzentrat, Gott ist bei uns - ganz nahe.

Und so nahm Josef seine Vaterrolle an. Er tat, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich. Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Dieser Jesus wird, so lässt Matthäus den Engel sagen, sein Volk retten von ihren Sünden. Eine alte Sehnsucht der Menschen wird damit beantwortet: Gott möge mit uns sein, uns gewogen, uns liebend zugeneigt. Friede möge sein und Gerechtigkeit herrschen. Wir Christen glauben: Jesus ist die Antwort Gottes. Und diese Antwort ist gültig, der Retter ist gekommen. Jesus ist der Christus, der verheißene Messias. In ihm hat Gott mit uns Menschen Frieden geschlossen. Er ist der Garant, dass Gott nicht gegen uns sondern mit uns ist.

Was jetzt noch immer an Bosheit und Unfrieden und Unglück in der Welt ist, und das ist ja weiß Gott nicht wenig, das ist eben nicht göttliche Strafe, sondern unserer Unfähigkeit  zum Guten geschuldet. Eigentlich könnten wir Menschen es anders, könnten anders umgehen miteinander und mit der Welt, die unsere Heimat ist, ja, wir wüssten auch wie es geht, aber tun es nicht.

Aus Angst, zu kurz zu kommen. Aus Kleinglauben. Aus der Gier nach immer mehr. Aus Kurzsichtigkeit. Es ist unsere, der Menschheit Verantwortung, diese Welt und das Zusammenleben in ihr für alle erträglich zu gestalten, denn wir sind von Gott für mündig erklärt und er selbst hat uns in dem, dessen Geburt wir heute feiern, sogar vorgelebt, wie ein liebender Umgang miteinander und mit dieser Welt aussehen kann. 

Das gilt nicht nur in dieser einen Nacht - Wir sind gerufen, berufen, uns auch an den übrigen 364 Tagen an ihm zu orientieren. Dieser Jesus kann auch heute uns ein Wegweiser sein zu einem guten Leben, das nicht nur für uns, sondern auch für unsere Nächsten gut ist. Wenn wir dann versuchen, unsere Welt gewissermaßen mit seinen Augen, aus seiner Perspektive zu sehen, dann sehen wir eine Welt, die mit ihrem Schöpfer versöhnt ist, die voller Möglichkeiten ist, Frieden zu schaffen, Frieden zu halten, Leben zu geben und Leben zu erhalten.

Das, was in dieser Nacht begonnen hat, ist einfach zu schön, zu kostbar, um es nur in dieser einen Nacht zu bedenken - es soll uns an allen Tagen und in allen Nächten zum Leben helfen. Amen



Pastor Jasper Burmester
Hamburg-Volksdorf
E-Mail: jasperbu@gmx.de

Bemerkung:
Konsultierte Literatur:
EKK 1/1 U.Luz
Predigtstudien 1984/85 - 2014/15



(zurück zum Seitenanfang)