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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Weihnachtstag, 25.12.2014

Und Weihnachten
Predigt zu Lukas 2:1-20, verfasst von Michael Bünker

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt. Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Frohe Weihnachten - ja, das könnten die Hirten jetzt gesagt haben, wenn sie Gott lobten und priesen für alles, was sie gesehen und gehört haben. Frohe Weihnachten - so sage ich es auch, jetzt zu euch allen, die ihr gekommen seid, um Gott zu loben und zu preisen. Frohe Weihnachten,  das sagen wir -  gemeinsam mit den Hirten - in alle Welt. Denn es ist „Frieden auf Erden" ausgerufen, in einem Atemzug mit „Ehre sei Gott in der Höhe". Mit diesem Kind hat sich alles geändert. Mit diesem Kind wird sich alles ändern. Deshalb: Frohe Weihnachten!

Die Geschichte, die uns Lukas erzählt, ist so vertraut, dass man sich in die Worte richtig hineinnehmen lassen kann. Manche Sätze können wir auswendig, weil wir es so oft gehört haben, so oft gelesen haben am Heiligen Abend. Und trotzdem, gerade in der so vertrauten Geschichte, gibt es etwas, das mir erst jetzt und ganz neu aufgefallen ist. Wenn es sich um irgendeinen Sport handeln würde, könnte ich sagen: In der Weihnachtsgeschichte steht es 13 zu 5.  Ich weiß nicht, in welchem Sport so ein Ergebnis möglich ist, für Fußball und Eishockey ist es viel zu hoch, für Handball und Basketball wieder zu niedrig. Aber das ist egal.

Ihr fragt jetzt vielleicht: Wovon spricht er? 13 zu 5? Aber bitte zwischen wem oder was? Die Antwort ist einfach: Die Geschichte hat genau 18 Sätze, und zwar im Deutschen wie im griechischen Original. Dreizehn dieser 18 Sätze beginnen mit „und". Nur fünf fangen anders an. Und diese Schätzung; und als sie dort waren; und sie gebar und so weiter und so weiter. Nun erinnere ich mich gut an den Deutschunterricht vor vielen Jahren. Da ist uns eingeschärft worden, dass ein Satz niemals mit „und" beginnen soll. Mit und beginne keinen Satz, das habe ich mir gemerkt. Das gilt als schlechter Stil, so habe ich es gelernt. Meine Deutschlehrerin hätte jedes „und" am Beginn eines Satzes mit einer roten Wellenlinie gekennzeichnet.

Nun macht das der Evangelist Lukas immer wieder, nicht nur in der Weihnachtsgeschichte. Aber, so habe ich mir gedacht, vielleicht hat es doch hier eine besondere Bedeutung. Denn was ist das kleine Wörtchen „und"? Es ist ein Verbindungswort, in der Fachsprache der Grammatik heißt das: eine Konjunktion. Ein Wort, das zusammenfügt, zusammenbindet, zusammenhält was von Haus aus unverbunden nebeneinander stehen würde. „Und" stellt eine Verbindung her. Nicht: Weihnachten - na und? Sondern: Weihnachten - ja und!

Weihnachten ist das große „und", ist vielleicht im Kern überhaupt nichts anderes als ein geheimnisvolles „und".

Fangen wir einmal an zu sehen, was und wer da miteinander verbunden wird: Zuerst sind es einfache Dinge, Maria und Josef, die nicht wissen wo sie hinsollen, weil ihnen alle Welt nur versperrte Türen gezeigt hat. Dann Heu und Stroh, das Elend der Welt. Oder Ochs und Esel an der Krippe, die Tiere, die beteiligt sind bei der Geburt des himmlischen Kindes. Aber auch die Engel und die Hirten. Die himmlischen Wesen, normalerweise unsichtbar, treten hervor und lassen sich sehen. Sie erscheinen. Sie sprechen und singen. Auf der anderen Seite die Hirten. Verachtet, ausgegrenzt und normalerweise auch unsichtbar für die Leute, die in ihren sicheren Häusern und im Schein des Lichtes leben. Irgendwo draußen, bei den Herden in der Nacht. Aber jetzt treten auch sie hervor, treten ans Licht, auch die Hirten sprechen und singen.

Dann geht es weiter: Es verbinden sich Licht und Finsternis. Die Klarheit des Herrn strahlt plötzlich um die Hirten, die sich schon daran gewöhnt hatten, dass es dunkel ist und dunkel bleibt in ihrem Leben. Ein „und" schafft eine Brücke zwischen Himmel und Erde. Auch wenn am Ende die Engel wieder im Himmel sind und die Hirten wieder bei ihren Herden, wenn der Alltag wieder eingekehrt ist, so wie er auch bei uns wieder einkehren wird nach den Feiertagen, ist doch für einmal, für einen unvergleichlichen Augenblick die Verbindung hergestellt worden. So groß der Unterschied auch sein und bleiben mag, ab jetzt gehören Himmel und Erde zusammen. Es ist dem da oben nicht egal, wie es dir da unten geht. Du da herunten kannst dich darauf verlassen, dass der da oben dich beim Namen kennt und dich begleitet. Ehre sei Gott in der Höhe, im Himmel hoch über uns und unseren Sorgen und Freuden, unserem kleinen, großen Leben, und Frieden auf Erden. Weil Gott da oben die Ehre gehört, deshalb kann es Frieden werden, wozu die Welt aus sich selbst heraus offensichtlich nicht und nicht in der Lage ist.

Engel und Hirten, Licht und Finsternis, Himmel und Erde, Gottesehre und Menschenfrieden gehören ab jetzt zusammen. Denn das ist wichtigste „und" in der Weihnachtsgeschichte heißt: Gott und Mensch. In Jesus, dem Kind im Futtertrog, in der Krippe, ist Gott Mensch geworden. Ab jetzt gehören Gott und Mensch zusammen. Das kleine Blümelein, von dem wir im Lied „Es ist ein Ros entsprungen" singen, blüht mitten in finsterer, kalter Winternacht. Wahrer Mensch und wahrer Gott hilft uns aus allem leide, rettet von Sünd‘ und Tod. Es gibt wohl kein größeres Geheimnis als dieses: Mensch und Gott. Das, was als unvereinbar gilt, wird auf unbegreifliche Weise miteinander verbunden und vereint. Die Kluft ist überwunden, der Riss ist geheilt.  Die Kluft zwischen Gott und Mensch und der Riss, der sich durch die Feindschaft des Menschen gegen Gott durch alles durchzieht. Es ist geheilt, weil Gott es getan hat. Frieden auf Erden. Das Leben für die Wahrheit ist möglich, weil Gott dich in das Licht und in die Wahrheit gestellt hat. Das Leben aus der Gnade ist möglich, so sehr dir das Leben ungnädig und unbarmherzig erscheinen mag. Das Leben in der Liebe ist möglich, so sehr unter Menschen auch Abneigung und Hass verbreitet sein mögen. Menschwerden - das hat uns Gott vorgemacht. Mit Jesus macht er den Anfang, den ewigen Anfang, der durch keinen Tod und kein Scheitern mehr in Frage gestellt wird. Ehre sei Gott in der Höhe, der sich nirgends anders als in einem schutzlosen Neugeborenen in einer Krippe finden lässt.

Weihnachten - ja und! Gott und du und ich und alle Welt.



Bischof der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich Dr. Michael Bünker
Wien
E-Mail: bischof@evang.at

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