Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Weihnachten, 28.12.2014

Simeon und Anna.
Predigt zu Lukas 2:25-40, verfasst von Eva Tøjner Götke

 

Zwei Menschen im Tempel in Jerusalem, die das Zeichen deuten - das Kind in den Armen der Eltern.

Sie deuten es als Zeichen des Heils, als Gabe Gottes an die Menschen.

Simeon und Anna nehmen das Kind auf den Arm und segnen es.

Aber was nun geschieht, ist dass das Kind sie belehrt und sie all die Jahre getragen hat. Und sie nun trägt, um ihrem Tode entgegenzugehen, erlöst, voller Trost.

 

Es ist die Hoffnung auf das Heil Gottes, die Simeon veranlasst hat, zum Tempel zu kommen - gerade als Josef und Maria mit ihrem Kind kommen.

Und es ist die Hoffnung auf Erlösung, die die alte Anna veranlasst hat, in all diesen Jahren im Tempel zu wohnen - und darauf zu warten, das Leben wiederzubekommen, das sie verloren hatte.

 

Es ist heute schwer, alt zu werden.

Simeon und Anna gehören zu den Seltenheiten.

Sie verbergen sich vielleicht in den Pflegeheimen.

Wir anderen erwarten jedenfalls nicht, dass sie die Zeichen für uns deuten.

 

Alles muss heute so schnell gehen und so effektiv sein, dass wir keine Zeit haben, auf die Alten zu warten.

Sie reden auch allzu langsam, eine merkwürdige altmodische Sprache.

Und die Zeit ist ja heute eine andere, sagen wir.

 

Die Welt, in der die Alten lebten, können wir gar nicht mit der unsrigen vergleichen.

Nicht viele Menschen fühlen sich durchs Leben getragen - eher umgekehrt: Sie fühlen, dass sie alles selbst tragen sollen.

 

Die Zeit ist vorbei, wo Altwerden mit Weisheit verbunden war und von Respekt getragen vor einer schmerzvoll gewonnen Lebenseinsicht.

 

Nun sind die Alten nur Leute, die leider nicht mehr jung sind.

Wir verbergen die grauen Haare.

Die Falten wollen wir nicht zugeben.

Die Lebenserfahrung soll nicht zu sehen sein.

Denn Lebenserfahrung ist ja meistens mit etwas Schmerzhaftem verbunden - mit Verlust, mit Enttäuschungen, und natürlich auch mit Freuden - aber auch mit Selbsteinsicht, mit anderen Worten: Weisheit.

 

Wir wollen vom Schmerz im Leben nichts wissen.

Das ist nicht zu ertragen - weil wir ja alles selber tragen sollen. Wer sonst?

Wir wollen nicht davon wissen, dass wir jeden Tag ein wenig sterben.

Dass wir jeden Tag dem Tode näher sind

Was für ein grässlicher Gedanke. Lasst uns feiern und froh sein.

Bloß nicht weg mit dem schönen Weihnachten!

 

Es ist heute schwer, alt zu werden.

Viellicht hängt das damit zusammen, dass es schwer ist, ein Kind zu sein.

So wie wir vor dem Alter flüchten, so flüchten wir ja auch vor dem Kind in uns.

Wir wollen erwachsen sein, stark und selbständig, und alles selber tragen-

 

Vielleicht liegt die Voraussetzung dafür, sein Alter zu tragen, darin, es ertragen zu können, ein Kind zu sein. Ein Kind Gottes.

Er nahm sie auf und trug sie von alters her, schreibt der Prophet Jesaja.

Von dieser Verheißung hatten Simeon und Anna gelebt und waren ihrem Tode entgegen gegangen.

Er nahm sie auf und trug sie von alters her.

Nicht dem Tod gingen sie entgegen, sondern ihrer Erlösung.

Das war es, was im Tempel geschah, als sie das Kind in den Arm nahmen - es war das Kind, das sie trug und ihnen Frieden gab, ihrem Tode entgegenzugehen.

Die Botschaft dieses Sonntags nach Weihnachten ist, dass wir uns vom Kind deuten lassen und durchs Leben tragen lassen sollen - als Kinder auf dem Arm - durch die Leiden, Enttäuschungen, Verluste, die dazu gehören - so dass unsere Lebenserfahrung uns Lebenseinsicht und Selbsterkenntnis und Glaube und Hoffnung geben kann. Und Frieden.

Frieden im Glauben daran, dass wir Gottes Kinder sind. Und wenn wir Kinder sind, sind wir auch Erben. So wahr wir mit ihm leiden - werden wir auch mit ihm verherrlicht.

 

Und glauben wir, dass wir Gottes Kinder sind, werden wir auch als Gottes Kinder leben.

Das Gotteskind in unseren Alten sehen.

Das Gotteskind hinter den Runzeln und Furchen in den Prüfungen des Lebens sehen.

Und aufhören, die Pflegeheime als Vorhof der Hölle zu betrachten - sondern als Vorhof des Tempels.

Der Ort, wo wir uns vom Kinde tragen lassen.

Dem Kinde, das selbst zum und Auferstehung wurde.

Ein Zeichen, dem widersprochen wird - auf dass vieler Herzen offenbar werden.

Wir widersprechen ihm, wenn wir von unseren Alten nichts wissen wollen.

Wenn wir sie am liebsten loswerden wollen.

Und ihnen beim Sterben helfen wollen - effektiv.

Aktive Sterbehilfe ist Kindermord.

 

Gott!

Schicke den Geist deines Sohnes in unsere Herzen, lehre uns unsere Tage zu zählen, dass wir weise werden im Herzen.

Lass und von ihm getragen sein, lass ihn ein Licht sein zur Offenbarung für uns. Amen.



Pastorin Eva Tøjner Götke
DK-5230 Odense M
E-Mail: ETG(at)km.dk

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