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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Silvester, 31.12.2014

Rituale
Predigt zu Lukas 12:35-40, verfasst von Thomas Jabs

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen.


Liebe Gemeinde!

Ein interessantes Buch ist in mein Haus gekommen. Sein Titel: Die Bibel und ich. Von einem der auszog das Buch der Bücher wörtlich zu nehmen.

Diesen guten Vorsatz des Schriftstellers A. J. Jacobs habe ich mir gleich zu eigen gemacht.
Die Bibel wörtlich zu nehmen. Im Evangelium hatte ich gelesen: Es komme nicht darauf an, dass ich losgehe und Gott suche. Er komme ja zu mir und ich müsse nur wachsam warten bis er klopft oder klingelt und dann aufmachen und er würde mir den Tisch mit Köstlichkeiten decken.

Es hatte geklingelt, ein Buch war mir gebracht worden. Ich öffnete das Buch und richtig, da waren köstliche Zitate für die Predigt:

„Heute ist Silvester, und Julie und ich halten mit unserem Mietwagen vor dem Haus von Freunden in New Jersey. Wir wollen übers Wochenende bleiben. Nach großem Hallo und erfolgreich abgewehrten Umarmungen schleppe ich unseren Koffer die Treppe hoch ins Gästezimmer, hieve ihn aufs Bett, öffne den Reißverschluss - und merke sofort, dass ich etwas vergessen habe: meinen Schofar. Er liegt in New York im Schrank. Mist. Jetzt kann ich den neuen Monat am 1. Januar nicht mit einem Stoß in mein Widderhorn begrüßen.

... Wenn es um die Einhaltung meiner Rituale geht, kenne ich keinen Spaß.
Ich brauche meinen geregelten Tagesablauf - die Gebete, die Bibellektüre, die Quasten, die weißen Kleider. Warum? Wahrscheinlich weil sich das alles hervorragend mit meinen zahlreichen Neurosen verträgt."

Dann schildert A.J. Jacobs einige seiner früheren Rituale bevor er damit begann nach der Bibel leben zu wollen. Er begann z.B. Sätze nie mit Du, und schließlich heißt es:

„Ohne es zu merken hatte ich jahrelang meine selbstauferlegten Chukim praktiziert. Wie viel Zeit hatte ich damit verschwendet, das Radio immer wieder an- und auszuschalten, nur weil das letzte Wort ein Substantiv sein musste? ... Statt zwanghaft die Liste der Fächer meines Freshman Year herunterzubeten - Französisch, Mathe, Bio und so weiter -
spreche ich nun zwanghaft bestimmte Bibelworte vor mich hin, die ich mir unbedingt einprägen muss. Zum Beispiel, dass Gott uns die Zehn Gebote schenkte. Und den Sabbat. Dass Gott das Volk Israel aus der Knechtschaft in Ägypten führte. Und dass Gott uns befohlen hat, zu Beginn jedes Monats in ein Widderhorn zu blasen." Zitat Ende

Ja, genau das ist Silvester. Wir überprüfen unsere selbstauferlegten Rituale. Dann nehmen wir uns oft vor: Im neuen Jahr trenne ich mich von einigen Schlechten und übe statt dessen Gute ein. Gute Rituale schlägt das heutige Evangelium vor:

35 Lasst eure Lenden umgürtet sein und eure Lichter brennen36 und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wann er aufbrechen wird von der Hochzeit, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sogleich auftun. 37 Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet. Wahrlich, ich sage euch: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten und kommen und ihnen dienen.

Drei dieser Rituale empfehle ich für das neue Jahr:

1. Lasst eure Lenden umgürtet sein
2. wenn der Herr kommt und anklopft, tut ihm sogleich auf
3. Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten

1. Lasst eure Lenden umgürtet sein.
Silvester überprüfen wir unsere selbstauferlegten Rituale. Dann nehmen wir uns oft vor: Im neuen Jahr trenne ich mich von einigen Schlechten und übe statt dessen Gute ein Schlecht war es bisher nicht doch auch nicht gut, wenn ich jeden Morgen meinen Gürtel nahm, durch die Schlaufen der Hose zog und mich gürtete. Es war bisher kein wirkliches Ritual. Ich tat es, doch es war ohne Bedeutung. Ein wirkliches Ritual ist, wenn ich etwas tue, das eine tiefere Bedeutung hat.

Ab morgen wird das Gürten eine tiefere Bedeutung für mich haben. Damals zu Jesu Zeiten hatte man ein großes Stück Stoff, mit dem man sich nachts zudecken konnte und am Tag wurde es zur Kleidung. Man zog sein langes Gewand etwas höher und gürtete es fest zusammen. So wurden die Beine frei zum Gehen und zum Arbeiten.

35 Lasst eure Lenden umgürtet sein
hatte also die Bedeutung, nicht in den Tag hinein zu schlafen sondern die Aufgaben zu erfüllen, die Gott einem Menschen gibt. Ab morgen werde ich mich also beim Gürtel schließen fragen: Welche Aufgaben stellt Gott mir heute?

Ich lade sie herzlich ein, dies Ritual mit mir zu teilen. Welches Kleidungsstück auch immer sie am Morgen schließen, verbinden Sie es mit dieser Frage: Welche Aufgaben stellt Gott mir heute?
So beginnen sie den Tag mit einem guten Ritual.

Und schon sind wir beim zweiten. Gottes Aufgaben für mich zu erkennen:
wenn der Herr kommt und anklopft, tut ihm sogleich auf
So wird jede Tür zu einem guten Ritual werden. Es klopft oder klingelt an unserer Tür zu Hause oder auf Arbeit. Es klingelt das Telefon oder während eines Gespräches klopft ein anderer Teilnehmer an. Wir legen die schlechte Gewohnheit ab:

Wer ist denn das schon wieder? Und gewöhnen uns die Gute an:
Es klopft. Es kommt der Herr. Selig also glücklich der Knecht der ihm auftut.

Glücklich, der Mensch, der öffnet: seine Tür, seine Augen, seine Ohren, seinen Verstand, sein Herz, seine Wachsamkeit. Jede, die mich anruft, jeder der bei mir klopft bringt mir Glück. Und ich achte darauf, dieses Glück in der Begegnung zu entdecken. Vielleicht ist es ein Ärger, der mich etwas lehrt, vielleicht eine Freude die mich stärkt. Es heißt nicht
umsonst im Volksmund:

„Wenn das Glück an die Tür klopft, sollte man ihm öffnen."
Gott selbst klopft täglich bei uns an. Wenn wir ihm öffnen, werden wir selig.
Worauf wir dabei zu achten haben, worin wir das Glück, die Seligkeit finden bei jedem wachsamen Öffnen, das ist uns gesagt:

Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten
Dazu zitiere ich wieder Auszüge aus A. J. Jacobs, die Bibel und ich:
„Zu Beginn meines Projekts benutzte Elton Richards eine grandiose Speisemetapher: Er sagte, meine Suche gliche einer Festtafel, ... Ich fand das wunderbar. Und beschloss, mir bis zum Ende meines Bibeljahres eine eigene Speisemetapher einfallen zu lassen. Ich glaube ich habe eine gefunden...

„Cafeteria Christianity" ist ein abfälliger Ausdruck, den fundamentalistische gern auf gemäßigte Christen anwenden, weil diese sich - wie in einem Selbstbedienungsrestaurant - angeblich nur die Teile der Bibel herauspicken, die ihnen „schmecken". Hier eine Portion Gnade, dort ein Löffelchen Barmherzigkeit. Aber das Verbot der Homosexualität? Darübe rümpfen sie pikiert die Nase. Sie, die Fundamentalistischen, behaupten, die Gemäßigte seien inkonsequent und wollten die Bibel lediglich den eigenen Werten und Bedürfnissen anpassen. Das zurückliegende Jahr hat mir eindeutig bewiesen, dass diese Cafeteria Religion
von allen praktiziert wird...

Die Kunst besteht darin, die richtigen Gerichte zu wählen. Nahrhaft (Barmherzigkeit) und gesund (Liebe deinen Nächsten) sollen sie sein, nicht bitter. Beileibe nicht alle religiösen Führer haben ein Gespür für feine Küche, aber die Guten wissen durchaus, wo man die wahren Köstlichkeiten findet.

Im besten Falle sind sie so etwas wie Gourmetführer ..." Zitat Ende
Jesus, der Herr, ist der beste Fall. Ein wahrer Gourmetführer: Er wird sich schürzen und wird sie zu Tisch bitten

Im Abendmahl heißt es wörtlich:
Unser Herr Jesus Christus in der Nacht da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach's und gab's seinen Jüngern und sprach:

Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Solches tut zu
meinem Gedächtnis.
Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl, dankte und gab ihnen den und sprach:

Nehmet hin und trinket alle daraus, dieser Kelch ist das Neue Testament in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Solches tut sooft ihr's trinket, zu meinem Gedächtnis.

Das will ich auch im neuen Jahr tun: Am Tisch des Herrn teilhaben, Abendmahl feiern zu Jesu Gedächtnis. An ihn denken, der sich für uns gegeben hat zur Vergebung der Sünden. Vergebung, welch eine Köstlichkeit.
Und bei jedem anderen Essen darf ich daran denken, Gott schenkt mir nahrhafte und gesunde Gerichte für Leib und Seele.

Nun hoffe ich auch Sie davon überzeugt zu haben:
Es kommt nicht darauf an, dass wir Gott suchen. Er kommt zu uns:

● jeden Morgen beim Anziehen, stellt er uns seine guten Aufgaben für den Tag
● den ganzen Tag über schenkt er uns immer neues Glück. Bei jedem Klopfen und
Klingeln, können wir uns einer Begegnung öffnen die unser Leben bereichert.
● und in jedem Abendmahl, erinnert er an seine Hingabe und Vergebung. Zu jeder
Mahlzeit schenkt er uns nahrhafte und gesunde Gerichte für Leib und Seele.

An uns ist es lediglich wachsam zu warten und Gottes Köstlichkeiten der Cafeteria des Lebens, in guten Ritualen zu genießen.

Und der Friede Gottes der höher ist alle Vernunft,
der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn.

 



Pfarrer Thomas Jabs
12623 Berlin
E-Mail: Pfarrer.Jabs@kirche-mahlsdorf.de

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