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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Silvester, 31.12.2014

Predigt zu Lukas 2:21 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Poul Joachim Stender

Das Neue Jahr feiern wir in Kirke Saaby nicht am 1.januar, sondern am Nachmittag des 31. Dezember. Die Kirche ist mit Tulpen geschmückt in allen Farben und Serpentinen. Zwei große Tische in der Kirche stehen gedeckt mit Sektgläsern und Siberschüsseln mit Marzipankuchen. Wenn der Gottesdienst vorbei ist, öffnen wir die Sektflaschen mit großem Knall und wünschen einander ein gesegnetes neues Jahr. Der Neujahrsmorgen hatte früher 10 bis 20 Kirchgänger. Mit dem neuen Gottesdienst am 31. Dezember am Nachmittag haben wir den Gottesdienst genauso populär gemacht wie den Heiligen Abend. Selten weniger als 150 Teilnehmer, alle festlich gekleidet!

 

Wir sind dazu geschaffen, nach Gott zu suchen, zu lieben und Gedichte zu schreiben. Deshalb müssen wir wissen, was wesentlich ist und was unwesentlich. Alle lächerlichen Neujahrsvorsätze, 20 Kilo abzunehmen oder mehr Kontrolle über die Ausgaben zu gewinnen oder mit dem Rauchen aufzuhören, sind unwesentlich. Nicht das wollen wir aus 2015 machen. Wir wollen Liebe. Wir wollen jemanden haben, den wir lieben, dem wir uns anvertrauen können und dem wir uns öffnen können.

Wir könnten noch besser sein für die Liebe, wenn wir mehr Zeit fdafür aufwendeten. Wir brauchen viel zu viel Zeit für Saubermachen, Aufräumen, Arbeiten, Fernsehen. Wir trainieren unsere Körper mit Motion und gesunder Kost. Aber die Liebe muss auch gepflegt werden. Wir müssen üben, uns selbst loszulassen, anzunehmen, und selbst zu geben. Wir sind dafür geschaffen. Unsere Bürgermeisterin hat als Ziel ausgegeben, das unsere Gemeinde die umweltfreundlichste Gemeinde des Landes sein soll. Gut so. Aber ich sage: Lasst die Gemeinde die Gemeinde sein, in der die Leute einander am meisten gern haben, wo am meisten geküsst wird, wo die Ehen am längsten halten, wo die Einsamen viel Besuch bekommen, wo sich die Leute mehr dafür interessieren. Liebe zu geben als für frisch asphaltierte Straßen. Wir können gut mit Löchern in den kommunalen Straßen leben, aber nicht mit lieblosen Löchern in unserem eigenen leben.

Diese Welt ist so unverständlich, so schön, so hässlich, so tief, so hoch, dass wir genötigt sind, Gedichte zu schreiben. Alle können Gedichte schreiben. Wir sind dazu geschaffen. König David schrieb Gedichte. Ich bin Leserbriefe leid, Reprotagen, Nachrichten, SMS und E-Mails. Ich sehne mich nach Gedichten. Wenn wir unbedingt für 2015 einen Neujahrswunsch haben sollten, dann sollte es sein, dass wir mehr Gedichte für einander schreiben. Und dass, die, denen wir unsere Gedichte geben, uns tiefer lesen als je zuvor. Wir öffnen unsere Verwundbarkeit, unsere Gefühle, unsere Träume, so dass die anderen sehen können, wie wir ihnen gleichen und wie wir uns alle nach demselben sehnen: nach Liebe. Wir lesen zu viele Reklameblätter, zu viele Gebrauchsanweisungen, zu viele Neonschilder mit Benzinpreisen. Würden wir mehr Poesie lesen, würden wir größer und tiefer über unser Leben denken.

Wir sind auch geschaffen, nach Gott zu suchen. Ich weiß nicht, worum wir wissen müssen, dass der Sohn Gottes acht Tage nach seinem Tod den Namen Jesus erhielt. Die acht Tage sind wohl nicht wichtig. Aber dass er dem Namen Jesus erhielt, ist wesentlich. Der Gott, nach dem wir uns ausrichten, heißt Jesus. Nun haben wir uns in den letzten Tagen allzu sehr nach Wurst und Schweinebraten ausgerichtet. Und viele, vielleicht allzu viele Jahre haben stand unser Sinn nach Arbeit, Pension, Eigenheim, Auto oder unseren Sachen. Nun soll unser Sinn nach dem Größten gereichtet sein, das wir überhaupt finden, nämlich Jesus. Es ist so wenig ehrgeizig, sich für das neue Jahr vorzunehmen, abzunehmen oder gesünder zu leben. Dagegen ist mehr Format darin, sich für das neue Jahr vorzunehmen, sein Leben nach dem Sohn Gottes auszurichten. Den der, der sein Leben nach Gott ausrichtet, entdeckt, das sich Gott in Jesus ganz auf die Erde begeben hat und uns fest ergriffen hat mit der Liebe, nach der man sich sehnt, mit der Mystik voller Geheimnisse, die nur Gedichte einfangen können.

Warum nicht das tun im Jahre 2015, zu dem wir geschaffen sind? Sich nach Gott ausrichten, lieben und Gedichte schreiben. Wer hat uns weisgemacht, dass wir ausschließlich dazu geschaffen sind zu arbeiten, für die vielen täglichen Aufgaben. Schiebt die Liebe nicht auf, Gott, die Gedichte. Warum? Der Jakobusbrief im Neuen Testament schreibt: „Wohlan nun, die ihr sagt: Heute oder morgen wollen wir gehen in die oder die Stadt und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und Gewinn machen, die ihr nicht wisst, was morgen sein wird. Denn was ist euer Leben? Ein Dampf seid ihr, der eine kleine Zeit währt, danach aber verschwindet er. Dafür sollt ihr sagen: So der Herr will und wie leben, wollen wir dies oder das tun". Ja, wir sind nur Dampf. Manchmal gleiten wir in einander. Werden eins. Das nennt man Liebe. Manchmal lösen wir uns auf, wenn der Herr sagt: „Kehrt wieder, Ihr Menschenkinder". Das nennt man Tod. Nicht ohne Grund ist es so, dass wir, die den morgigen Tag nicht kennen, das Innere unserer Kirche Schiff nennen. Das Kirchenschiff. Leben heißt gleichsam auf einem Schiff an Bord sein. Wir entscheiden uns für einen Kurs in unserem Dasein. Da wollen wir hin. Aber vielleicht kommen wir vom Kurs ab und landen ganz woanders, weil Gottes Pläne nicht unsere Pläne sind. Deshalb sollen wir immer hinzufügen, wenn wir 2015 sagen: Ich gehe in Rente, ich will heiraten, ich will eine neue Arbeit haben, ich will auf die Kanarischen Inseln: So Gott will. 2015 ist nämlich größer als wir. Wir werden das neue Jahr nie zähmen oder dressieren, auch wenn wir noch so viel planen, auch wenn wir uns noch so sehr zu sichern suchen.

 

Am Sylvester-Abend stellt man sich in Griechenland um Mitternacht auf einen Stuhl, macht alles Licht aus, und genau wenn das neue Jahr beginnt, springt man ins Dunkle. So ist es, ein neues Jahr zu beginnen. Ein Sprung in etwas, was wir nicht sehen können. Und gerade deshalb bedürfen wir verzweifelt der Liebe zueinander. Wir brauchen die Gedichte, die einen Schimmer er enormen Tiefen des Jahres öffnen. Wir brauchen Gott, der an uns festhält - sowohl wenn es in der Richtung geht, die wir wünschen, als auch wenn der Kurs ganz anders verläuft.

 

Wer weiß, was die Königin heute Abend sagen wird außen den Grüßen an die Seeleute, die Südschleswiger und die Dänen im Ausland. Wer weiß, wie oft sie über die Worte stolpern wird und mit ihrem Stolpern über die Worte uns sagen wird, wie leicht es ist, in das neue Jahr zu stolpern. Sie pflegt kluge Worte zu sagen. Aber da sie nicht politisch, gefährlich oder provozierend sein darf, ist die Rede oft geprägt von Zurückhaltung und Vorsicht. So soll es bei uns nicht sein, die im neuen Jahr auf Gott setzen, die Liebe und die Gedichte. Nichts soll uns bremsen. Wir wollen mutig sein und politisch unkorrekt und unkonventionell. Wir haben es nötig, dass 2015 etwas Neues gesagt und etwas anderes getan wird, um die Liebe zu stärken. Das Schlimmste, was uns 2015 passieren kann, ist status quo. Dass alles so bleibt, wie es ist, und wir noch ein Jahr nur von globaler Erwärmung, Wirtschaft und Gesundheit reden.

 

Wir, die wir nur ein Dunst sind und nicht wissen, ob wir morgen nach da sind, wir, die wir ein Leben haben so kurz wie das Evangelium des Tages, müssen fast die Worte des ersten Buch Mose verschlingen, wo der Herr zu Abraham sagt: Verlasse dein Land -  und danach Abraham verspricht, ihn und seien Nachkommen zu segnen. Heute Abend verlassen wir unser Land. Nämlich 2014. Wir gehen in ein neues Land. 2015. Und wie der Herr Abraham versprach, ihn zu segnen, wird er auch uns segnen durch seinen Sohn, der acht Tage alt dem Namen Jesus erhielt. Das ist das Wesentliche. Amen.



Pastor Poul Joachim Stender
DK-4060 Kirke Saaby
E-Mail: pjs(at)km.dk

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