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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2015

Predigt zu Matthäus 2:1-12, verfasst von Rainer Stahl

„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,

die Liebe Gottes

und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!"

 

 

Liebe Leserinnen und Leser,

liebe Schwestern und Brüder!

 

Wenn ich mich recht erinnere, habe ich einmal in den Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts im Planetarium in Jena eine Vorführung zum Thema „Stern von Bethlehem" gesehen. Es wurde damals am nachgebildeten Sternenhimmel in der Kuppel des Planetariums eine mehrmalige nahe Begegnung, eine Konjunktion, der Planeten Jupiter und Saturn vor dem Sternbild der Fische vorgeführt. Seit dem großen Astronomen Johannes Kepler, der von 1571 bis 1630 gelebt hat, wird diese Konjunktion als das astronomische Phänomen identifiziert, das der „Stern im Osten" gewesen sein soll, von dem unser biblischer Text redet. Dabei geht es um die dreimalige Konjunktion im Verlaufe des Jahres 7 vor Christus. Dabei ist wichtig, dass der Planet Jupiter als „Königsstern" und der Planet Saturn als „Stern des Landes amurru / des Landes Syrien" verstanden wurde. Deshalb hätten sich die babylonischen Astronomen nach Westen auf den Weg gemacht.[1]

 

Für mich war damals beeindruckend, dass selbst in der DDR dieses Naturereignis des Jahres 7 vor Christus vorgeführt und erläutert - und sogar mit dem in unserer Evangelienstelle Berichteten in Zusammenhang gebracht wurde.

 

Damals habe ich diese Deutungsmöglichkeit auch deshalb gern aufgenommen, weil ich darin eine qualifizierte Auseinandersetzung mit der Astrologie vermutet habe: Rein naturwissenschaftlich gesehen ist ja die Konjunktion von Planeten ein scheinbarer Vorgang aus unserem Blickwinkel von der Erde aus und natürlich überhaupt kein tatsächlicher: In Wahrheit zieht jeder Planet seine Umlaufbahn um die Sonne. Und mit dem Sternbild, vor dem diese scheinbaren Annäherungen zu sein scheinen, haben sie auch nichts zu tun. Denn die Sterne, die für uns, aus unserem Blickwinkel, in die Symbolik „Fische" zusammengefügt werden können, haben nur insofern etwas miteinander zu tun, als dass sie wie unsere Sonne zu unserer Galaxis gehören und auf ihren eigenen Bahnen um das Zentrum dieser Galaxis kreisen. Aber Bedeutung für die Bewegung von Planeten unseres Sonnensystems oder gar für Vorgänge auf unserer Erde haben sie nicht.

 

Solche Bedeutung kann nur über astrologische Denkwege erschlossen und behauptet werden. Und damals dachte ich eben, dass unsere biblische Geschichte zu solchen Denkwegen Verbindungslinien herstellt: Matthäus 2 könnte vielleicht als ein Versuch dafür verstanden werden, Menschen, die an astrologische Gedankengebäude glauben, für den christlichen Glauben positiv zu gewinnen: Auch von ihren astrologischen Ideen her könnten sie hinfinden zum Glauben - wie es die „Magoi", die „Weisen", die Astronomen aus Babylon geschafft hatten.

 

Aber mit den Jahren sind mir immer mehr Zweifel an der beschriebenen Sicht der Dinge gekommen. Vor allem drei Beobachtungen am biblischen Text selbst haben mir inzwischen diese Zweifel zur Gewissheit werden lassen:

 

Es wird überhaupt nicht von der Konjunktion von Planeten geredet. Sondern es geht wirklich und eindeutig um einen einmaligen „Stern im Osten" (Vers 2). Also ein periodischer Vorgang, der in der Geschichte unseres Sonnesystems mehrmals auftritt - zum Beispiel im Jahr 7 vor Christus, aber auch in den Jahren 794 und 1940 und 1941 nach Christus -, ist gerade nicht Inhalt der Darstellung.

 

Sodann wird nichts davon berichtet, dass die „Magoi", die „Weisen", diesen Stern während der Reise nach Jerusalem gesehen hätten. Im Gegenteil, es wird besonders hervorgehoben, dass sie „den Stern, den sie im Osten gesehen hatten", erst wieder auf dem Weg nach Bethlehem sehen - und darüber besonders erfreut sind (Verse 9 und 10).

 

Schließlich legt der Wortlaut des Matthäusevangeliums nahe, dass es hier um den Stern des Neugeborenen geht, um „seinen Stern im Osten" (Vers 2). Im selben Sinne will Herodes von den „Magoi", von den „Weisen", „den Zeitpunkt des Erscheinens des Sterns" erfahren (Vers 7), denn das wäre dann der Zeitpunkt der Geburt dieses Kindes.

 

Hintergrund dieser Andeutungen im biblischen Text ist eine uns völlig fremde Vorstellung: Mit der Geburt jedes Menschen, wenigstens jedes bedeutenden Menschen, bilde sich ein neuer Stern am Himmel! Halten wir diese Vorstellung für sinnvoll?

 

Aber wir müssen um ihrer eigenen Aussageintention willen, die Darstellung im Matthäusevangelium in dieser neuen Weise verstehen! Vor 20 Jahren hat ein früherer Kollege an der Kirchlichen Hochschule Leipzig, der heute an der Evangelischen Hochschule Moritzburg Altes Testament lehrt, die eigentliche Zielrichtung unserer Geschichte genau beschrieben. Matthias Albani schrieb: „Es geht bei dem Stern von Bethlehem eben nicht um ein schon lange vorausberechnetes Himmelsereignis, sondern um ein überraschendes analogieloses Phänomen, um ein Wunder, das sich menschlicher Berechenbarkeit entzieht. Hier liegt eine wichtige Pointe des Textes. Gott soll als Lenker des Geschehens erwiesen werden, nicht die Weisheit von Menschen oder gar die Sterne. Die klügsten Männer der damaligen Zeit werden von einem wunderbaren Stern geführt, den sie nicht berechnet haben und der sie mit Überraschungen konfrontiert."[2]

 

Das heißt auch: Unser biblischer Text holt Astrologiegläubige gerade nicht bei ihren Vorstellungen und ihrem Glauben ab. Sondern unser Text widerspricht aller Astrologie: „So, wie der Messias entgegen den Erwartungen der Zeit nicht als mächtiger Herrscher [...] in die Weltgeschichte eintritt, so werden in unserer Legende auch die klügsten astrologischen Berechnungen durch Gottes Handeln überflüssig."[3]

 

Eine ganz frühe Auslegung unserer Evangelienstelle bestätigt diese Sicht der Dinge: Ignatius von Antiochien gestaltete in seinem Brief an die Gemeinde in Ephesus um 110 nach Christus eine Ausdeutung des so genannten „Sterns von Bethlehem":

            „Ein Stern strahlte auf am Himmel,

            heller als alle anderen,

            unbeschreiblich hell leuchtete er,

            ein fremder, neuer Stern.

            Alle anderen Gestirne,

            auch Sonne und Mond,

            standen ringsherum.

            Er aber strahlte heller als alle anderen.

            Alle fragten verwundert:

            Woher kommt dieser neue, unvergleichliche Stern?

            Das war das Ende aller Sterndeuterei.

Alle Fesseln der Bosheit wurden gesprengt.

Wer nichts über Gott wusste, wurde belehrt,

das alte Reich des Bösen wurde zerstört.

Denn Gott war als Mensch erschienen,

Leben für immer neu zu machen.

Gott setzte seinen Plan in die Tat um.

Weil es dem Tod an den Kragen ging,

geriet alles in Bewegung."[4]

 

Diese Linie nehme ich auf, liebe Leserin, lieber Leser, liebe Schwestern und Brüder. Hier erschließt sich uns die Bedeutung der Geschichte in Matthäus 2:

 

Zuerst frage ich. Wo könnte das Thema unserer Geschichte innerhalb des Matthäusevangeliums wieder aufgenommen werden? Ich schlage vor: in der Szene mit der kanaanäischen Frau! Diese Frau bricht mit ihrem Verhalten, mit ihrer Einstellung zu Jesus Christus die Grenzen zwischen den Völkern auf, so dass Christus selbst jede Begrenzung auf jüdische Menschen überwinden muss (Kapitel 15, Verse 21 bis 28). Das Heil, das er bringt, die Rettung, die er bewirkt, gelten allen Menschen - auch uns! So wurde schon der Schlüsselsatz in Matthäus 1 in ältester Zeit auf die ganze Welt ausgeweitet:

            „[...] und du sollst ihm den Namen Jesus geben,

            denn er wird die Welt von ihren Sünden erretten" (Vers 21).

 

In unserer Geschichte sind es „Magoi", sind es „Weise" aus Babylon, die die Wahrheit im Zusammenhang mit Christus begreifen (nicht wirklich die Judäer; sie bleiben neutral und verhalten, obwohl sie die nötigen Quellen haben). Und in Matthäus 15 ist es eine kanaanäische Frau. All diese Menschen sind Gleichnisse, sind Bilder für uns, für mich, für Dich. Wir sind angesprochen und herausgefordert. Wir sind eingeladen, uns zu Christus auf den Weg zu machen. Das heutige Epiphaniasfest, das Weihnachtsfest so vieler Mitchristen in zahlreichen Ländern, ruft uns auf, uns neu zu orientieren, ruft uns auf, die verborgenen Zeichen der Zeit wahrzunehmen und auf Christus aktiv zuzugehen.

 

Vielleicht könnten in unserer Art von Christenheit in Deutschland beide Feste so etwas wie Komplementärereignisse sein:

Weihnachten kommt Gott zu uns.

Weihnachten sind wir die Beschenkten und Überwältigten.

Epiphanias machen wir uns auf.

Epiphanias geben wir Christus, was wir sind - uns selbst.

 

Dazu gebe ich zwei persönliche Zeugnisse, eines aus der Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert nach Christus, eines aus unserer Zeit:

 

Ignatius von Antiochien schreibt in seinem Brief an die Gemeinde in Ephesus weiter: „[...] dann will ich euch erklären, wie ich den ersten Schritt auf einem Weg getan habe, der mich zu einem neuen Menschen werden lässt, wie Jesus Christus es ist, wenn ich an ihn glaube, ihn liebe und teilhabe an seinem Leiden und seiner Auferstehung. Das werde ich um so lieber tun, wenn Gott mir offenbart, dass ihr alle ohne Ausnahme in der Gnade Gottes zusammenkommt, in einem einzigen Glauben, eins mit Jesus Christus [...], um [...] gemeinsam das eine Brot zu essen, das Mittel, dessen Einnahme unsterblich macht, das Gegenmittel gegen den Tod, durch das man für immer Gemeinschaft mit Jesus Christus lebt."[5]

Hier werden wir aufgerufen, mit vollem Glaubensbewusstsein zum Abendmahl zu gehen. Möge dies uns allen 2015 häufig möglich sein!

 

Und der vor knapp fünf Jahren verstorbene Gründer der Erfurter ökumenischen Collegiatsgemeinschaft, Dietrich Koller, hatte gedichtet:

            „Wir und aller Welt Schamanen

            konnten immer schon erahnen,

            was die Sterne uns bezeugen:

            dass wir nur durch unser Beugen

            und durch unsres Hochmuts Sterben

            wahres Menschentum ererben.

            Dir sei unser Ich gegeben,

            zu erhalten neues Leben,

            denn Du Kindlein bist der Gott,

            der sich gibt in unsre Not."[6]

Machen wir uns also in dem Bewusstsein auf zu diesem Kind, zu Gott, dass von ihm unsere eigenen Sorgen, Ängste, Probleme und Leiden gehalten, ja: eingegrenzt und verkleinert, sogar: überwunden und weggenommen werden - worden sind! Indem wir uns an diese Glaubensaussage klammern und von ihr her leben, können wir uns für die Notleidenden neben uns einsetzen und auf diesem Wege positiv an Christus handeln (!) - wie es im Matthäusevangelium an weiterer Stelle klar benannt wird:

„Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern [und Schwestern], das habt ihr mir getan" (Kapitel 25, Vers 40).

Amen.

 

 

„Und der Friede Gottes,

der höher ist als unsere Vernunft,

bewahre Eure Herzen und Sinne bei Christus Jesus, unserem Herrn!"



[1]   Bewusst gebe ich hier eine Literatur an, die in der DDR veröffentlicht worden ist - zwar in einem kirchlichen Verlag, aber gewiss nicht ohne staatliche Zustimmung: Gerhard Kroll SJ: Auf den Spuren Jesu, St.-Benno-Verlag, Leipzig 31970, die Seiten 63-71.

[2]   Matthias Albani: Der Stern von Bethlehem in astronomischer Sicht - Legende oder Tatsache? Eine Auseinandersetzung mit Konradin FERRARI D'OCCHIEPPOS Konjunktionstheorie, Mitteilungen und Beiträge 9, Theologische Fakultät Leipzig, Forschungsstelle Judentum, 1995, Seiten 27-48, Zitat: Seite 41.

[3]   Matthias Albani, a.a.O., Seite 42.

[4]   Klaus Berger und Christiane Nord: Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, Leipzig 52001, Seiten 785-786.

[5]   Klaus Berger und Christiane Nord, a.a.O., Seite 786.

[6]  „Glaube und Heimat" 51/52 vom 21.12.2014 (Gemeindezeitung der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland), Seite 13.



Pfarrer Dr. Rainer Stahl
Erlangen
E-Mail: rs@martin-luther-bund.de

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