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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2015

Predigt zu Matthäus 2:1-12, verfasst von Eberhard Busch

Das Weihnachtsfest liegt für uns wieder einige Tage zurück. Die Freude am Wunder der Weihnacht sollte für uns jedoch nie zurückliegen. Sie will uns begleiten. Heute tritt das Wunder uns erneut nahe. Anlass dazu bietet die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland, die zur Krippe von Bethlehem kommen. Es handelt sich bei ihnen um Magier oder Sterndeuter. Erst in einer späteren Zeit entstand die Legende, dass es sich um drei Könige gehandelt haben soll. Aber lasst uns jetzt eben auf diese biblische Geschichte hören! Jene wunderlichen Leute haben offenbar einen weiten Weg hinter sich und irren sich zuletzt zurecht, bis sie im Stall von Bethlehem Jesus finden.

Achten wir gleich auf den Höhepunkt dieser Geschichte! Der ist beschrieben mit dem Satz „und sie beteten das Kindlein an". Im Griechischen steht hier ein Wort, das schier Unglaubliches aussagt: sie übten Proskynese aus. Damit ist gemeint die respektvolle Verbeugung vor dem, der in der Welt zu sagen hat, die Hochachtung vor dem, der das Leben der Menschen in der Hand hat. Das scheint nur möglich vor einem, der Macht und Gewalt hat, um sich damit den nötigen Respekt zu verschaffen. Proskynese vollziehen oder, wie Luther übersetzt, anbeten, das heißt, dem betreffenden Machthaber „niederkniend huldigen, ihn fußfällig verehren". Man kann auch einfach sagen: seine Macht anerkennen und sich ihr unterwerfen.

Und nun Unerhörte: An der Krippe zu Bethlehem passiert jetzt genau das, „und sie fielen nieder und beteten des Kindlein an". Sie vollzogen Proskynese vor ihm. Ist das nicht grotesk und albern? Es ist doch ein Kindlein „auf Heu und auf Stroh" und ist kein Machthaber, dem sie da niederkniend huldigen. Josef Stalin soll abschätzig über Christus gesagt haben: Wie viele Bataillone hat er denn! Und der spöttische Philosoph Voltaire hat bemerkt: „Man will eher noch ein Bösewicht sein, aber niemand will lächerlich sein." Doch so verblüffend es klingt, die Weisen aus dem Morgenland haben in ihrer Anbetung die Weihnachtsbotschaft verstanden: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr" (Lukas 2,11). „Der Herr" - das ist der Ehrentitel eines Herrschers, der den Lauf der Dinge im Griff hat. Der, vor dem sie niederknien, ist kein Weihnachtsmann, der einmal in der winterlichen Zeit auf dem Markt auftaucht, um für den Rest des Jahres wieder zu verschwinden. Dieser Herr regiert an allen weiteren Tagen. Er ist der, von dem Paulus singt und sagt, dass vor ihm „sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr sei" (Philipper 2,11).

Das gilt nicht erst in der Zukunft. Es gab christliche Theologen, die die Meinung vertraten, die Schuldfrage sei zwar in Christus entschieden, aber noch nicht die Machtfrage. Das ist keine gute Meinung. Die Weisen wären umsonst zur Krippe in Bethlehem gereist, wenn das richtig wäre. Die ganze Weihnachtsgeschichte würde ihr Rückgrat verlieren, wenn das nicht gilt: In der Tat, dieses Krippenkind ist „ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich". Natürlich, die Weisen haben sich geirrt, als sie dachten, „der neugeborene König" müsse daher im Königspalast in Jerusalem zur Welt gekommen sein. Aber interessant, dass es ein Bibelwort ist, dass sie wieder von ihrem Irrweg auf die rechte Spur führt.

Und ebenso interessant ist es, dass es die Hohenpriester und Schriftgelehrten in Jerusalem sind, die dieses Bibelwort kennen und es jenen Weisen sogleich zeigen können. Es steht beim Propheten Micha (5,1): „Und du Bethlehem, das du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel der Herr sei." Indem die Schriftgelehrten sich darauf berufen, unterläuft ihnen aber ein Fehler. Sie sagen nicht wie Micha, dass Bethlehem klein ist, sondern „keineswegs das kleinste". Oder hat der biblische Schreiber hier falsch zitiert? Aber die Bibel ist zuweilen auch in ihren Irrtümern lehrreich. Damit, dass Jesus dort zur Welt gekommen ist, ist das unbedeutende Nest unvergesslich geworden.

Und damit, dass er nicht in einem Königspalast, sondern in einem Stall geboren ist, ist in einem Gleichnis angedeutet, wer dort geboren ist: der, der sich der Armseligen und Erniedrigten annimmt, um sie aus dem Staub und Dreck zu holen. Weil er dazu erschienen ist, darum ist dieser König „ein Heiland aller Welt zugleich". Darum ist ja dann auch die weitere Geschichte Jesu gesäumt von Menschen, die das anerkannt haben: der vom todgefährlichen Aussatz Befallene, den Jesus heilt (Mt. 8,2), der Blindgeborene, dem Jesus die Augen öffnet Joh. 9,38), der Jairus, dessen verlorenes Kind Jesus seinen Eltern wiederschenkt (Mt. 5,22), der von bösen Geistern Umhergetriebene, den Jesus von seinem Übel befreit (Mk. 7,25), die Jünger, die er vor dem Ertrinken im Seesturm rettet (Mt. 14,32), die Nachfolger, die ihn als den Auferstandenen sehen (Mt. 28,17), - von ihnen allen heißt es wie von den Weisen, sie beten ihn an und knien vor ihm nieder: er ist der Heiland aller Welt. 

Zum Beispiel sie und die Weisen zuerst verneigen sich dabei nicht derart vor ihm, wie sie es genau so auch bei Anderen tun könnten. Sie beten ihn an statt der Anderen. Indem sie ihn anbeten und vor ihm sich beugen, erklären Sie, dass all die anderen Machthaber in der Welt kein Recht mehr haben, uns andere zu bedrängen - ob es nun die von den Medien hochstilisierten Größen sind oder die herrschenden Verhältnisse, oder „Tod, Teufel, Sünd und Hölle", von denen es im Weihnachtslied heißt: „die han den Sieg verlorn, das Kindlein tut sie fällen, nicht viel gilt jetzt ihr Zorn. Wir fürchten nicht ihr Pochen, ihr Macht ist abgetan: das Kind hat sie zerbrochen. Da ist kein Zweifel dran". In diesem Geist hat der Bonner Professor Karl Barth in einer Predigt einst unter dem Druck des Hitlerstaates gesagt: „Jünger Jesu sind Menschen, die Jesus verantwortlich sind und eben darum niemandem sonst verantwortlich, ganz gebundene und eben darum und in dieser Bindung freie Menschen."

Wenn die Magier vor dem Kind niederknien und es anbeten, so dürfen wir nicht meinen, als habe sich hier der Herrscher bloß verkleidet in ein kleines Kind. Bei dieser Anbetung zeigt sich nicht nur, dass ein ganz Anderer herrscht, als man sonst meint. Da zeigt sich zugleich, dass er ganz anders herrscht als andere. In seiner wehrlosen Kindesgestalt bestreitet er die Art und Weise, in der sonst Macht ausgeübt wird. Diese Gestalt ist kein peinlicher Ausrutscher, der einmal beseitigt wird, wenn das Kind erwachsen ist. Darin liegt sein ganzes Regierungsprogramm, von dem Jesus nie mehr nicht abrücken wird. So wird er in alle Zukunft sein Amt ausüben: in Sanftmut, in Liebe, in Vergebung, in Versöhnung, in Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Nicht so regiert er, dass er Angst macht, sondern er macht getrost, nicht so, dass er verwundet, sondern er heilt, nicht so, dass er bedrückt, sondern er richtet auf.

Vor ihm verbeugen sich die Weisen und mögen wir es heute auch tun: „Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart." Diese Liebe ist auch Macht. Aber sie ist eine alternative Macht, und sie nimmt es auf mit dem, was unter uns Macht hat. Sie lässt sich in ihrem Widerspruch dagegen nicht in einen stillen Winkel abdrängen. Sie lässt nicht ab, bis sie den letzten Zipfel unsrer Erde erreicht hat, bis die Bedrohung und Bedrückung durch die anderen Mächte endlich, endlich gewichen ist. Sie wirkt und winkt in Erfüllung des Gebets: „O lass sein Licht auf Erden siegen, die Macht der Finsternis erliegen / und lösch der Zwietracht Glimmen aus, dass wir, die Völker und die Thronen, vereint als Brüder, Schwestern wohnen / in deines großen Vaters Haus." Ja, gib nicht Ruhe, bis all das Leid und all die Verkehrtheit überwunden ist durch deine Macht der Liebe!

Es ist in unserer Geschichte allerdings verwunderlich, dass ausgerechnet jene Schriftgelehrten und Hohenpriester nicht zur Krippe in Bethlehem kommen. Sie kennen sich wohl aus in ihrer Bibel und wissen daher, wo Christus geboren ist. Aber sie selbst - sie gehen nicht dorthin. So gibt es manche, die Bescheid wissen in heiligen Dingen; oder sie singen unter dem Weihnachtsbaum „Süßer die Glocken nicht klingen" oder „Zur Krippe her kommet / in Bethlehems Stall", aber sie gehen vorbei an dem, der auch ihnen von Gott gesandt ist. Er sagt ihnen nichts. Sie hören nicht auf ihn. Aber da sind Andere, die damals so verachteten Hirten, Typen aus der untersten Schicht, und dann die Fremden, Fernen, Menschen mit ungewohnten Sitten und Gebräuchen, sie sind auf einmal da bei dem Heiland der Menschen und beten ihn an. Martin Luther hat gesagt, die Predigt des Evangeliums sei wie ein „fahrender Platzregen", wo man nicht zugreift, fährt er davon an andere Orte. Droht das etwa heute bei uns, während das Wort Gottes auf anderen Kontinenten Gehör findet? 

Achten wir auch noch darauf! Es war der König Herodes, der den Weisen auf ihrem Weg den Auftrag mitgegeben hat: Wenn sie das Kind gefunden hätten, sollten sie es ihm melden, damit er es anbeten könne. Aber das war von ihm gelogen, wie es Hochverantwortliche halt auch zuweilen tun. Er wollte das Kind gar nicht anbeten, sondern es beseitigen. Um das zu erreichen, hat er rundum alle Neugeborenen um Bethlehem töten lassen, nachdem jene Weisen sich seiner Aufforderung entzogen hatten. Der Reformator Calvin schrieb: „Wo Gott erkannt wird, da wird auch Menschlichkeit gepflegt. Wo aber die Menschen sich gegenseitig unterdrücken und betrügen, da ist auch die Gottesfurcht erloschen." Herodes hat leider zu viele Nachfolger in unserer Welt. Und ein König seines Namens gab seine Zustimmung, dann auch den in Bethlehem geborenen Jesus hinrichten zu lassen.

Immerhin hat der Erstere in all seiner Bosheit etwas ganz Richtiges verstanden - nämlich da ist einer in die Welt gekommen, der ihn von seinem Thron absetzen und ausschalten kann. Da hat der Machthaber gespürt: Er oder ich hat das Heft in der Hand! Aber darauf war er nicht gefasst: Ausgerechnet in diesem Kind ist der erschienen, der die Übermacht hat gegenüber allen verkehrten Mächten. Nicht einmal dadurch konnte er abgesetzt und ausgeschaltet werden, dass er wie jene Kinder in Bethlehem eines gewaltsamen Todes gestorben ist. Im Gegenteil! Johann Christoph Blumhardt hat gedichtet: „Dass Jesus siegt, / bleibt ewig ausgemacht. / Nachdem am Kreuz er ausgerungen, / hat er zum Thron sich aufgeschwungen."

Das hat Folgen für uns. Unsere Geschichte schließt damit, dass Gott den Weisen zu verstehen gibt, auf einem anderen Weg heimzukehren. Sie helfen Herodes nicht, das Kind zu finden und den von ihm befürchteten Konkurrenten zu beseitigen. Und dass sie nun auf einem anderen Weg heimkehren, das sagt uns: Wir können dem Heiland nicht begegnen, ohne dass sich einiges ändert in unseren ganzen Einstellungen - oder sonst wären wir ihm gar nicht begegnet. Sie, diese Pilger sind nun auf ihrem weiteren Lebensweg geprägt von dem, was ihnen begegnet ist. Es wird bei ihnen gegangen sein, wie es bei uns weiterhin gehen darf - so, wie Jochen Klepper es 1938 gedichtet hat: „Noch manche Nacht wird fallen / auf Menschenleid und -schuld. / Doch wandert nun mit allen / der Stern der Gotteshuld. / Beglänzt von seinem Lichte, / hält euch kein Dunkel mehr, / von Gottes Angesichte / kam euch die Rettung her." 

Prof. Dr. Eberhard Busch
Friedland
E-Mail: ebusch@gwdg.de

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