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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Epiphanias, 11.01.2015

Predigt zu Matthäus 3:13-17, verfasst von Jochen Riepe

                                                                           I

Daß eine Geschichte gleichsam in zwei Zeiten – oder besser: in zwei Geschwindigkeiten erzählt wird, das ist das Spannende am Bericht des Matthäus über die Taufe Jesu . Was fast atemlos , jedenfalls entschieden , kein Zögern duldend, beginnt, endet in einem ruhigen , offenen und öffnenden , leuchtenden Liebesbild. Und dazwischen liegt das Wasser – das Wasser der Taufe.

                                                                           II

Sie schweigen zumeist , aber hinter der Stummheit - so sagt man – verbergen sich Zorn und Ressentiment. In Dresden gingen sie massenhaft montags auf die Straße … Geplagt von ‚diffusen‘ Ängsten , auf Transparenten beschwörend die Gefahr der Islamisierung unserer Gesellschaft , machen sie wohl bei diesen Demonstrationen eine Erfahrung , die wir an Weihnachtsgottesdiensten oder am Kirchentag so lieben : ‚Wir sind viele‘. ‚… und wir protestieren, weil wir zornig sind … weil man uns übersieht … weil die Presse uns nicht ernstnimmt oder unsere Anliegen verzerrt darstellt…‘ Ein Beobachter der Pegida- Bewegung wurde zitiert mit den Worten : ‚Es kocht und es dampft , und Pegida hat ein Ventil aufgedreht …‘ Aber er fügte gleich die Frage hinzu :‘Wollen wir , daß die alle zu Hause bleiben … und vielleicht versteckt aggressiv werden?‘*

                                                                         III

‚Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes…‘ . Wir erinnern uns , liebe Gemeinde : Auch die Taufbewegung, die Johannes mit seiner Verkündigung ausgelöst hatte, war getragen vom Zorn . Vom Zorne Gottes und vom Zorn der Menschen . Vom Bewußtsein einer schweren Krise , von der Erwartung eines göttlichen Gerichts , das die verkommene Welt richten würde . ‚Die Axt ist den Bäumen an die Wurzel gelegt‘, predigt der Täufer und mahnt die Menschen zum Sündenbekenntnis und zum Taufbad . Er , der Sohn eines Priesters, war an den Rand der Wüste gezogen . Eine wilde , asketische Gestalt, ein ‚schrecklicher‘ Prediger , der seinen Hörern alle Sicherheiten nahm. Aber die Menschen kamen – mit dem Gefühl, daß bei ihnen vieles falsch läuft , daß sie vieles falsch machten ; mit ihrem Leiden an den Verhältnissen und schließlich mit der Sehnsucht, vor dem Richter-Gott , im letzten , im Zornes-Gericht bestehen zu können. Endlich ein Prediger , der die Zeichen der Zeit versteht ! Endlich einer , der eine Perspektive hatte !

                                                                         IV

Zorn. Krise. Jetzt ist die Zeit der Buße . Der erste Teil der Erzählung von der Taufe Jesu spiegelt diese Krisen-Atmosphäre auf seine Weise , um dann doch eine ganz andere Richtung zu nehmen. Jesus , der von zu Hause aufgebrochen war – darf ich spekulieren : vielleicht ähnlich erwartungsvoll, bei diesem Johannes Entscheidendes zu lernen , etwas wahrhaft Neues zu finden - , Jesus meint es ernst , und wer es ernst meint, der duldet keinen Aufschub. ‚Laß es jetzt geschehen. Denn so gebührt es uns , alle Gerechtigkeit zu erfüllen‘. Gerechtigkeit. Gottes Reich ist nahe und der kommende Gott wird den unendlichen Mangel an Gerechtigkeit aufzeigen und die Menschen zur Verantwortung ziehen . Keiner entkommt, und man weiß nicht , was schwerer wirkt : Der Zorn , das Unbehagen, das dem eigenen Leben gilt , oder die Wut , die in uns angesichts des Unrechts und der Gewalt dieser Welt brodelt . Unrechtssystem. ‚Jetzt – soll es geschehen‘, sagt Jesus dem –vielleicht zum ersten Mal – zögernden Gerichtsprediger Johannes . Fragen darf man ja : Ob Johannes in dieser so wichtigen Begegnung mit dem ‚Stärkeren‘ bewußt wurde , daß er sich bisher nicht hatte taufen lassen ?**

                                                                     V

Daß eine Geschichte , oder gar ein Lebenslauf , gleichsam zwei Geschwindigkeiten hat , das ist das Spannende am Bericht des Matthäus über die Taufe Jesu . Krise und Beruhigung , Eile und Entschiedenheit , Weile und eine er-leuchtende Beruhigung und dazwischen liegt das Taufwasser des Jordans. Natürlich : Die Erfahrung des Zorns im Angesicht einer verdorbenen Welt , das eigene Verstricktsein in eine ‚Gesellschaft der Angst‘ (H.Bude), die viele Menschen ausschließt , übergeht oder allein läßt ; die Erfahrung soz. des ‚Gottes der Gesellschaft‘ , der erwählt und verwirft, ohne daß wir wissen , warum - dies ist das eine , ob am Jordan oder an der Elbe. Etwas anderes aber ist , wie diese Angst verarbeitet wird . ‚Es kocht und dampft…‘ und die solchermaßen ‚Kochenden‘ suchen ihrer Angst Ausdruck zu verschaffen nach einem bekannten Muster : ‚durch die Konstruktion eines imaginären Feindes‘*** , durch den Aufbau eines Feindbildes. Die Angst ,‘die jeder für sich oder um sich hat‘, findet im Islam , im Bild der islamischen Bedrohung oder Überfremdung, gleichsam ein äußeres Objekt , das mit Haß oder Ablehnung überzogen wird. Der bekannte Sündenbock. Wir Christen kennen aus der Kirchengeschichte diesen Mechanismus nur allzu gut : Die Angst des Glaubenden in der feindlichen Welt hat sich seiner oft entlastend bedient.

                                                                        VI

Und Jesus , der nach Gerechtigkeit dürstende junge Mann , der Mann eines zornigen Gottes ? Dazwischen liegt das Taufwasser, das Wasser gleichsam des ‚Selbsteinschlusses‘ . Er hat sich taufen lassen, zum Zeichen seines Mit-seins mit diesen zweideutigen Gestalten , die dort am Jordan versammelt waren , zum Zeichen der – wie man später sagte – der Demut des Gottessohnes und seiner Solidarität mit denen , die unter der Gewalt litten , der erfahrenen und der selbst ausgeübten. Er , der Gerechte, der Sündlose, wurde nicht selbstgerecht und eben hier – mit dem Aufstieg aus dem Jordanwasser – beginnt eine zweite Zeit , die Zeit eines besonderen Lichtes . ‚Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach : Dies ist mein lieber Sohn , an dem ich Wohlgefallen habe‘. Was unterscheidet den vermutlich ungetauften Täufer von seinem Täufling , den Bußprediger von dem Stärkeren , der ‚euch mit dem heiligen Geist und dem Feuer taufen‘ wird ? Eine Antwort ist die : Johannes bleibt in der Gerichtspredigt ge-/befangen : So wie die Spreu vom Weizen getrennt wird , so wird Gott an seinem Tag die Welt scheiden . Jesus aber erfährt hier am Jordan – hörend und sehend- die Wirklichkeit eines Gottes, der den Gott des Johannes überschreitet . Er wird ihn bald ‚Abba‘ nennen ,‘lieber Vater‘, so wie der Vater ihn seinen ‚lieben Sohn‘ nennt , ein Vater , der nicht abrechnet und vorhält , sondern dem verlorenen Sohn entgegenläuft und ihn aufnimmt. Das Gesetz Gottes ist ernst – das Gebot der Erfüllung der Gerechtigkeit ist ernst , aber der Gottes- und auch der Menschenzorn will nun in Liebe gelebt , bezwungen und auf eine neue Weise – im Heiligen Geist , im Feuer der Liebe, die nicht spaltet, sondern verbindet, ernstgenommen werden. ‚Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen‘ (Matth.4,13). Jesus wurde kein ‚Rufer aus der Wüste‘. Er ging zurück in die Dörfer und Städte , zu den Menschen , in ihren Alltag, auf ihre Feste , in ihre Gottesdienste, auf ihre Hochzeiten und Beerdigungen …

                                                                           VII

Hat dieser Unterschied zwischen dem Täufer und dem Täufling etwas mit unserem Umgang mit der schweigend-aggressiven Masse auf unseren Straßen, mit ihren diffusen Ängsten und ihren Ressentiments zu tun ? Man darf die, die ausschließen , weil sie sich ausgeschlossen beleidigt und zurückgesetzt fühlen ( oder es auch sind !) , nicht noch einmal ausschließen. Wer als Christ im Wasser der Umkehr sich hat taufen lassen, wer in der Reihe der Sünder stand und ein Kind Gottes genannt wird, er wird sich nicht mit Distanzierung oder Ablehnung begnügen. Der Dresdener Pfarrer sagte dies so : ‚Jede Form des Gesprächs , die man jetzt zustande bekommt‘, ist ‚ein Gewinn.‘ Der Zorn der Gerechten über die Ungerechten oder auch einfach : Uninformierten muß der Kommunikation der verbindenden Liebe ausgesetzt werden. Beruhigung. Sehen. Wahrnehmen. Sprechen. ‚Dieses Gespräch wird allen schwerfallen und besonders denen, die mit gewiß sehr ,sehr guten Gründen einen Dialog mit Pegida ausschließen.‘****

                                                                               VIII

Es gibt die Zeit der Entschiedenheit und der Abwehr ,die keinen Aufschub duldet. Wer sich im Wasser der Buße hat untertauchen lassen , weiß aber auch : Es gibt die Zeit des ‚offenen Himmels‘, des Gottes, der ‚seine Sonne aufgehen läßt über Böse und Gute‘ (Matth.5,45) ,die Zeit , die verhindert , daß der Gerechte - selbstgerecht wird.

 

*C.Pollmer, Abend im Land .SZ vom 17.12.14, S. 3  

** s. G.Wenz , Christus .Studium Systematische Theologie Bd.5, Göttingen 2011 , S.175

*** so B.Ch. Han, Sehnsucht nach dem Feind (SZ vom 17.12.14); H. Bude ,Besorgt ,beleidigt und  zurückgesetzt. Wer sind die Anhänger von Pegida? (SZ v. 23.12.14,S.11)

**** SZ vom 17.12.14,S.3



Pfarrer Jochen Riepe
Dortmund
E-Mail: Jochen.Riepe@gmx.net

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