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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Epiphanias, 06.01.2015

Wir haben seinen Stern gesehen
Predigt zu Matthäus 2:1-12, verfasst von Elisabeth Tobaben

 Liebe Gemeinde!

 

„Wir haben seinen Stern gesehen“-

sprachen die drei Weisen, Sterndeuter, Magier, Könige...

„Wir haben seinen Stern gesehen, und sind gekommen, ihn anzubeten.“

 Auch zu diesem Weihnachtsfest ist der Stern wieder erschienen, in Krippenspielen und Predigten, leuchtete an Kirchtürmen  und in Schaufenstern.

Wie könnten es also heute getrost mitsprechen: „Wir haben seinen Stern gesehen...“

Wie aber geht es jetzt weiter?

Sehen allein reicht offenbar nicht aus, gesehen haben wohl auch damals viele den Stern, die Frage ist vielmehr: wie deute ich das Geschehen für mich?

Hocherfreut wie die Magier?

Oder in Panik wie Herodes, der seine Macht entschwinden sieht?

Matthäus, der Erzähler, hat natürlich auch ein bestimmtes Ziel im Kopf, als er die Geschichte festhält: er möchte uns mitnehmen auf dem Weg, den die Sterndeuter nach Bethlehem gehen, möchte seine Hörer einladen, auch dem Kind zu „huldigen“, es anzubeten, völlig hin- und weg zu sein...

 

Gucken wir mal, was passiert, wenn wir die einzelnen Etappen der Geschichte noch einmal verfolgen:

Ort der ersten Szene: Jerusalem.

Drei Magier treten auf.

Wieso eigentlich ausgerechnet drei? Steckt die  heilige Dreizahl dahinter?

Erinnert an die Dreieinigkeit?

Ich stelle mir vor: es waren sicher nicht drei einzelne Leute wie in den meisten unserer Krippendarstellungen - kein Mensch war / ist in der Wüste allein unterwegs, das ist viel zu gefährlich!

Also dürfen es vermutlich drei Karawanen gewesen sein, die sich irgendwo unterwegs an einer Wasserstelle getroffen hatten, nachts am Lagerfeuer feststellten: wir sind ja überhaupt auf der Suche nach demselben Ziel, wir folgen demselben Stern, ziehen wir also zusammen weiter!

Und so ein Einzug erregt natürlich Aufsehen am Stadttor!

Wer ist das denn? Wo kommen die denn her?

Wo wollen die hin? Was? Stern? Neugeborener König? Hier bei uns?

Kein Wunder, dass das Gerücht sofort Herodes übermittelt wird.

Nichts läuft so schnell wie ein Gerücht, nicht nur auf Inseln, auch in der Hauptstadt Jerusalem!

Die Weisen träumen von etwas Neuem, vom neuen Zeitalter.

Vielleicht ist es ihnen ähnlich gegangen wie Menschen, die heute nach Aufbruch und Umbruch fragen, die etwas verändern möchten, mehr Frieden und Menschlichkeit schaffen.

Die weisen damals wollten dabei sein, die Ersten sein; nicht einfach abwarten - mal sehen was kommt;

Nicht endlose Diskussionen, man müsste mal, es sollte doch endlich, und wenn die Kirche jetzt nicht...

Sondern: sie machen sich auf.

Wie mehrschichtig das ist! Denn sie machen sich auf - auf den Weg, und sie sind auch bereit, sich selbst zu öffnen, dem Neuen, Unbekannten, Fremden.

Szene 2:  Herodes bei seinen alltäglichen Amtsgeschäften, die ersten Ergebnisse der Volkszählung laufen ein, Beratungen, Planungen, und da platzt ein Bote mit dieser abstrusen Meldung herein: und - Herodes erschrickt.

Er nimmt die Meldung offenbar sofort sehr ernst.

Womöglich hat er auch prophetische Texte im Kopf, die so etwas ähnliches angekündigt hatten, ahnt, dass da etwas Entscheidendes geschehen ist.

Und er sieht natürlich seine Macht in Gefahr.

Dann werden Herrscher immer unberechenbar und gefährlich.

Auch Herodes.

Und offenbar hat er Grund dazu, das lässt mich daran zweifeln, ob wirklich das ganze Jerusalem mit ihm erschrickt!

Bestimmt hat es auch heimliche andere Stimmen gegeben: Vielleicht haben wir endlich Hoffnung, werden endlich diesen grausamen Despoten los...

Und so lässt Herodes zunächst seine eigenen Berater kommen!

Und wieder -in der 3. Szene- ein grandioser Auflauf!

Alle Schriftgelehrten und Hohepriester mussten antanzen und ihre Forschungsberichte vorlegen.

Sie sind sich anscheinend schnell einig, sie kennen ihre Bibel und wissen, was beim Propheten Micha steht: In Bethlehem soll es passieren.

Die 4. Szene ist ganz interessant, nach der gewaltigen Sitzung mit den theologischen und politischen Beratern nämlich bekommt sie einen eher konspirativen Anstrich: heimlich beruft Herodes die Weisen zu sich, um sie zu instruieren!

Warum wohl bloß heimlich?

Ist es ihm peinlich, mit den Beratern fremder Mächte zusammen gesehen zu werden?

Oder befürchtet er einen Aufstand im eigenen Lager?

Wir haben uns angewöhnt, ihm von vornherein eine böswillige Absicht zu unterstellen, weil der Fortgang der Geschichte das nahelegt.

Aber möglich wäre zu diesem Zeitpunkt ja auch noch, dass er wirklich religiöse Gefühle hat, eine Sehnsucht in sich verspürt, das Kind wirklich anzubeten und aus dem Teufelskreis der Gewalt auszubrechen.

Heimlich. Denn das dürfte vom großen, gewaltigen Herodes doch nun wirklich niemand erfahren!

Die ausländischen Sterndeuter jedenfalls haben -aus Grund welche Motive auch immer- den Weg gefunden. : Szene 5.

Sie wissen nun: wir sind ganz, ganz nah am Ziel, nur noch die paar Kilometer bis Bethlehem, ganz sicher werden wir den neuen König finden!

Auch der besondere Stern ist wieder da, dient ihnen als Orientierung am Himmel.

Das war und ist im Prinzip in der Wüste etwas völlig normales, sich an den Sternen zu orientieren.

Ich bin einmal mit einem Scheich im Jeep durch die Sinai-Wüste gefahren, und an den entscheidenden Punkten stellte der bei rasantem Tempo immer die Scheinwerfer ab, damit er die Sterne besser sehen konnte!

Das funktioniert natürlich nur in der Nacht, im Dunkel.

Aufbrüche, Neuanfänge geschehen oft auch in der Nacht, aus dem Dunkel heraus.

Wenn wir denn das Dunkel noch zulassen können, es nicht sofort künstlich erleuchten müssen.

 

Die Magier verlassen sich auf ihren Stern und kommen ans Ziel.

Noch bevor sie Maria und das Kind gesehen haben, schon als der Stern auftaucht, werden sie hocherfreut.

Vor-Freude?

Oder drückt auch das etwas aus, was das ganze Weihnachtsgeschehen mitprägt:

die Krippe von Bethlehem ist die Erfüllung aller Sehnsüchte, das Ende der Suche, das Ziel -

aber zugleich genauso erst der Anfang!

Denn es ist ein winziges, wenige Tag alte Kind, das sie finden, von dem noch längst nicht feststeht, wie es sich entwickeln wird, ob es die Wünsche und Hoffnungen erfüllen wird, die jetzt an es geknüpft werden.

Und für viele war der erwachsene Jesus dann ja auch eine Enttäuschung, als er keineswegs einen Aufstand gegen die Römer anzettelt und die Macht in Jerusalem an sich reißt.

Alles ist noch offen in dem Kind, nichts Fertiges, Endgültiges.

Finden.

Wenn ich das will, ist es wichtig, dass ich bereit bin, mich auf diesen Prozess der Suche, der Wandlung und Veränderung einlassen kann und meinem Stern folge.

Und zuletzt: die 6. Szene: die Magier und ihr Traum!

Die Weisung erfolgt, nicht  noch einmal zu Herodes zurückzugehen.

Sie gehen „auf einem andern Weg wieder in ihr Land“.

So ist das. Sie müssen zurück, nach Hause, ins Gewohnte.

So wie diejenigen, die bei uns auf der Insel Ferien gemacht haben, wieder nach Hause müssen, hoffentlich auch ein bisschen verwandelt, verändert durch die Erfahrungen von Stille und Meer, Begegnungen und Erfahrungen.

Wir müssen zurück dorthin, wo wir herkommen, aber wir sind nicht mehr dieselben.

Wandlung: ganz buchstäblich ist das ja ein Wandern, Weitergehen auf dem Weg, Vorankommen.

Die Fortsetzung von Weihnachten.

Wunderschön dargestellt übrigens auf dem Kapitell in der Kirche St. Lazare in Autun in Frankreich.

Die Weisen sind schon als Könige dargestellt- in eine Decke gewickelt liegen im Traum.

Unter einer Decke stecken - das lässt meist nichts Gutes vermuten.

Die Decke sieht ja fast aus wie ein ostfriesischer Neujahrkuchen bevor man ihn aufrollt.

Neues Jahr- etwas Neues beginnt; auch für die Weisen kommt mit dem Traum etwas ganz Neues!

Ganz zart und vorsichtig rührt Gottes Engel den kleinen Finger des einen an: der andere ausgestreckte Finger zeigt noch einmal auf den Stern, als wollte er sagen:

Passt auf, seht nochmal genau hin und nehmt wahr, was der Stern euch noch sagen will!

Der angerührte König - sehr schön zeigt es das Bild- hat weit aufgerissene Augen.

Er träumt und sieht, so als würde er im Traum in eine ganz andere Wirklichkeit schauen, etwas erkennen, was ihm sonst verschlossen geblieben wäre.

Träume sind wichtig für unser Leben, wer nicht träumt, wird krank.

Aber nicht alle Träume dringen in unser Bewusstsein, manche wirken einfach im Schlaf und helfen uns, Erlebtes und Erfahrenes zu verarbeiten.

Manchmal erinnern wir uns an Träume, dann, wenn es wichtig ist, auch im Wachen weiter über sie nachzudenken, etwas im Leben zu verändern  oder zu bewegen.

So wie die Weisen aus dem Morgenland  auf einem andern Weg wieder in ihr Land ziehen.

Vielleicht wäre es ein guter Vorsatz für das neue Jahr, sich hin und wieder anrühren zu lassen von einem Traum oder von einem Engel, sich wandeln zu lassen und neue Wege zu wagen.

Amen.



Pastorin Elisabeth Tobaben
Juist
E-Mail: tobaben.juist@t-online.de

Zusätzliche Medien:
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