Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Epiphanias, 11.01.2015

Laß es jetzt geschehen
Predigt zu Matthäus 3:13-17, verfasst von Ralf Reuter

Laß es jetzt geschehen – nach Heiligabend, Silvester, Heilige Drei Könige hat sich das neue Jahr auf den Weg gemacht. Hat uns mitgenommen mit den guten Wünschen und Vorsätzen. Hat uns eingeholt mit seiner eigenen Realität, Entwicklungen, Mühen und Neuigkeiten. Die Arbeit hat begonnen, Schule und Kindergarten laufen wieder, schlimme Flug- und Schiffsunglücke sind geschehen, Flüchtlingsschiffe steuern führerlos in der Adria, Pegida fordert heraus, Griechenland wird neu diskutiert, und als Kirchengemeinden sind wir wieder unterwegs mit Projekten für das neue Jahr.

Laß es jetzt geschehen – diese Worte spricht Jesus zu seinem Dienstantritt, so schreibt es Matthäus. Er will getauft werden. Das Göttliche bricht ins Menschliche hinein, Jesus geht den menschlichen Weg gehen, wir wissen von seinen Geschichten, die da kommen, von Jüngern und Begegnungen, Heilungen und Gleichnissen bis hin zur Kreuzigung und Auferstehung. Er will sich zuerst einmal taufen lassen. Will nicht nur aus dem Mutterleib gezogen worden sein, will auch abgewaschen werden im Jordan, will zu Gottes Kind in der Taufe werden, will mit dieser Identität auf seinen vorgesehenen Weg.

Laß es jetzt geschehen – er sagt das zu Johannes, dem Täufer. Der will ihn nicht taufen. Ich bedarf dessen, das ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir? Die Scheu, das Heilige ins Leben zu ziehen. Taufhelfer des Himmlischen zu werden. Selber diese heilige Handlung zu vollziehen, wo doch Jesus da ist. Der große und vorbildliche Johannes, der wilden Honig aß und zur Umkehr aufrief, dieser Kämpfer für ein nachhaltiges ehrliches Leben, er kneift vor dem Göttlichen. Das kommt ihm zu nahe. Er fühlt sich minderwertig. Schiebt diesen Gottessohn zu Gott, weg von den Menschen, trennt Himmel und Erde.

Laß es jetzt geschehen – lass diesen Jesus auf Augenhöhe in dein Leben kommen. Der Umgang mit Gott hat offenbar mit Scham zu tun, es gibt Geschichten dazu. Ganz einfach: Eine unserer Töchter wurde mit 5 Jahren getauft, wollte das vom Vater gemacht haben, im vollbesetzten Adventsgottesdienst seiner Gemeinde, und verweigerte im entscheidenden Augenblick. Ich will nicht. Die Zeit blieb stehen. Scheu, Scham, der heilige Schauer, ein urmenschlicher Eigentrotz? Es kam dann nach dieser Phase des Innehaltens, der Geduld, im Anschluss an den Gottesdienst noch zur Taufe.

Lass es jetzt geschehen – es kostet Überwindung zum Dienstantritt als Christ. Bis Eltern sich trauen, in akuter Lebensgefahr ihrer noch nicht getauften Kinder eine Nottaufe zu vollziehen, wie sie hinten im Gesangbuch steht. Aber auch: Plötzlich Lektor zu sein und in der eigenen Kirchengemeinde zu predigen, darf ich das eigentlich? Bei einer Trauung eine Fürbitte zu sprechen, beim tragischen Verkehrsunfall ein Vaterunser? Im ethischen Bereich sind wir nicht immer mutiger. Andere an die Gebote erinnern und auf Ehrlichkeit beharren? Schuld zu vergeben und einen neuen Anfang in Beziehungen machen? Die Ängste und Sorgen der Menschen annehmen und beim Missbrauch des Christlichen das Licht des Doms ausschalten wie in Köln? Es ist gut zu verstehen, warum dieser Jesus von Matthäus auf die menschliche Bahn geschickt wird und warum wir heute im Jahreseröffnungsgottesdienst sitzen.

Laß es jetzt geschehen – das Geheimnis des Lebens hat etwas mit dieser Verbindung des Göttlichen mit dem Menschlichen zu tun, mit Jesus von Nazareth als Gottes Sohn, der sich taufen lässt und den irdischen Weg durch die Verhältnisse der Welt geht. Solidarisch mit den Menschen. Der die Gerechtigkeit Gottes erfüllt, als sein Knecht, wie Jesaja sagt, bis er auf Erden das Recht aufrichte (Jes 42, 1.4). Und uns mitnimmt. Mit unserer Taufe werden wir in seine Taufe hineingetauft, sagt Joseph Ratzinger. „Der Einladung zur Taufe zu folgen, bedeutet nun, an den Ort der Taufe Jesu zu treten und so in seiner Identifikation mit uns unsere Identifikation mit ihm zu empfangen.“ (Ratzinger, Jesus I, 45) Im Kathechismus unserer lutherischen Kirche ist das Leben „eine tägliche Taufe, einmal angefangen und immer darin gegangen.“ (Der große Kathechismus, 701) So braucht es das täglich neue Zulassen der eigenen Taufe, die längst geschehen ist und immer wieder und noch mehr wirksam werden will.

Laß es jetzt geschehen - die Taufe ist eine lebenslange Chance, die eigene Identität zu spüren und damit dem Leben zu vertrauen, es geschehen zu lassen. In Klöstern stellen wir uns manchmal um das Taufbecken und feiern Tauferinnerung. Jeder und jede bekommt ein Kreuz mit Wasser auf den Handrücken gemalt, ein paar Tropfen wie bei der Taufe. Friede sei mit dir, da kommt das Göttliche sehr nahe und stärkt. Aus meiner kirchlichen Arbeit mit Managern weiß ich inzwischen, wie dieses Zeichen den Alltag stärkt. Wie die Begegnung mit der Taufe eine Haltung aufbaut und durchzuhalten lernt. Das Leben zu befördern und nicht zu zerstören, im ethischen Urteil der eigenen christlichen Wurzeln zu vertrauen und sie immer wieder zu suchen.

Laß es jetzt geschehen – sagt Jesus, und Johannes ließ es geschehen. Und als Jesus getauft war und aus dem Wasser stieg, da tat sich ihm der Himmel auf und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kommen. Die Taube nach der Sintflut, in der größten Bedrohung das Zeichen Gottes, der das Leben liebt. Als nach drei Versuchen, es braucht im Leben immer mehrere Versuche, die Taube nicht mehr wiederkam zur Arche Noah, da wusste er, es ist Land in Sicht. In dieser Tradition steht die Taufe, der Dienstantritt von Jesus, der uns mitnimmt auf seinen Weg, uns mit sich identifiziert, uns in seinen Dienst nimmt. Eugen Drewermann sagt: „Was in dieser Szene am Jordan angefangen hat, lebte in Jesus und ist seither unsere Aufgabe – denn jeder, der den Namen eines Christen trägt, besitzt sie Möglichkeit, nach dem Vorbild Jesu dem anderen fühlbar, sichtbar, hörbar, bis in die Sinne hinein etwas von Gott näherzubringen und ihm ein Stück vom Himmel zu öffnen.“ (Mt-Ev., 324)

Laß es jetzt geschehen – im neuen Jahr, im Herzen, in den Beziehungen, für die Nachfolgenden, für die Gesellschaft, die Kirche, die Welt. Der Glaube an Jesus Christus macht uns selber zu Heiligen, zu Priestern, wie Martin Luther in dem Priestertum aller Glaubenden sagt, dem stärksten Lutherimpuls für Dekaden und Jubiläen. Wir verkünden selber das Wort, taufen, setzen Abendmahl ein, behalten und vergeben Schuld, setzen unser Leben ein, beten für andere und beurteilen und beschließen, was Kirche und Gemeinde sein soll (LDStA 3, 603-625). Aus der Freiheit zum Glauben, dem Geschehenlassen, folgt dann das Tun, das Annehmen der Menschen. So gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Lob, die Jahreslosung.

Laß es jetzt geschehen – und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Jetzt, heute, am Beginn dieses neuen Jahres, spricht Gott dies hinein in Business und Leben, in Kindergarten und Schule, in Bewegungen und Kirchengemeinden, für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, Schwerem und Schönem. Zu uns, als seine geliebten Töchter und Söhne, angenommene, geduldig getragene, getaufte, geheiligte und gesegnete im neuen Jahr. Laß es jetzt geschehen.



Pastor Ralf Reuter
Göttingen
E-Mail: Ralf.Reuter@evlka.de

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