Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Epiphanias, 11.01.2015

Gott zeigt sich uns – ganz anders als wir denken
Predigt zu Matthäus 3:13-17, verfasst von Peter Schuchardt

Liebe Schwestern und Brüder,

Gott zeigt sich uns in seiner Herrlichkeit. Davon erzählt uns das Fest Epiphanias und die Sonntage danach. Am 6. Januar haben wir das Fest der Heiligen Drei Könige gefeiert. Seinen Namen Epiphanias hat dieses Fest nach dem griechischen Wort für „Erscheinung“. Etwas scheint auf, wird offenbar, zeigt sich, leuchtet auf. Gott erscheint in unserer Welt. Sein Glanz scheint auf in dem Kind in der Krippe. Das erkennen die weisen Männer, und sie knien nieder vor dem neuen König der Könige. Wie beim Fest der Geburt Jesu strahlt auch hier das göttliche Licht in unsere Welt hinein. Die Sonntage nach Epiphanias wollen uns zeigen, wie und wo sich Gott in seiner Herrlichkeit im Leben von Jesus Christus noch zeigt. Heute hören wir von seiner Taufe im Jordan. Dort wirkt seit einiger Zeit Johannes der Täufer. Eine beeindruckende Gestalt, dieser Johannes! Er lebt asketisch, ernährt sich von Heuschrecken und wildem Honig, kleidet sich in ein Gewand aus Kamelhaaren. Noch beeindruckender ist das, was er sagt: „Tut Buße, kehrt um, denn das Reich Gottes ist nahe!“ Unzählige strömen zu ihm aus Jerusalem und dem ganzen Land. Sie bekennen ihm ihre Sünden und lassen sich taufen, als sichtbares Zeichen ihrer Umkehr zu Gott. Und schimpfen kann er! „Ihr Schlangenbrut“, so herrscht er die Pharisäer an, und er stellt die traditionellen Überzeugungen in Frage: „Ihr meint, ihr habt Abraham zum Vater? Gott kann Abraham aus diesen Steinen Kinder machen!“ Damit zerstört er alles Denken von der Zugehörigkeit zum erwählten Volk Gottes. Warum macht Johannes das alles? Weil er Wegbereiter ist. Er möchte dem Messias, dem Christus, dem Herrn den Weg bereiten. Er will ihm den roten Teppich ausrollen, hier am Jordan. Johannes erwartet einen Kämpfer, einen der endlich aufräumt, der das Böse mit Stumpf und Stiel ausrottet, einen der Feuer bringt, reinigendes Feuer vom Himmel! O, wenn der kommt, dann müssten Fanfaren vom Himmel erklingen, Blitze müssten sein Kommen begleiten!

 

Und nun kommt er. Jesus aus Galiläa kommt an den Jordan, um sich von ihm taufen zu lassen. Doch der rote Teppich ist längst zertreten und nicht mehr zu sehen in der Steinwüste. Keine Fanfaren begleiten sein Kommen, sondern die Klagen und Sündenbekenntnisse all der Menschen, die zu dem Täufer wollen. So viele sind voller Glaube und Hoffnung gekommen zu Johannes. „Vielleicht entgehen wir ja doch noch dem drohenden Strafgericht, von dem Johannes redet. Vielleicht hilft ja seine Taufe.“

 

Und nun kommt Jesus. Unter den vielen Menschen taucht er auf. Er hat sich eingereiht unter die vielen anderen. Nichts hat ihn angekündigt, kein Blitz und kein Donner. Doch Johannes erkennt ihn sofort, trotz aller Wut und Zornespredigt. Er weiß, wer da zu ihm kommt. Er erkennt den Stärkeren, von dem er doch immer geredet hat. „Ich bin nicht einmal wert, ihm die Schuhe zu tragen!“, hatte er gesagt, und nun möchte Jesus von ihm getauft werden. „Ich müsste doch von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“, so fragt er nun Jesus. Doch Jesus antwortet: „Lass es jetzt geschehen, denn wir sollen alle Gerechtigkeit erfüllen.“ Als Johannes das hört, stimmt er zu und tauft Jesus. Er taucht ihn unter im Wasser des Jordan, in dem schon so viele vor ihm getauft wurden. Die frühe Kirche hat darin schon eine Vorwegnahme seines Todes gesehen. Und als er hinaufsteigt heraus aus dem Wasser, da öffnet sich der Himmel. Der Geist Gottes kommt wie eine Taube auf Jesus herab. Und die Stimme Gottes ist zu hören: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!“ In diesem Gotteswort klingt der Psalm 2 an, der Königspsalm, und das Lied vom Gottesknecht im Buch des Propheten Jesaja. Damit ist klar: dies hier ist der Messias, der König, der Sohn Gottes – und dieser König ist der leidende Knecht Gottes, der die Sünden der vielen auf sich nehmen wird.

 

Die Epiphaniaszeit bedeutet: Gott zeigt sich uns in seiner Herrlichkeit. Er zeigt uns hier seine Gerechtigkeit. Er zeigt uns, wo er zu finden ist. „Gerechtigkeit“ ist ein wichtiger Begriff in der gesamten Bibel. Während wir aber heute an eine gleiche Verteilung aller Güter denken, ist für die Bibel anders entscheidend: Wie werde ich gerecht vor Gott? Später wird das für Luther die große Frage werden. Hier zeigt uns der Evangelist Matthäus: Gerecht werden wir, weil Gott uns gerecht macht. Er macht sich auf den Weg zu uns. Er geht mit den anderen hinaus aus der Stadt an den Jordan, um sich einzureihen bei den Menschen, die von ihrer Schuld und ihren Sünden geplagt sind. Er steigt voller Demut hinab in das Wasser des Jordan. Gottes Herrlichkeit ist hier seine Liebe zu uns. Denn allein aus Liebe geht Christus diesen Weg. Johannes hatte vom Feuer geredet. Aber dieses Feuer ist nicht das, das das Böse wegbrennt. Dieses Feuer ist der glühende Backofen voller Liebe, von dem Luther spricht.

 

Gott zeigt sich uns. Haben wir offenen Augen und ein offenes Herz dafür, seine Zeichen zu sehen? Die Künstler haben durch alle Zeiten das göttliche Licht einzufangen versucht in den Bildern, die die Geburt und auch die Taufe Jesu zeigen. Sie deuteten mit ihrem Herzen die Geschichten der Bibel. Haben wir dieses offene Herz, um die Zeichen Gottes, um Gott selbst zu erkennen? Denn Gott zeigt sich uns. Aber anders, als wir es denken. Die Weisen aus dem Morgenland suchen ihn im Königspalast – und finden ihn im Stall von Bethlehem. Johannes erwartet den feuerbringenden Messias, der das Böse ausmerzt – und hier kommt er zur Taufe und stellt sich an die Seite der Sünder. Er braucht dazu keinen roten Teppich und keine Fanfaren. Er will dort sein, wo wir sind in unserer Verlorenheit. Dort wird Gott sich zeigen. Dort will er sich finden lassen. Er ist „voller Lieb und Lust, all Angst und Not zu stillen, die ihm an uns bewusst.“ (Paul Gerhardt).

 

Dieses Überraschende zeigt sich dann durch das ganze Evangelium hindurch. Jesus überrascht seine Zuhörer durch seine Worte. In ihnen zeigt Gott sich so anders, als sie es sich gedacht haben. In den Begegnungen mit Kranken und Verzweifelten leuchtet die Liebe Gottes auf und gibt ihnen Hoffnung. Die, die ausgegrenzt sind, die holt Jesus zurück in die Gemeinschaft durch seine vergebende Liebe. Und am Ende, nach seinem Tod am Kreuz, zeigt Gott: Das ist nicht das Ende. Meine Liebe ist stärker als der Tod und darum auch stärker als alle Verzweiflung und Angst. Darum sind die letzten Worte Jesu im Matthäusevangelium die wunderbare Zusage Christi: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Er, der sich am Anfang seines Weges an die Seite der Verlorenen gestellt hat, er ist auch jetzt bei uns, in unserer Freude, in unserem Glück, aber eben auch in unserer Traurigkeit und Angst. Der Liedermacher Gerhard Schöne hat das in einer wunderbaren Neudichtung des Chorals „Jesus, meine Freude“ aufgenommen:

„Und wenn ich ganz unten bin,

weiß ich dich an meiner Seite,

Jesus, meine Freude.“

Gott schenke uns, dass wir seine Zeichen, seine Herrlichkeit, ihn selbst sehen und erkennen. Wenn wir zum Abendmahl gehen, wartet er schon auf uns mit seiner vergebungsvollen Liebe. Dazu gebe Gott uns wache Augen und ein offenes Herz. Und er gebe uns die richtigen Worte, damit wir seine frohe Botschaft, die Botschaft seiner Nähe, all denen sagen, die sich mit Angst und Schuld und Verzweiflung quälen. Gott ist bei euch. Er ist an eurer Seite. Mit seiner Liebe und seiner Barmherzigkeit. Und mit seinem Licht. Amen



Pastor Peter Schuchardt
Bredstedt
E-Mail: pw-schuchardt@versanet.de

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