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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Sexagesimae, 08.02.2015

Predigt zu Lukas 8:4-8, verfasst von Andreas Brummer

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis:

Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen es auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten es. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: wer Ohren hat zu hören, der höre.

 

1

Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Nur: Was gibt es da eigentlich besonderes zu hören, liebe Schwestern und Brüder? Zunächst einmal ist das ja nicht mehr als eine Alltagsgeschichte aus dem Palästina zur Zeit Jesu. Ein Sämann geht zur Saatzeit über das Feld. Vor sich trägt er umgebunden in einem Tuch seine kostbare Saat. Nun streut er sie aus auf den vorbereiteten Acker – mit gleichmäßigem, weit ausholendem Wurf. Saisonarbeit. Den Hörerinnen und Hörern Jesu ist dieses Bild vertraut. Das kennen sie. Nicht wenige von Ihnen arbeiten selbst auf den Feldern. Doch dieser Sämann ist anders. Vielleicht ist er nicht ganz bei der Sache oder von der stechenden Mittagssonne benebelt. Jedenfalls geht er sehr verschwenderisch um mit seinem Saatgut. Zumindest nachlässig. Denn er wirft es nicht nur in die Ackerfurche, sondern verbreitet es weit darüber hinaus: auf den Weg, auf den Felsen und unter die Dornen.

Nun war damals ein Acker nicht so bereinigt wie heute. Da gab es eben auch den einen oder anderen Felsbrocken im Feld oder es ging ein Trampelpfad mitten durch. Und man könnte sagen: „Na ja, das passiert dann eben, dass etwas daneben geht. Das lässt sich nicht vermeiden. Aber den Großteil seiner Samenkörner, den wird dieser Sämann doch sicher auf den fruchtbaren Acker ausgestreut haben. Der versteht ja schließlich sein Handwerk.“

Doch so steht es nicht in unserem Text. Da steht nicht: Hier der Großteil und dort nur weniges. Ganz betont steht vielmehr jeweils das griechische Wort „heteron“ – das heißt übersetzt: „einiges“. Viermal steht es da. Für jeden Samenwurf gilt: „heteron“ – einiges. Einiges fiel unter die Dornen, einiges auf den Felsen, einiges auf den Weg, und immerhin – aber eben auch nur – einiges auf das fruchtbare Feld. Das heißt nun aber: Drei Viertel des Saatgutes werden einfach verprasst. Unnütz verschleudert. Ökonomisch effizient ist das nicht. Jedenfalls ist dieser Sämann kein Erbsen- oder Samenkornzähler. Das was er hat, streut er aus. Vorbehaltlos. Ohne danach zu fragen, wohin es fällt und welche Chancen auf einen fruchtbaren Ertrag bestehen.

 

2

Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Jesus erzählt dieses Gleichnis als eine Gottesgeschichte. Wenn er in Gleichnissen spricht, dann will er seinen Hörerinnen und Hörern vermitteln: So ist Gott. Schaut hin: Gott ist kein Geizhals und kein Knauserer. Gott ist verschwenderisch. Er wirft seine Saat auch dorthin, wo eigentlich nichts zu erwarten ist. Wo Hopfen und Malz, oder besser Weizen- und Gerstenkorn, verloren sind. Aber darum kümmert er sich gar nicht. Jedes Stück Erde ist ihm ein Samenkorn wert.

Wenig später heißt es bei Lukas: Der Same aber ist das Wort Gottes. Das bedeutet dann: Die Adressaten dieser Saat, der Erdboden, das sind wir. Und wir bieten diesem Wort Gottes, das doch das große Lebenswort ist, einen sehr gemischten Boden. Nicht alles ist bereit, dieses Wort aufzunehmen. Nicht alles ist fruchtbar.

Nun hat man gern in der Auslegung dieses Gleichnisses Rollen verteilt. So wie wir gerne Rollen verteilen. Da gab es dann die Braven und Frommen, die standen für das gute und fruchtbare Land, die anderen aber, die Widerspenstigen oder die kritischen Geister, die galten als unfruchtbare Felsenwüste. Und die Mahnung war dann: Achte darauf, dass du ein fruchtbarer Boden bist für Gottes Wort. Dass du dich immer fromm hältst, dass dein Herz rein ist: „Vierfach ist das Ackerfeld – Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“ Das war die Prüffrage: Habe ich ein frommes, ein reines Herz? Bin ich fruchtbares Land für Gottes Wort? Bin ich recht?

Nun ist es natürlich gut und richtig, wenn wir fromme Leute sind. Aber, ich glaube, unsere Wirklichkeit ist komplizierter. Wir Menschen sind komplizierter. Wir sind nämlich immer eine ganze Landschaft. Jeder und jede von uns, ob fromm oder nicht fromm, hat seine Dornenlandschaft zu bieten: dort lecken wir unsere Wunden und Verletzungen und igeln uns ein – nach Enttäuschungen etwa, nach Kränkungen, wenn ich gescheitert bin oder etwas danebengegangen ist. Und jeder und jede kennt die eigenen kantigen Felsen, die kühlen Fassaden: Da lassen wir nichts und niemanden an uns herankommen. Und jeder und jede von uns hat eine Weglandschaft in sich: Auf der eilen wir dahin, wie Getriebene, ohne darauf zu achten, was uns vor den Füßen liegt. Doch jeder und jede von uns hat in sich auch ein fruchtbares Feld, wo wir empfänglich sind für das Leben und für das, was uns Gott schenkt.

Auf all diese Landstriche in uns streut Gott seine Saat aus. Nicht nur in das fromme Herz. Denn Gott geht es nicht darum, wie fromm wir heute sind. Es geht ihm darum, was aus uns werden kann. Er schenkt uns sein Wort gerade auch dann, wenn wir uns unter den Dornen verkriechen oder wenn wir alles an uns wie an einem Felsen abprallen lassen. Oder wenn wir eilig und getrieben unsere Wege dahinrennen. Denn da brauchen wir es umso nötiger. Der Gott, der wie der Sämann seine Samen verschwenderisch austeilt, gibt niemanden und niemals auf. Und wer weiß denn, ob das, was heute noch Dornenlandschaft ist, morgen nicht doch ein Quellort der Fruchtbarkeit sein wird?

So ist diese Geschichte, die Jesus erzählt, eine große Vertrauensgeschichte. Eine Geschichte von dem Gott, der auf seinen Menschen vertraut. Der auf uns baut, auf Sie und auf mich. Und auf das, was in uns liegt.

 

3

Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Bei Wilhelm Busch heißt es in der Geschichte von Max und Moritz. Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe. Unser sogenannter gesunder Menschenverstand könnte dem Sämann das auch zuraunen. Nach dem Motto: Wer seine Saat so verprasst, wer nicht darauf achtet, wo sie am effektivsten und effizientesten eingesetzt wird, der braucht sich nicht wundern, wenn er am Ende mit leeren Händen da steht. Aber es kommt ja nun ganz anders. Hier bei Gott gibt es kein „Wehe, wehe“, sondern am Ende Frucht, hundertfältig sogar. Die Großzügigkeit, das grenzenlose Vertrauen des Sämann lohnt sich: die Saat geht auf – nicht überall und jederzeit, aber dort, wo sie aufgeht, treibt sie große Frucht. Und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Man muss sich das einmal klarmachen. Zur damaligen Zeit lag das Verhältnis von Saat zu Ertrag etwa bei eins zu drei. Das heißt: Von jeder Ernte musste man immer gleich 1/3 zurückhalten als Saatgut für das nächste Jahr, damit man dann wieder etwa denselben Ertrag bekam. Der Sämann hier, der so verschwenderisch seinen Samen verschleudert, erntet nicht den dreifachen, sondern schließlich den hundertfachen Ertrag. Selbst wenn man all das abzieht, was daneben geht, führt doch am Ende seine Verschwendung zu einem gewaltigen Gewinn.

Hier verwandelt sich die Verschwendungsgeschichte zu einer Mutmachgeschichte. Zu einer Geschichte gegen die Klagen, alle Mühe sei umsonst. In eine Geschichte gegen den Fatalismus, der sagt, da kann ja nichts mehr draus werden. Und auch zu einer Geschichte gegen die Selbstanklage, wenn einmal alles daneben zu gehen scheint. Wenn wir etwa gefangen sind in unseren Dornen oder getrieben und dabei doch nicht vorwärts kommen. Mag das fruchtbare Land in uns dann noch so klein sein: Es liegt doch Gottes Saat darauf. Und ein Versprechen, dass sich in dieser Saat eine Fülle verbirgt, von der Menschen überreichlich zehren können.

 

4

Wer Ohren hat zu hören, der höre.

Wir sind nun ja auch oft selbst Säende, Sämänner und Säfrauen. Als Eltern etwa, oder als Freundinnen und Freunde oder überall dort, wo wir uns für eine Sache stark machen. Da legen wir eine Saat aus. Und auch da haben wir es mitunter mit Dornen und Felsen zu tun und mit mancher Ernüchterung. Dann brauchen wir beides, die Großzügigkeit und Freigiebigkeit des großen Sämanns und den Mut, auch in dürren Zeiten, auf Frucht zu warten.

Es gibt einen Film über ein Hotel in Indien, das ein junger Inder mit viel Phantasie aber leider wenig praktischem Geschick zum Best Exotic Marigold Hotel aufbauen will. Darin gibt es einen wunderschönen Leitsatz, der auch zur Geschichte des Sämanns passt. Da heißt es nämlich: „Am Ende ist alles gut, und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es auch noch nicht das Ende“.

Der Dichter Oscar Wilde hat diesen Satz ursprünglich geprägt, aber er könnte auch aus dem Mund unseres biblischen Sämanns stammen:

Und es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen es auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten es. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht.

Wer Ohren hat zu hören, der höre.



Pastor Andreas Brummer
Hannover
E-Mail: andrea.brummer@evlka.de

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