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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Aschermittwoch, 18.02.2015

Predigt zu Matthäus 6:16-21, verfasst von Hans-Otto Gade

Matthäus 6, 16 - 21

16 Wenn ihr fastet, sollt ihr nicht sauer dreinsehen wie die Heuchler; denn sie verstellen ihr Gesicht, um sich vor den Leuten zu zeigen mit ihrem Fasten. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.

17 Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Gesicht,

18 damit du dich nicht vor den Leuten zeigst mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten.

19 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.

20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.

21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.

 

Liebe Gemeinde,

meine Frau und ich machen uns in diesen Tagen große Sorgen um einen lieben nahen Verwandten.

Aufgrund seiner Krankheit und seines Alters müssen wir mit allem rechnen – wie wir so sagen. Wir denken an die Zukunft und fragen uns: Wie wird sein Weg weitergehen? Unwillkürlich denken wir auch an die Vergangenheit, an die Jahre und Jahrzehnte, die wir miteinander gelebt haben – in aller Freude aber auch in manchen Zeiten des Leides und der Trauer. Wir hoffen und bangen – wir schauen voraus in die dunkel verstellte Zukunft und sind mit unseren Erinnerungen in den Jahrzehnten der gemeinsam gelebten Vergangenheit.

 

Dieser Mensch ist unser Schatz. Er gehört zu unserem Leben und macht unser Leben wertvoller – mit seinem Reden und Schweigen, mit seiner Liebe und seinem Verstehen, mit all dem, was er für uns getan hat und für uns bedeutet.

Dieser Mensch ist unser Schatz – er war das auch in den Zeiten, in denen wir einander und uns selbst das Leben schwer gemacht haben.

Nun fürchten wir, dass uns dieser Schatz verloren geht. Wir haben Angst um sein Leben, wir fürchten, diesen Schatz auf immer zu verlieren.

 

Wenn wir diesen Schatz verlieren, was halten wir von diesem Schatz dann noch in den Händen? Ist es allein der Schatz der Erinnerungen? Oder ist da doch noch mehr? Jesus rät uns, „Schätze im Himmel“ zu sammeln. Wenn wir nun Abschied nehmen müssen, wissen wir unseren Schatz im Himmel – geborgen in der Hand Gottes in Zeit und Ewigkeit.

Schon dieses Vertrauen, dieser Glaube ist ein Schatz, ein kostbarer, unvergänglicher Schatz, der nicht – wie der Predigttext schreibt, von Motten und Rost zerfressen werden kann! Das ist der unvergängliche Schatz des Glaubens, des Vertrauens in Gottes tragende, tröstende, allmächtige Liebe.

 

Wir stehen heute am Aschermittwoch an einem Wendepunkt. Wir stehen am Wendepunkt zwischen Freude und Leid, zwischen Hell und Dunkel, zwischen Leben und Tod, zwischen Freude und Trauer.

 

In den Zeiten der Trauer und der Angst haben die Juden und die Völker Asche auf ihr Haupt gestreut, einfache, armselige Kleidung angezogen und auf all das verzichtet, was ihr Leben verschönt hat.

Zwei Bibelstellen lese ich dazu vor:

 

Im Buch Jona reagiert der König von Ninive auf die Strafandrohung Gottes durch Jona so: „Als die Nachricht davon den König von Ninive erreichte, stand er von seinem Thron auf, legte seinen Königsmantel ab, hüllte sich in ein Bußgewand und setzte sich in die Asche.“ (Jona 3,6)

 

Und der Prophet Daniel schreibt, wie er sich auf ein tiefernstes Gebet vorbereitet hat: „Ich richtete mein Gesicht zu Gott, dem Herrn, um ihn mit Gebet und Flehen, bei Fasten in Sack und Asche, zu bitten.“ (Daniel 9,3)

 

Fasten gehört also zum Beten. Fasten ist also ein äußeres Zeichen der inneren Einkehr. Fasten ist sozusagen die äußere Begleitung zur Zwiesprache mit Gott. Fasten ist also kein Selbstzweck, sondern eine ganzheitliche Besinnung auf sich selbst und vor allem auf Gott. Fasten ohne Beten – das wäre im christlichen Verständnis ein sinnloses Fasten – im wahrsten Sinne des Wortes.

Um einem Missverständnis zu wehren: Ich will auf gar keinen Fall das Fasten kritisieren, das Menschen aus gesundheitlichen Gründen üben. Jeder Mensch weiß, wie gesund dieses Fasten sein kann.

Es geht mir nur darum, das christliche Fasten zu beschreiben: Wer als Christ fastet, wer aus seinem Glauben heraus die Fastenzeit von Aschermittwoch bis Karsamstag einhält, der kann dieses Fasten als Christ nur im Zusammenhang mit dem Gebet halten. Fasten und Beten gehören für uns Christen zusammen.

 

Erinnern Sie sich? Nachdem Jesus von Johannes im Jordan getauft worden war, zog er sich in die Einsamkeit zurück und fastete 40 Tage. Diese „40 Tage“ sind ein Nachklang der 40 Jahre dauernden Wüstenwanderung des Volkes Israel.

Jesus fastet und er betet. Er bleibt während dieser Fastenzeit im Gespräch mit Gott, um von ihm Kraft zu erbitten für seine vor ihm liegende Zeit, für seinen Weg mit seinen Jüngern, sein Predigen, Heilen, Vergeben in der Vollmacht Gottes, für sein Kreuz und seinen Tod bis hin zur Auferstehung..

 

Der „Wendepunkt – Aschermittwoch“ ist das Datum, an dem das Nachdenken, das Nachfühlen, das Nachbeten des Weges Jesu in besonderer Weise Raum gewinnt in unserem Denken und Fühlen.

 

Am Aschermittwoch ist nicht alles vorbei. Am Aschermittwoch beginnt die vorösterliche Fastenzeit. Am Aschermittwoch beginnt die Zeit, in der wir als Christen in ganz besonderer Weise über unser Leben und unseren Glauben nachdenken. Woher kommen wir, wohin gehen wir, welche Wegstrecke liegt hinter uns, welchen Weg werden wir in der Zukunft gehen?

 

Und deshalb ist der Wendepunkt Aschermittwoch ein Tag des Nachdenkens. Ein Anlass, zurückzuschauen auf die vergangene Zeit. Was war gut, was war schlecht? Was hat mich belastet, was hat mich mit Freude erfüllt? Wo habe ich meine Zeit einem anderen Menschen geschenkt, wo habe ich mich ihm verweigert? Wo habe ich Zeit und Muße gefunden, für mich selbst da zu sein, mir selbst etwas Gutes zu tun?

Wo habe ich mich verloren in der Hektik meines Alltages und meines Berufes?

Und vor allem auch dies: Wo habe ich in meinem Leben Platz gelassen für Gott und das, was er mit mir vorhat?

 

Der Wendepunkt Aschermittwoch ist auch das Datum, an dem wir in besonderer Weise beginnen, über die vor uns liegende Zeit nachzudenken. Wie werden wir unsere Zukunft gestalten – allein aus eigener Kraft und ganz allein mit eigenen Plänen? Oder werden wir Gott einrechnen und ihm Raum in der Zukunft unserer Zeit lassen?

 

Sehr wichtig ist bei dem Nachdenken über die vor uns liegende Zeit auch, dass wir uns nicht belasten lassen von der Vergangenheit. Viele Menschen sind nicht frei für die Gegenwart und die Zukunft, weil die Vergangenheit an ihnen hängt wie die Eisenkugel am Knöchel eines Strafgefangenen. Dabei hat uns doch Christus befreit – für die Gegenwart und die Zukunft befreit! Wir können doch all unsere Last ablegen und an das Kreuz des Mannes von Golgatha hängen.

Aschermittwoch heißt doch auch: Vor Gott können wir alles bringen. Gott können wir erzählen, was uns belastet. Die Vergebung, die er uns durch Jesus Christus schenkt, bedeutet: Meine Last wird mir leicht gemacht. Die Last meiner Vergangenheit wird nicht einfach weg gewischt, aber diese Last ist durch Gott so leicht geworden, dass sie meine Gegenwart und Zukunft nicht mehr belastet.

Diese Zusage der Vergebung und der Liebe Gottes geschieht durch andere Menschen, die im Auftrage Gottes zu uns kommen, mit uns reden. Und Gott gibt uns Menschen, die mit uns gemeinsam unsere Last tragen. Gott schenkt uns durch den anderen Menschen Freiheit für die Gegenwart und Zukunft.

 

Aschermittwoch heißt also auch: Lass die Vergangenheit hinter dir und lebe deine Zukunft geborgen in Gottes Hand! Denn Gott geht mit dir. Gott ist dein Wegbegleiter in die Zukunft – manchmal fast unfühlbar, manchmal auch ganz konkret durch den anderen Menschen neben dir.

 

Dann werden wir frei, uns auf das Wesentliche unseres Lebens zu konzentrieren: auf unser Vertrauen in Gottes unendliche Liebe, die sogar über den Tod hinaus reicht.

In einem Café in St. Peter-Ording steht an der Wand dieser Spruch von Oscar Wilde:

„Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.“

Diesen Spruch will ich in unserem Sinne deuten: Gott geht mit uns. Sein Weg mit uns führt zu einem guten Ende. Auch wenn wir denken, das absolute Ende sei gekommen und auch wenn wir meinen, dass noch nicht alles gut ist, dann hat Gott noch etwas mit uns vor. Bis zu dem letzten guten Ende in seinem Himmel.

Amen

 



Pastor i. R. Hans-Otto Gade
Buxtehude
E-Mail: hans-otto.gade@ewetel.net

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