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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Okuli, 08.03.2015

Was du vor Augen hast, das bestimmt dein Leben
Predigt zu Lukas 9:57-62, verfasst von Peter Schuchardt

Der Predigttext für den heutigen Sonntag steht im Evangelium des Lukas, Kapitel 9, die Verse 57-62:

57Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu Jesus: Ich will dir folgen, wohin du gehst.

58Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

59Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe.

60Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

61Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind.

62Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

 

heute, am Sonntag OKULI geht es um das Sehen. OKULI, „meine Augen“, heißt das übersetzt. Unsere Augen sind lebenswichtig. Denn mit ihnen nehmen wir die Welt wahr. Wir sehen einander. Wir erkennen den anderen. Über die Augen bauen wir eine Beziehung zum anderen auf, indem wir ihn angucken. Wer schon einmal Kummer mit den Augen hatte, bei wem etwa allmählich die Sehkraft abnimmt, der weiß, wie wichtig das Sehen ist. Mit unseren Augen erkennen wir den Weg, der vor uns liegt – und auch den, den wir gegangen sind. Mit unseren Augen erkennen wir das Ziel, zu dem wir wollen. Manchmal verschließen wir auch die Augen, weil wir nichts mehr sehen wollen von dem, was um uns ist: Zuviel Leid, zu viele Tränen, zu viel Trauer, zu viel Hass und Streit. Manchmal blicken wir wie gelähmt zurück auf das, was wir verlassen oder was wir verloren haben. Dieses Sehen, liebe Schwestern und Brüder, geschieht nicht allein mit den Augen, sondern auch und vor allem mit dem Herzen. Wie geht es euch heute, in diesem Moment, wenn ihr auf euer Leben seht? Seid ihr mit den Augen und mit dem Herzen hier, in diesem Moment, weil ihr euer Glück genießen möchtet? Oder traut ihr euch nicht, nach vorn zu sehen, weil euch so viel Schweres erwartet? Hält das Glück oder das Leid vergangener Tage noch deinen Herzensblick fest? Und worauf blickst du, wenn du nach vorne, in die Zukunft siehst? Woran orientierst du dich? Was lenkt deinen Herzensblick? Wohin willst du gehen? Welches Ziel verfolgst du mit den Augen und vor allem mit dem Herzen? Oder hast du gar kein Ziel, irrst du ziel- und haltlos durch die Zeit? Das ist auf Dauer nicht gut. Denn dann gehst du irgendwann verloren. Wer so durch das Leben geht, verliert sich irgendwann selbst. Doch auch manches, was wir uns als Ziel setzen für unser Leben, kann uns auf einen falschen Weg bringen. Das, was wir vor Augen haben, kann uns auch in die Irre leiten. Mancher tippt „Erfolg“ auf seinen Lebensnavigator ein, ein anderer „möglichst schnell zu möglichst viel Geld kommen“. Ein dritter hat als Ziel Anerkennung, Ruhm, Macht oder "bei allen beliebt sein". Alles das sind mögliche Ziele. Aber ob sie wirklich zu einem erfüllten Leben führen? Wird dich dein Ruhm, dein Geld, dein Erfolg, deine Karriere trösten, wenn du traurig, verzweifelt, allein und ausgestoßen bist? Mancher verwechselt oberflächliche Bekanntschaften mit Beliebtheit und ist dann enttäuscht, dass niemand ihm zur Seite steht, als er Hilfe braucht. Also: Es ist entscheidend, was wir vor Augen haben, woran wir uns orientieren, was unseren Weg lenkt.

 

In unserem heutigen Predigttext geht es genau darum: Was hast du vor Augen? Woran orientierst du dich? Was bestimmt dein Leben? Wir Christen blicken auf Jesus Christus, auf das, was er sagt und tut. Er ist uns Vorbild. Er ist Maßstab und Ziel für unser Leben. Aber das ist nicht immer so einfach, wie wir meinen. Der Glaube an Jesus Christus bedeutet eben auch, anderes hinter sich zu lassen, eben nicht in Trauer und Verbitterung zurückzuschauen, sondern voll Vertrauen nach vorne zu sehen. Das Besondere an Jesus ist ja: Er verändert unseren Blick. Er hilft uns, Dinge, Ereignisse und vor allem unser Leben anders zu sehen. Mit seinen Gleichnissen können wir das immer wieder erleben. Und auch sein Weg durch das Leiden zeigt uns: Von außen betrachtet ist er gescheitert. Mit den Augen des Glaubens aber erkennen wir: Dieser ist Gottes Sohn gewesen. Sein Weg in den Tod führt uns ins Leben. Können wir das? Können wir unser Herz und unsere Augen so für Christus öffnen und für Gottes Reich, für seine neue Welt, die er unter uns baut? Können wir, wollen wir im Vertrauen auf ihn unseren Weg gehen und ihn immer im Blick haben? Oder gerät uns doch immer wieder anderes in den Blick?

Der Glaube an Christus bedeutet auch immer eine Entscheidung. ER ist unser Ziel. ER bestimmt unseren Weg und unser Handeln. Nachfolge, so nennt das die Bibel. Jesus nachfolgen, mit ihm den Weg weitergehen, das möchten auch die drei, die ihm auf seinem Weg begegnen. Sein Weg aber führt ihn nicht einfach so durch das Land. Sein Weg wird ihn nach Jerusalem bringen. Und das heißt: in das Leiden und den Tod.

Der erste, dem Jesus begegnet sagt: „Ich will dir folgen, wohin du auch gehst.“ Man möchte sagen: Wie wunderbar! So viel Vertrauen, so viel Liebe spricht aus diesem einen Satz. Er erinnert mich an das Wort aus dem Buch Ruth: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen.“ Jesus sollte sich doch nun freuen, sollte einfach sagen: „Dann komm mit!“ Aber so einfach ist das nicht. Denn Jesus weiß, wie sein Weg aussieht: Er führt ihn durch Leiden und Einsamkeit. Die Zeit ist erfüllt für ihn. So geht er seinen Weg mit dem Wissen: Er endet nicht in Ruhm und Herrlichkeit, sondern vorerst in Erniedrigung und Tod. Und Jesus weiß: Dieser Mann, der mir mit so viel Vertrauen nachfolgen will, der ahnt das nicht einmal. Er ist begeistert und beeindruckt und fasziniert. Er sieht das Strahlen Gottes, das von Jesus ausgeht. Aber er sieht noch nicht, worauf er sich einlässt. Darum sagt er ihm, und auch uns, wenn wir so begeistert und beeindruckt von Jesus sind: „Die Füchse haben ihre Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester – aber ich habe kein Zuhause und kein Bett. Ich habe nichts, wo ich mich ausruhen und meinen Kopf hinlegen kann. Das ist der Weg, der vor mir liegt. Willst du mir wirklich nachfolgen, auf dem Weg, den ich gehen werde?“ Nun fällt auf: Wir erfahren gar nicht, ob dieser Mann wirklich mit Jesus geht. Das ist auch nicht wichtig. Wichtig ist: Werden wir es tun? Wissen wir, sehen wir, welchen Weg unser Herr für uns geht? Und er lädt uns ja ein, den Weg der Liebe durch das Leiden hindurch mitzugehen.

 

Das sagt er auch zu einem zweiten: „Folge mir nach!“ Dieser Mann aber ist in Trauer. Er weiß, wer Jesus ist, er spricht ihn mit „Herr“ an und bittet ihn um Erlaubnis: „Herr, erlaube mir, dass ich meinen Vater beerdige.“ Jesus antwortet ihm nicht mit ja oder nein, sondern mit: „Lass die Toten ihre Toten begraben. Du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes.“ Das klingt hart, so als ob Jesus diesem Sohn verbieten würde, den letzten Liebesdienst an seinem Vater zu erweisen und ihn zur letzten Ruhe zu geleiten. Doch ich sage, es geht um etwas ganz anderes. Jesus verbietet ihm doch gar nicht, das zu tun. Dieser Sohn darf ruhig zur Beerdigung gehen, zu den Trauernden Freunden und der Familie. Deren Herz aber ist gefangen in Trauer und Schmerz. „Du aber“, sagt Jesus, „du gehe an das Grab deines Vaters und verkündige dort das Reich Gottes. Erzähle den Trauernden und Verzagten von Gottes Liebe, die stärker ist als der Tod und die hinausführt über Tod und Grab in Gottes Reich. Das sollst du tun. Denn auch, wenn wir Abschied nehmen von einem lieben Manchen, kommt es darauf an, was wir vor Augen haben, was unser Denken, Tun und Reden bestimmt. Ist es der Tod oder ist es das Vertrauen, selbst dann von Gottes gütiger Liebe getragen zu sein? Und da ist eine Beerdigung, ist der Tod doch mit die wichtigste Stelle zu fragen: Wohin blickst du? Wo siehst du hin, wenn es um dein Leben geht? Siehst du in den Tod – oder sieht du in das Leben, das Gott uns dann schenken wird?“

 

Darum geht es auch bei dem dritten Menschen, der Jesus begegnet. Er will Jesus ebenfalls nachfolgen. Auch er weiß, wer Jesus ist, auch er bittet Jesus um Erlaubnis: “Herr, ich will mit dir gehen, will dir nachfolgen. Aber erlaube mir, dass ich zuerst nach Hause gehe und mich von meiner Familie verabschiede.“ Dieser Mann weiß, was es bedeuten kann, Jesus nachzufolgen. Er ist bereit, seine Familie und sein altes Leben zu verlassen. Denn nun, mit Jesus, fängt etwas ganz neues, anderes an. Und auch ihm verbietet Jesus nicht zu tun, was er möchte. Aber er gibt ihm ein Wort mit, das ihn - und natürlich auch uns –zum Nachdenken anregen soll: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Für den ist das dann nichts. Es mag sein, du möchtest dich unbedingt von deiner Familie, von deinen lieben Menschen verabschieden. Und Familie hat in der Zeit Jesus einen unglaublich höheren Stellenwert im Leben als bei uns heute. Aber denk bitte daran, sagt Jesus: „Der Bauer, der sein Feld pflügen will, der macht es auch doch so. Das ist das, was jetzt für ihn dran ist. Er blickt nach vorne, auf das, was er schaffen will. Denn jetzt ist die Zeit dafür da. Also, wenn du nach Hause gehst, dann erzähl voller Vorfreude von dem, was dich erwartet. Trauere nicht um das, was du zurücklässt. Ich selbst“, sagt Jesus, „bin sofort in Richtung Jerusalem aufgebrochen, als die Zeit dafür da war (V. 51!). Und so blicke auch du nicht voller Wehmut auf das Alte zurück. Freue dich auf das Neue. Freu dich daran, dass du an Gottes neuer Welt mit bauen darfst. Sei offen für alles, was du mit mir erleben wirst.“

 

Wir erfahren von allen dreien nicht, wie sie sich entschieden haben. Darum geht es auch gar nicht. Es geht um uns. So lädt Jesus Christus auch uns ein, mit ihm zu gehen und ihm nachzufolgen. Denn jede und jeder von uns, der getauft ist, darf mitbauen am Reich Gottes. Wir gehören mit zu der großen Schar von Jüngerinnen und Jünger, die Jesus nachfolgen. Jetzt, in der Passionszeit, folgen wir ihm ins Leiden, mit offenen Augen und einem offenen Herzen für sein Leiden, für unser Leiden, für das Leiden der Welt. Sein Wort, seine Liebe, sein Reich sollen wir dabei vor Augen haben. Das soll unseren Weg bestimmen. Das wird uns Kraft geben, unser Leiden auszuhalten und das Leiden der anderen mitzutragen und zu mindern. Unser Weg wird kein Weg auf Rosen sein. Christus wird uns durch Zeiten voller Glück, aber auch durch Trauer, Enttäuschung und Einsamkeit führen. Aber so wie Christus dürfen auch wir in allem, was geschieht, darauf hoffen und vertrauen: Wir sind in Gottes gütiger Hand geborgen. Nicht das, was war, sondern das was kommt, soll unseren Weg bestimmen. Er selbst, Christus, wird unseren Weg begleiten durch die Zeit. Ich weiß: Wir Christen werden immer mehr in Frage gestellt, verspottet, angefeindet. Und doch dürfen wir unseren Weg gehen. Denn Christus selbst ist ja diesen Weg für uns vorausgegangen. Er ging ihn mit offenen Augen für Gott. Uns so wird er auch bei uns sein, was auch geschieht. So lasst uns gehen, gemeinsam mit ihm, unserem Herrn und Tröster, durch alles Leiden, durch alle Freude, durch alle Traurigkeit hin zum Leben, zum Reich Gottes, zur ewigen Freude. Wenn wir auf Christus blicken, werden wir erkennen: Er sieht uns mit seinen liebevollen Augen an. Die Freude der bedingungslosen Liebe Gottes werden wir auf unserem Weg schon jetzt immer wieder spüren. Und dann, in Gottes Reich, wird unsere Freude ohne Ende sein.

Amen

 

Liedvorschlag: EG 394 Nun aufwärts froh den Blick gewandt



Pastor Peter Schuchardt
Bredstedt
E-Mail: pw-schuchardt@versanet.de

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