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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Okuli, 08.03.2015

Woran hängst du dein Herz?
Predigt zu Lukas 9:57-62, verfasst von Hans-Otto Gade

Liebe Gemeinde!

 

Solange ich denken kann wollte ich Pastor werden. Schon immer, schon als Kind. Bei diesem Berufswunsch bin ich geblieben, auch wenn sich mir viele Wiederstände in den Weg stellten. Ich habe auf manchen Umwegen Theologie studiert, bin Pastor geworden und stehe seit über vier Jahrzehnten in diesem ganz besonderen Dienst der Nachfolge.

Diese Nachfolge hat mir in Kindheit und Jugend so manches abverlangt: Während die Nachbarskinder im Schwimmbad waren habe ich die Gruppenstunden der Evangelischen Jugend besucht, während sich meine Schulfreunde in der Eisdiele trafen habe ich Kindergruppen geleitet, während meine ehemaligen Mitkonfirmanden mit den Freunden im Park saßen, habe ich im Kirchenchor gesungen.

 

„Du warst schon immer etwas anders als wir!“, so erinnerten sich meine ehemaligen Schulfreunde anlässlich eines Ehemaligentreffens unserer Schule.

Ich bin diesen Weg gegangen. Manchmal war dieser Weg hart und auch von Spott begleitet. Nachfolge Christi war und ist eben ein ganz besonderer, ein außergewöhnlicher Weg – im wahrsten Sinne des Wortes!

 

Wenn ich mir den Predigttext ansehe, dann scheine ich diesen Weg der Nachfolge aber trotz aller Anstrengungen und Entbehrungen doch nicht so gegangen zu sein, wie Jesus das offensichtlich will. Hören wir dem Evangelisten Lukas zu, der an drei Beispielen beschreibt was es heißt, Jesus nachzufolgen:

 

Als Jesus mit seinen Jüngern auf dem Wege nach Jerusalem war, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.

Und Jesus sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Aber Jesus sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes

 

Jesus ist unterwegs nach Jerusalem, dort wird er gefangen genommen, angeklagt, verhört und gekreuzigt werden. Gleich zu Beginn dieses Weges Richtung Kreuz begegnet Jesus drei Männern, die mitgehen, die also nachfolgen wollen. Jesus stellt ihnen äußerst radikale Bedingungen, die die drei Männer offensichtlich nicht erfüllen wollen oder können.

Der eine legt Wert auf ein sicheres Zuhause, der andere achtet die moralische Verpflichtung der Familie gegenüber hoch und möchte zunächst seinen Vater begraben, der dritte möchte sich von seiner Familie verabschieden, bevor er sich auf den Weg ins Ungewisse macht.

Allen drei antwortet Jesus: Wer mir nachfolgt muss einen radikalen Schnitt machen und von jetzt auf gleich alles hinter sich lassen und vergessen, was vorher da war: Sicherheit, Familie und Freunde.

 

Wenn ich mir‘s genau überlege, habe auch ich auf meinem Wege der Nachfolge diese drei Bedingungen nicht so erfüllt wie der Bibeltext, wie Jesus das fordert:

Ich wusste schon jeden Tag wo mein festes zuhause war, ich habe meinen Vater begraben und ich habe – übrigens genauso wie Martin Luther - mit einem Fest Abschied von meiner Familie genommen, bevor ich ins Theologiestudium abgereist bin.

 

Nun bin ich bin allerdings ein besonderer „Nachfolge-Fall“. Ich bin Pastor und stehe deshalb in einem herausgehobenen Dienst der Nachfolge. Die meisten von Ihnen nicht. Sie sind ganz normale Menschen, ganz normale Christen, mit mehr oder weniger normalen Berufen.

Aber in einem gleichen Sie mir: Auch Sie sind von Jesus Christus angesprochen worden und „mit IHM auf dem Weg“. Ich vermute auch, dass die Art und Weise Ihrer Nachfolge Jesu längst nicht so radikal ist wie offensichtlich von Jesus gefordert. Denn Sie freuen sich wie ich auch über ein hoffentlich gutes Zuhause, wir achten und pflegen unsere familiären Bindungen und wenn die Zeit eines lieben Angehörigen in Gottes Ewigkeit führt, dann nehmen wir unter Gottes Wort und Segen Abschied.

 

Das ist es! Unter Gottes Wort und Segen!

Beispiel: Der zweite angesprochene Mensch will vor der Nachfolge Jesu seinen Vater beerdigen und erst anschließend seinen Weg mit Jesus gehen.

Wie wäre es gewesen, wenn er Jesus gebeten hätte, ihn bei der Beerdigung seines Vaters zu begleiten? Dann wäre diese Grablegung innerhalb der Nachfolge geschehen. Gut, das ist Spekulation, aber doch eine Überlegung wert.

 

In den Beispielen die Lukas da aufgeschrieben hat, wollen die drei genannten Menschen offensichtlich die Nachfolge Jesu erst antreten, nachdem sie die „irdischen Dinge“ erledigt haben.

Frage: Ist es in der Nachfolge Jesu verboten, ein gesichertes Zuhause zu haben, seinen Vater zu beerdigen oder sich von seiner Familie zu verabschieden? Die Beispiele aus dem Bibeltext und die Erinnerungen aus meinem persönlichen Lebenslauf klingen ja so, als sei der Weg der Nachfolge immer nur mit Verzicht verbunden. Du darfst nicht, du sollst nicht

Nein, es geht nicht um Gesetze: „Du sollst nicht nach Unterkunft suchen, Du sollst nicht deinen Vater beerdigen, Du sollst dich nicht von deiner Familie verabschieden.“

Nein, hier werden keine neuen Gebote formuliert. Der Evangelist Lukas hat hier keine neuen, extremen Handlungsanweisungen niedergeschrieben. Es geht dem Evangelisten Lukas mit dieser Erzählung von den extremen Forderungen Jesu um eine ganz bestimmte, entscheidende Frage an seine Gemeinde:

Es geht vor allem um die Frage: Was ist dir wichtig? Welchen Stellenwert hat die Nachfolge Jesu Christi in deinem Leben? Woran hängst du dein Herz? Was und wer ist letztlich dein Gott?

Diese Männer auf dem Weg Jesu sind Beispiele, sind sozusagen Illustrationen dieser einen, entscheidenden Frage: Was und wer ist letztlich dein Gott?

Wer diese drei kurzen Geschichten liest wird sich unwillkürlich zwei Fragen stellen:

Wie hätte ich mich anstelle der drei Männer verhalten? Was sind die persönlichen Umstände, die mich daran hindern können, mein ganzes Leben in die Hand Gottes zu legen?

Antworten auf diese Fragen muss jeder für sich selbst finden!

 

Der dritte, der sich von seiner Familie verabschieden will bevor er in die Jüngerschar Jesu eintritt, erhält von Jesus die Antwort:

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.

Das ging damals in der Zeit, als Lukas diesen Text aufgeschrieben hat, gar nicht anders. Die Leser seines Evangeliums lebten in dem damals nicht gerade christenfreundlichen Römischen Reich. Und wer sich damals der christlichen Gemeinde anschließen wollte, musste bereit sein, alles aufzugeben. Bis hin zur möglichen Aufgabe des Lebens! Der musste bereit sein, wirklich nur noch nach vorn zu schauen und mit der Vergangenheit abzuschließen.

Deswegen bedeutete die Entscheidung zur Nachfolge Jesu und somit für den Eintritt in die Gemeinde tatsächlich einen das ganze Leben umfassenden Neubeginn mit ungewissem Ausgang.

Wer sich für die Taufe entschied, musste darauf gefasst sein, alle irdischen Güter und Bindungen hinter sich zu lassen – sogar das eigene Leben.

 

Wir sind heute in einer anderen Situation, aber eine Entscheidung für den Weg der Nachfolge bedeutet auch heute eben doch noch eine bewusste Entscheidung. Wobei ich keinesfalls in die Fußstapfen derjenigen treten möchte, die auf Tag und Stunde genau wissen wollen, wann diese Entscheidung für Christus gefallen ist.

 

Denn: letztlich entscheiden nicht wir uns für Christus und den Weg des Glaubens, sondern Christus entscheidet sich für uns. ER ruft uns in seine Nachfolge!

Ein Beispiel aus meiner eigenen Geschichte:

Bei meiner Silbernen Konfirmation saß ich in der Kirche neben einem ehemaligen Schulkameraden, für den in Kindheit und Jugend Kirche und Glaube nichts bedeutete. Während des Gottesdienstes sang er die Lieder teils auswendig mit, und betete das Glaubensbekenntnis und das Vater voller Inbrunst. Ich war erstaunt!

Nach dem Gottesdienst erzählte er mir: „Eines Tages habe ich im Urlaub eine Kirche besucht, weil meine Kinder unbedingt da rein wollten. Da hat’s mich plötzlich gepackt – ich weiß nicht wie das so plötzlich kam. Von da ab wusste ich, wer mein Leben in Seiner Hand hält und bewahrt!“

 

Nachfolge ist manchmal auch Verzicht, so habe ich in meiner eigenen Geschichte erfahren – aber nicht nur! Gerade in der Gemeinde Jesu Christi habe ich viele Freunde gefunden, die ohne groß darüber zu reden mit mir und vielen anderen gemeinsam auf dem Weg Jesu sind.

Das hört sich großartig an; bedeutet aber ganz einfach nur dies: Was immer auch die Zukunft uns bringen mag, wir wissen uns in der Hand Gottes geborgen in aller Zeit und Ewigkeit!

Amen



Pastor i.R. Hans-Otto Gade
Buxtehude
E-Mail: hans-otto.gade@ewetel.net

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