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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Okuli, 08.03.2015

Predigt zu Lukas 9:57-62, verfasst von Th.-M. Robscheit

Friede sei mit Euch!

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

 

wahrscheinlich waren Sie alle bereits auf der Wartburg[1]. Vermutlich werden Sie nicht nur die Aussicht genossen haben, sondern auch im Inneren der Burg gewesen sein. An den Sängersaal werden Sie sich erinnern und an die mit Mosaiken prächtig geschmückte Elisabeth-Kemenate! Und, erinnern Sie sich an den Gang nach dem verlassen der Kapelle? An die großen Fresken mit Szenen aus dem leben der Heiligen Elisabeth? Diese mittelalterisierenden Bilder des Moritz von Schwind[2]?An den Abschied, an das Rosenwunder? Und dann waren doch da auch noch die kleineren runden Wandbilder! Richtig, die sieben Werke der Barmherzigkeit!

Mit etwas Nachdenken bekommen wir die sieben Werke auch zusammen: Hungrige speisen; Durstige tränken; Fremde beherbergen; Nackte kleiden; Kranke pflegen; Gefangene besuchen und Tote bestatten.

Der eine oder andere von Ihnen kann sich vielleicht sogar an den Gottesdienst vor einigen Wochen erinnern, als im Evangelium diese Werke aufgezählt wurden sind. Das sind die Handlungen, an denen man einen guten Christenmenschen erkennt! Nun liegt es uns mitunter nicht so richtig, Fremde aufzunehmen. Bettler sind uns auch oft nicht geheuer und ins Gefängnis um jemanden zu besuchen, nun, das gehen die meisten von uns wahrscheinlich auch nicht. In meiner alten Gemeinde saß ein sehr aktives Gemeindeglied mehrere Jahre im Gefängnis, Besuch bekam er nur von seiner Familie. Geschrieben hat ihm auch niemand!

Es ist nicht so leicht, mit diesen sieben Werken der Barmherzigkeit! Aber wenigstens, wenigstens ist es uns wichtig, dass unsere Verstorbenen ordentlich bestattet werden; dass sie nicht namenlos unter der grünen Wiese verschwinden! An den Bestattungsriten kann man deutlich erkennen, ob die Angehörigen christlich geprägt sind, oder nicht![3]

 

Wer von Ihnen neulich richtig aufgepasst hat, dem ist vielleicht aufgefallen, dass dieses siebente Werk von Jesus gar nicht genannt wird. Und im heutigen Evangelium wird es sogar direkt ausgeschlossen: „Laß die Toten ihre Toten bestatten!“ Diese Forderung, liebe Schwestern & Brüder, ist in unseren Ohren zutiefst asozial! Sind wir doch gerade stolz darauf, würdevolle Trauerfeiern zu haben. Es ist uns wichtig, einen Verstorbenen nicht nur zu verscharren, sondern ihn mit seinem Namen zurück in Gottes Hand zu geben. Es gibt viele Pfarrer, einschließlich mich selber, denen Trauerfeiern besonders wichtig sind, weil sie wie nur wenig andere Anlässe die Möglichkeit geben, Menschen die frohe Botschaft zu erzählen. Wo, wenn nicht bei einer Trauerfeier ist es besser möglich, von unserer christlichen Hoffnung zu berichten? Leben, das den Tod überwindet, Liebe, die alles Versteinerte sprengt!

Ein Großteil der Anwesenden bei unseren Trauerfeiern bekennt sich nicht zum christlichen Glauben. Aber die Sehnsucht nach mehr im Leben, nach etwas das über den Tod hinaus Bedeutung hat und sich nicht im nachlassenden Erinnern und "in-unseren-Herzen-Weiterleben" erschöpft, diese Sehnsucht ist bei einer Trauerfeier, beim Ritus am Ende eines gemeinsamen Weges, besonders groß. Warum soll auf diese Frage nicht geantwortet werden?

 

„Laß die Toten ihre Toten bestatten!“ - wenn wir an dieser Stelle uns verärgert abwenden, wenn wir im Unverständnis den Kopf schütteln oder wütend die Faust ballen, wenn wir nicht in der Lage sind, weiter zu zuhören, dann geht es uns nicht anders als all denen, denen wir eigentlich Hoffnung weitergeben wollten! Wir verharren im ersten Teil und das Wesentliche bleibt uns verborgen.

Jesu Rede hört mit der harschen Forderung, die Toten sollen doch die Toten begraben, nicht auf. Es geht weiter: „Du aber geh hin und verkünde das Reich Gottes!“

 

Wenn wir das Anstößige des ersten Halbsatzes ertragen und diesen ganzen Satz Jesu in den Blick bekommen, dann verliert er das Anmaßende und wird zum Predigtauftrag: Im Angesicht des Todes, dort verharre nicht bei dem Tod. Wenden den Blick nicht nur nach hinten und verkläre nicht das Leben eine Menschen mit Schwerem und Schönen zu einem Heiligenmythos, erschöpfe Dich in Deiner Rede nicht in sinnfreien Phrasen über nie endende Liebe und erspare den Trauernden sentimentalen Kitsch. Das tun die, die ohne Hoffnung sind und ohne Vision, das machen die Toten. Du aber geh hin und verkünde das Reich Gottes, wende den Blick nach vorn, sprich von dem Licht nach allem Leiden und der Hoffnung, die durch den Tod hindurch trägt.

 

Haben Sie noch die Fresken zur Heiligen Elisabeth vor Augen? Nicht zufällig sind dazwischen die Medaillons mit den Werken der Barmherzigkeit. Für Elisabeth in ihrer tiefen Frömmigkeit war es unverzichtbarer Ausdruck ihres christlichen Glaubens, anderen bis zur Selbstaufgabe zu helfen. Sie ist mit ihrem radikalen Christsein überall angeeckt: am Hof sowieso, aber ebenso bei den Armen, denen sie zuvor geholfen hatte. Außer ihrem zu früh verstorbenen Mann konnte kaum einer nachvollziehen, dass Elisabeth Not, Elend und Tod nicht akzeptiert, sich nicht den lähmenden Sachzwängen ergeben hat, sondern durch ihre Barmherzigkeit das Reich Gottes verkündete und ein Stück dieses hellen Lichtes in eine finstere Welt brachte.

 

Lass die Toten ihre Toten begraben, Du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!

 

Und der Friede, der größer ist, als unsere menschliche Vorstellungskraft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen!

 

 

 

[1]
            [1]       Das kann in Thüringen vorausgesetzt werden. Die Burg ist nicht nur sehr geschichtsträchtig (Wirken der Hlg. Elisabeth, sog. Sängerkrieg, Zuflucht Martin Luthers als Junker Jörg, 1. Burschenschaftstreffen), sonder hat eine wunderbare Lage und Substanz

[2]
            [2]       Details: http://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_von_Schwind

[3]
            [3]       Auf dem Apoldaer Friedhof gibt es keine anonyme „grüne Wiese“. Es gibt Gemeinschaftsgrabanlagen. Dort werden bei einer gemeinsamen Feier 12 Urnen beigesetzt. Üblicherweise stehen die Namen der Verstorbenen dann auf einer dazugehörigen Stele. Der Anteil der Christen liegt bei deutlich unter 25%, entspricht damit aber etwa dem Bevölkerungsdurchschnitt! Die Selbstwahrnehmung trügt also leider.



Pfarrer Th.-M. Robscheit
Apolda & Kapellendorf
E-Mail: thm@robscheit.de

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