Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Lätare, 15.03.2015

Predigt zu Johannes 12:20-30, verfasst von Jörg Coburger

Liebe Brüder und Schwestern,

 

im Anfangsteil des Evangeliums wird uns im 2. Kapitel die Geschichte vom lachenden Gott erzählt. Wir kennen das unter der Überschrift: Die Hochzeit zu Kana. Dort will Jesu Mutter ihren Sohn drängen, ein Zeichen zu tun. Doch Jesus fährt sie hart an: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen. Und er sagt dort: Meine Stunde ist noch nicht gekommen.

 

Heute nun hören wir den vorläufigen Kontrapunkt dazu. „Jetzt ist die Stunde gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.“ 12,23

Jesus ist hinaufgekommen zum Fest. In Jerusalem feiert er als Pilger mit

dem Gottesvolk und vielen Pilgern, die übrigens oft gar keine Juden waren, das große Fest. Das Fest der Verschonung. „Deswegen bin ich in diese Stunde gekommen.“ sagt Jesus.

 

Das Weizenkorn ist Jesus. Es meint seinen Leidensweg des Todes, fast gegenständlich sein in die Erde gelegt werden, und die Auferstehung, die Frucht seines Sterbens und die Osterfreude des neuen Lebens. Laetare freut euch – der Name „Kleinostern“ für diesen Sonntag zeigt eine richtige Richtung. Die Betonung liegt auf Frucht, nicht auf Sterben. Das österliche Licht aller Evangelien wird sichtbar, sind sie doch, nach Ostern, durch Ostern, wegen Ostern im Rückblick geschrieben, die Proklamation des Sieges Gottes über allen Tod verkündend. Nicht der Tod selbst steht allein vor uns da, sondern das gestorbene und lebendige Weizenkorn Christus. Das heißt Ostern, das heißt, alles Ende von diesem Anfang her zu sehen. Österlich glauben heißt dann, im Keim die Frucht schon zu sehen.

 

Wie kann solches möglich werden? Das erfahren wir durch diese fröhliche kleine Minipilgerreise, die mit liebevoller Erzählung das aufgeregte, kindliche Beschäftigsein und Hin- und Her der drei Jünger schildert.

Einige Griechen, namentlich sind Philippus und Andreas genannt, waren zum Fest gekommen, um anzubeten. Der eine nimmt den anderen mit,

sie wollen Jesus sehen, schließlich wenden sie sich direkt an ihn.

 

Jerusalem ist voller Pilger - und Freiberg ist voller Touristen.

Schon ist der Betrieb in vollem Gang, sind Signets vergeben und Zertifikate „Aufsteiger der Region“ verliehen. Die Übernachtungsbranche klagt noch ein wenig präventiv, erhöht sind vorerst nur manche Preise, Devotionalienhändler bieten kleine Schoko-Passah-Lämmer feil, früher haben sie Präsidentenbiografien verkauft, heute aber hat sie der Herr in unsere Hand gegeben… Während später Jesus am Kreuz erhöht werden wird, in den Höfen schweigen die Lämmer, amüsieren sich andere in der Kneipenmeile zu Tode, falls die Sonne scheint, ist die Stunde gekommen - für die Autopflege.

 

Die Sehens-Würdigkeit Jesus entzieht sich. Auf ihn weist kein Schild hin. Er gehört nicht zu den Aufsteigern, die Massen werden an anderer Stelle vorbeigeschleust, aber es ist tatsächlich offen, ohne Probleme zu besichtigen. Aber ohne Beziehung kann man nicht bei ihm bleiben. Das werden sie noch zu hören bekommen, von ihrer Reaktion erfahren wir jedoch nichts. Wir müssen in ihre Motive – „mal sehen, nur mal einen Blick werfen“ – nichts hineingeheimnissen. Manche haben Andreas und Philippus gleich mal fromm geredet. Das ist schon möglich, kann aber offen bleiben, denn er Schriftsinn will hin zu Jesus. Wir sollten achten, wenn die Bibel schweigt.

 

Jesus bedeutet den beiden: Ihr könnt nicht Zuschauer bleiben. Er ruft in eine Beziehung hinein. Nachfolge heißt sie und: Wer mir dienen will. Das ist von damaligem Anspruch eines Rabbiners seinem Schüler gegenüber gar nicht so ungewöhnlich, aber Folgendes war bislang unerhört:

„Wer sein Leben lieb hat, der wird`s verlieren und wer sein Leben auf dieser Welt hasst, der wird’s erhalten zum ewigen Leben.“

 

Was hören, was sehen wir zuerst? Wir hören zuerst mit entsprechendem Protest: „Verlieren“ Das Ziel heißt aber anders: Erhalten zum ewigen Leben. Und: „Wo ich bin, da soll auch mein Deiner sein.“ Dahin will die Perikope mit uns. Die Jünger wollen Jesus sehen und werden ent-täuscht, denn als Antwort bekommen sie einen Blick auf seine Passion.

 

Doch zunächst: Eine Imitation des Weges Jesus ist weder verlangt noch möglich. Mehr noch: Seinen Weg imitieren zu wollen wäre eine schlimme Verachtung seines stellvertretenden Todes als Gotteslamm am Kreuz.

Der Weg Jesu steht für sich, ein für allemal. Liegt in solch wilder und falscher Entschlossenheit tatsächlich das Problem der Gläubigen heute?

Nun, derzeit ziehen zwar keine Flagellanten durch Europa, eher schon

die mit TNT und Plastiksprengstoff, aber unsere Probleme sind eher das Kleinlautsein, die Angst, die Sattheit, und vor allem muss alles schnell gehen, was nicht sofort oder zumindest sehr bald eintritt, taugt nicht als Glück. Überall in der Welt gewinnen die Schwarz-Weiß-Mächte die Oberhand, und in der Christenheit ist die Stunde der Karrieristen und Parvenus längst angebrochen.

 

Aufsteigen und gewinnen ist bei Jesus etwas anderes. Seine Gewinn- und Verlustrechnung geht anders. Sein Kreuzestod steht für sich. Aber die, die ihm gehören, werden mit dem Weizenkornwort in die Schule geschickt.

Gerade nicht um Lebensqualität betrogen zu werden, wie der eilige Leser und Hörer unterstellen möchten, sondern um alles Leben in Hülle und Fülle zu finden sind sie gesprochen. Aber wer sehen will, muss mit Jesus ganz runter und muss sich klein machen – lassen.

 

Jesus Christus ist das Weizenkorn, von dem hier die Rede ist. Jetzt, da Jesu Leidensgeschichte beginnt, da „die Stunde gekommen ist“, vollendet sich seine Sendung. Sie gilt der Verwirklichung der Liebe Gottes zu allen Menschen. Getrieben von ihr ist Jesus bereit, sich bis zur Hingabe seines Lebens für die Seinen einzusetzen. Dort, wo er alle Angst um sich selbst aufopfert, um Gottes Willen, dem Willen der Liebe, ganz gehorsam zu werden, lässt Gott ihn nicht allein, sondern offenbart sich ganz als eins mit ihm. Darum ist die Stunde der Kreuzigung zugleich die Stunde seiner Verherrlichung; jetzt ist die Stunde gekommen. Das heißt die Stunde, in der Gott ihm in seine heilende Nähe seiner selbst aufnimmt.

 

Wer ihm als sein Jünger zugehören will, muss ihm in diesen Kreuzesweg nachfolgen; denn zu Jesus zu gehören heißt, dieser Liebe verpflichtet zu sein. Darum glauben so wenige an ihn, denn die eigene Sache geht uns über die Sache Gottes; geliebt und geehrt zu werden ist uns wichtiger, als selbst zu ehren und zu lieben. Das Weizenkorn ist Christus, jetzt ist in Jerusalem seine Stunde gekommen. Die Herrlichkeit des Gekreuzigten wird aller Welt sichtbar, erkennbar wird sie allein dem Glaubenden.

 

Wir aber müssen Weizenkornmenschen werden. Das sind Menschen, die sich ganz nach unten senden lassen und sich um ihre eigene Herrlichkeit überhaupt keine Sorgen machen.



Pfarrer Jörg Coburger
Weissbach
E-Mail: joerg.coburger@gmx.de

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