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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Palmsonntag, 29.03.2015

Predigt zu Matthäus 21:1-9 (dänische Perikopenordnung), verfasst von Margrete Dahlerup Koch

”Dein König kommt, sanftmütig, und reitet auf einem Esel”! Das sind die Worte des Propheten Sacharja. Und große und starke Geschichten verstecken sich hinter diesen Worten. Der Eselsritt ist nicht für jeden.

Der erste Esel, der in der biblischen Geschichte auftaucht, ist der Esel Abrahams. Er, der reich an Kamelen, Kühen und Schafen ist, hat auch einen Esel. Einen Esel, der aus dem Stall an dem schrecklichen tag gezogen wird, als Abraham von Gott den furchtbaren Befehl erhält, seinen Sohn Isaak zu opfern. Den einzigen Sohn, der ihm geblieben ist, nachdem er selbst seinen ältesten Sohn Ismael vertrieben hat.

Der Esel wird gesattelt und trägt Abraham und das Brennholz, das er gespalten hat, zum Berg Moria, wo der Junge geopfert werden soll. Der Esel geht nicht schnell, Abraham hat also reichlich Zeit an das Wahnsinnige zu denken, das geschehen soll: die Opferung des Sohnes, den er liebt. Und der Vater soll selbst das Messer führen.

Im letzten Augenblick verhindert ein Engel Gottes das Opfer. Ein Widder lässt das Leben statt Isaak. Und Abraham geht vom Berg Moria mit seinem lebenden Kind und dem Segen Gottes. Dem Tode, dem Opfertode auf einem Esel entgegenreiten. Das ist die eine biblische Geschichte, an die man an Palmarum denken kann. Die andere handelt davon, dem Sieg auf einem Esel entgegenzureiten. Als der uralte König David ein letztes Mal sich aufrafft und den Streit entscheidet, wer nach ihm König werden soll, geschieht das dadurch, dass er befiehlt, dass der Sohn Salomon auf den Esel Davids gesetzt wird und in einem Triumphzug einreitet, während das Volk rufen soll: „Es lebe der König Salomo“! Ein junger Mann auf einem Esel. Ein Sohn Davids. Ein König, der kommt. Das ist die andere biblische Geschichte, die heute mitklingen soll.

 

Opfertod und Königswürde. An beides soll der Esel die Menschen erinnern. Mit dem letzteren, der Königswürde, sind sie ganz einverstanden, die jubeln und mit Palmenzweigen winken an der Einfallsstraße nach Jerusalem. „Siehe, dein König kommt zu dir“, sagte Sacharja in seiner Prophezeiung. Und das ist es, was sie sehen. Klar und deutlich sehen sie ihn. Den König. Den Messias. Den lange erwarteten. Deshalb winken sie mit Palmenzweigen, dem Siegessymbol, und singen „Hosianna“, „Gott erlöst“. Deshalb nennen sie den jungen Mann auf dem Esel Sohn Davids – denn er kommt wie der Sohn des alten David, Salomo seinerzeit kam: auf einem Esel.

Sie können Palmarum sehen. Denn das kann man, wenn man froh ist. Die Freude gibt uns Augen zu sehen. Die Freude gibt uns klar5e Sicht. Denn die Freude lässt und das Beste glauben. Die Freude macht, dass wir mehr sehen als die Augen sehen. Das wissen Eltern, die ihr Kind zum ersten Mal sehen, 53 cm, 3500 g, mit flachgedrückter Nase. Nein, man sieht viel mehr als das. Man sieht eine neue Welt. Man sieht Hoffnung, Träume, Ängste und Furcht. Aber vor allem sieht man, dass gerade jetzt das einzig Wichtige ist, dass das Leben schön ist. Schwer, ermüdend, riesengroß und eigentlich doch ganz einfach. Aber vor allem: Schön.

Die Freude macht sehend. Und umgekehrt macht die Enttäuschung blind. „Was habe ich denn in ihr gesehen?“ fragt die Enttäuschung. „Was habe ich denn in ihm gesehen?“ ruft die Enttäuschung am Freitag, wenn die Freude ver5flogen ist und der Mann auf dem Esel ans Kreuz gehängt werden soll. Geopfert, was Isaak nicht wurde. Denn Eselsritt und Opfertod gehören auch zusammen. Das wird in einigen Tagen sichtbar.

König Salomo ritt auf dem Esel seines Vaters in die Stadt. Die Stadt, in der Salomo den großen schönen Baute, den Stolz des ganzen Volkes. Den Tempel, in den dieser neue Sohn Davids auf dem Esel nun hineinreitet und Verheerungen anrichtet. Denn sobald er durch die Stadtmauer nach Jerusalem gekommen ist, macht er sich daran, die Tische der Händler im Tempel umzustoßen und zu rufen, dass der Tempel und die Opfergaben, die dort verkauft werden, völlig gleichgültig und lächerlich sind. Der Tempel, der Ort, den die Menschen aufsuchen sollen, um Gott zu begegnen, „dieser Tempel“, sagt Jesus „bin ich“. „Denn Gott und ich“, sagt er, sind eins“ Gott will Barmherzigkeit zwischen Menschen und keine Opfer. Deshalb soll der alte Tempel Salomos abgerissen werden. Und ein neuer Tempel gebaut werden. Ein Tempel, der nicht aus Steinen gebaut ist, sondern aus lebendigen Menschen, die sich um das eine versammeln: dass Jesus der Christus ist, das wahre Bild Gottes.

Dieses Bild wird Freitag zerstört. „Seht, welch ein Mensch“, sagt Pilatus und zeigt den Massen das gefolterte und misshandelte Wrack eines Mannes. „Kreuzige ihn, weg mit ihm“, rufen sie als Antwort. Und dieses Mal stellt sich kein Engel dazwischen wie auf dem Berg Moria. Dieses Mal stirbt der Sohn. Der Sohn, der der einzige, eingeborene Sohn des Vaters ist. Oder mit den Worten des alten Hymnus aus dem Philipperbrief: „Er war Gott gleich“. Er, der auf seine göttliche Würde verzichtete und Mensch wurde. Einer von uns. Weil die Liebe das will: dem Geliebten so nahe sein wie sich selbst.

Wie ein Isaak und ein Salomo kommt Jesus, reitend auf einem Esel. Der Esel, der zum Tode wie zum Sieg trägt. Denn der Weg zum Sieg geht durch den Tod. Nur der, der alles Böse durchgemacht hat, kann es überwinden. Nur wer bleibt und den Kampf aufnimmt, kann gewinnen.

Darauf sollen wir uns im Laufe dieser Woche vorbereiten. Damit wir am Sonntag sehen können, dass die Freude richtig sieht. Das Leben, wo die Abhängigkeit von Gott und die Aufmerksamkeit auf den Nächsten alles erfüllte; das Leben, das alles gab – sich selbst hingab – das war das Leben, zu dem sich Gott bekannte und das seine nannte. Das war das Leben, das nicht einmal der Tod zerbrechen kann, mit diesem Leben kommt Gott zu uns, zu diesem Leben tauft er uns, dieses Leben reicht er uns. Immer wieder.

Denn – schließlich: Da sind ja zwei Esel an Palmarum. Jesus befiehlt den Jüngern, mit einem Esel und seinem Füllen zu kommen. Das hat Anlass zu vielen Spekulationen gegeben. Der Mann kann ja nicht auf beiden gleichzeitig reiten, oder was? Wa½s soll er mit dem Füllen? Ja, vielleicht ist das kleine Eselsfüllen das Bild für das Neue. Das Leben, das nun beginnen soll. Das Leben, das unser Leben ist und von dem wir in der Taufe gehört und gesehen haben, dass es ganz neuen Menschen gereicht wird. All das, was Leben aus seinem Leben empfängt. Er, der zum Leben durch den Tod ritt, damit wir ihm nachfolgen können. Amen.



Pastorin Margrete Dahlerup Koch
DK-6980 Tim
E-Mail: mdk(at)km.dk

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