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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostermontag, 06.04.2015

Predigt zu Lukas 24:13-35, verfasst von Rainer Stahl

„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,

die Liebe Gottes

und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes

sei mit Euch allen!“

 

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

liebe Schwestern und Brüder,

 

gestern haben wir erkannt, dass uns Ostern eine fundamentale Spannung vorlegt:[1] Die Auferstehungsbotschaft gilt uns nur als „Gehörtes“. Zu Ostern gibt es nichts zu „sehen“. Erst die Hoffnung auf „Galiläa“, genauer: auf das Ziel des Wegs nach „Galiläa“ eröffnet „Sehen“. Ich hatte zusätzlich die Hoffnung benannt, dass es in der Kirche jetzt schon ahnungsvolle Erlebnisse dieses „Galiläa“ geben könnte. Genau auf diese Problemstellung antwortet die Erzählung von Emmaus.

 

Drei Dimensionen sind mir für den Ostermontag des Jahres 2015 wichtig, sind mir für uns wichtig:

 

Die erste:

 

Wenn wir als Gemeinde, als Gruppe in der Kirche, als kirchliches Werk – ich arbeite für das lutherische Diasporawerk bei uns in Deutschland, für den Martin-Luther-Bund –, als Kirche Herausforderungen beraten, Entscheidungen in Angriff nehmen und dabei uns auf einen Weg begeben haben – nicht verharren in unseren traditionellen „Ecken“ und „Nischen“, sondern uns mutig auf neues Terrain wagen –, dann ist der Auferstandene neben uns, dann geht er mit, dann begleitet er uns. Aber immer so, „dass wir ihn nicht erkennen“.

 

Als erstes also habe ich uns alle heute Morgen in der Glaubensüberzeugung zu bestärken, dass Christus mitgeht. Wir sind nicht allein. Wir können den Mut aufbringen, uns trotz aller Unsicherheit und vielleicht Einsamkeit, trotz aller Ratlosigkeit mit Blick auf die Zukunft als begleitet verstehen:

 

            „Es heißt, dass einer mit mir geht,

            der’s Leben kennt, der mich versteht,

            der mich zu allen Zeiten

            kann geleiten.

            Es heißt, dass einer mit mir geht.

 

            Sie nennen ihn den Herren Christ,

            der durch den Tod gegangen ist;

            er will durch Leid und Freuden

             mich geleiten.

            Ich möchte’, dass er auch mit mir geht“ – so Hanns Köbler im Jahr 1964.[2]

 

Die zweite Dimension:

 

Dass wir Begleitete sind, wird an unseren Glaubensgesprächen, an unserer theologischen Arbeit deutlich werden. Wir finden den Mut, schöpferisch mit der Bibel umzugehen, sie neu zu lesen, ihr überraschende Erkenntnisse abzugewinnen.

 

Für mich ist das Beeindruckende der darauf bezogenen Hinweise in unserer Geschichte, dass der Auferstandene auf die Hebräische Bibel zurückgreift: „bei Mose und bei allen Propheten […] in allen Schriften“. Das sind die drei Teile der Hebräischen Bibel – die „Weisung“, was wir die fünf Bücher Mose nennen, die „Propheten“, ab dem Buch Josua, und die „Schriften“, ab dem Buch der Psalmen. Sie alle können so verstanden werden, dass sie Hinweise auf das Schicksal – man erlaube mir, so säkular zu reden (ist die Rede von „Schicksal“ eigentlich säkular?) – des Jesus aus Nazaret geben, „dass Christus dies alles leiden musste“:

 

            „Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,

            sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,

            stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,

            und vergibt ihnen beiden“ – so Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis im Jahr 1944.[3]

 

Deshalb nun die dritte Dimension:

 

Die Theorie braucht die Ergänzung durch die Praxis. Aber hier, bei uns Christen, in der Kirche, durch eine besondere Praxis:

 

Die Tischgemeinschaft ist es, die den Jüngern ein kurzes Erkennen vermittelt: „Und sie erkannten ihn.“ Die gemeinsame Feier öffnet die Augen. Das gemeinsame Essen vermittelt die Erfahrung der Gegenwart des Auferstandenen. Formt die Ahnung seiner Gegenwart um in eine Erkenntnis seiner Gegenwart, über seine Gegenwart.

 

Es muss also neben aller rationalen Vorbereitung, neben allem Beraten, neben allem Studieren, neben dem Diskurs, das Erleben, die Emotionalität hinzukommen. Sie erst werden die wirkliche Begegnung ermöglichen. Genauer: Alles rationale Ringen, alles denkerische Einstimmen braucht die existentielle, braucht die somatische „Probe aufs Exempel“. Und diese Probe wird schon heute flüchtige Erlebnisse der Begegnung mit dem Auferstanden vermitteln.

 

Merkwürdigerweise denke ich jetzt an mein erstes Abendmahl zurück. Das darf sein. Ich denke auch, dass die Geschichte im Lukasevangelium auf die Abendmahlsfeiern der frühen Kirche hinweisen will. Diese Abendmahlsfeiern als Orte und Zeiten möglicher Begegnung mit dem Auferstandenen in den Blick rückt. So darf mir mein erstes Abendmahl einfallen:

 

In der Stadtkirche in Meiningen in Südthüringen, damals Bezirk Suhl, Sonntag Exaudi des Jahres 1965, der 30. Mai jenes Jahres. Es war wirklich für uns alle in der Konfirmandengruppe die Erstteilnahme. So war das damals. Ich sitze in der zweiten Reihe, zusammen mit den anderen Konfirmandinnen und Konfirmanden. Zur Teilnahme aber kommen die Eltern und Taufpaten mit nach vorn. Und ich knie neben Onkel und Tante, neben Vater und Mutter am Altar. Geblieben ist die Erinnerung großen Ernstes. Das Bewusstsein einer dauerhaften Entscheidung für die Kirche, für Christus. Nur verstört durch Reaktionen von Mitkonfirmanden, die sich dann – wieder in der Kirchenbank – über den Geschmack des Weines austauschen. Wir 14-Jährigen damals war noch nicht so gewohnt, Alkohol zu trinken, wie vielleicht die heutigen 14-Jährigen. Mir aber blieb es ein Erlebnis der Begegnung mit Christus, das mich geprägt hat – bis heute.

 

Auch Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser, wünsche ich solche Erinnerung, dass auch Sie „ihn erkannten und erkennen, als er das Brot brach“.

 

Nach diesen drei Dimensionen könnten wir zum Abschluss kommen. In einer frühen Entwicklungsphase meiner Predigt hatte ich auch schon den Schlussgruß „Amen“ notiert. Aber es gibt noch ein Detail, eine Einzelheit in unserer Geschichte, die ich dann unbeachtet gelassen hätte. Sie ist mir als Prüfkriterium dafür bewusst geworden, ob diese Deutung, ob diese Predigt richtig sind. Und dieses Detail, diese Einzelheit zeigt, dass dieser Bericht so gepredigt werden kann, wie ich es getan habe:

 

Die Jünger kommen nämlich aus Emmaus zurück nach Jerusalem und erzählen erstaunlicherweise nicht sofort, was sie erfahren haben. Sondern ihnen wird das große Wunder der Auferweckung und der Erscheinung des Auferstandenen verkündigt. Die Jünger, die in Jerusalem geblieben waren, sagen ihnen: „Tatsächlich ist aufgestanden / auferstanden der Herr und dem Simon erschienen!“

 

Zur selben Zeit, in der der Auferstandene die nach Emmaus auf dem Weg befindlichen Jünger begleitete, erscheint er anderen Jüngern. So funktioniert Kirche. Das ist Kirche. Zu verschiedensten Situationen ist ihr der Auferstandene nahe. Bei verschiedensten Herausforderungen begleitet er sie. Bezogen auf das Erlebnis von Emmaus: Bei allen Abendmahlsfeiern gleichzeitig erweist er sich bis heute als der Auferstandene, der uns bewirtet!

Amen.

 

 

„Und der Friede Gottes,

der höher ist als unsere Vernunft,

bewahre Eure Herzen und Sinne bei Christus Jesus, unserem Herrn!“

 

 

[1]   Vgl. Online-Predigten zu Markus 16,1-8 am 5.4.2015.

[2]   EG 209, die Strophen 3 und 4.

[3]   Vgl. Christus für uns heute. Eine Bonhoeffer-Auswahl, Berlin 1970, Seite 353.



Pfarrer Dr. Rainer Stahl
Erlangen
E-Mail: rs@martin-luther-bund.de

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