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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres, 11.11.2007

Predigt zu Lukas 18:1-8, verfasst von Luise Stribrny de Estrada

Vorbemerkung zur Predigt über Lukas 18,1-8 und die Überschwemmungskatastrophe im Süden Mexikos

Seit mehr als einer Woche sind die Menschen im Südosten Mexikos von katastrophalen Überschwemmungen betroffen. Auch in Deutschland hören und sehen Sie die Nachrichten: 70% des Bundeslandes Tabasco stehen unter Wasser, es fehlen Lebensmittel und Medikamente, um die akute Not zu beheben, viele Menschen haben nicht nur ihr Haus, sondern ihre gesamte Existenz verloren. Es muss jetzt verhindert werden, dass Epidemien ausbrechen, deshalb werden die Leute gegen Hepathitis geimpft. Die Landwirtschaft ist auf Jahre hinaus geschädigt. Auch das Nachbar-Bundesland Chiapas ist durch die Regengüsse betroffen, vor wenigen Tagen ist dort ein Dorf am Rand des Flusses Grijalva von einer 40 Meter hohen Flutwelle überschwemmt worden, es hat viele Tote gegeben, die genaue Zahl ist noch nicht bekannt. Die Armen sind am schlimmsten betroffen, weil sie dort siedeln, wo es nicht sicher ist (z.B. in der Nähe der Flüsse) und weil sie weniger Möglichkeiten haben sich zu helfen und helfen zu lassen. Das beschreibe ich anhand einer Geschichte in der Predigt, die ich aus der Zeitung entnommen habe.

Was tun wir hier in Mexiko? Tabasco und Chiapas sind überall Thema, viele versuchen zu helfen und die Solidarität ist gross. An verschiedenen Orten hier in der Hauptstadt werden Sammellager eingerichtet, wo man Vorräte abgeben kann, die mit Lastwagen in den Süden des Landes transportiert werden. Auch in unserer Kirche ist ein solcher Sammelpunkt eingerichtet worden. Überall wird auch zu Geldspenden aufgerufen, aber dabei ist Vorsicht geboten, denn oft kommt das Geld nicht dort an, wo es gebraucht wird. Unsere evangelische Gemeinde deutscher Sprache leitet die Spenden an eine mexikanische Stiftung weiter, die vor Ort arbeitet.

Mexiko wird es nicht alleine schaffen, diese Katastrophe zu bewältigen und ist auf Spenden aus dem Ausland angewiesen.

Wenn Sie oder Ihre Gemeinde sich entschliessen, Geld nach Mexiko zu überweisen, und eine zuverlässige Kontaktadresse bzw. Bankverbindung suchen, bieten wir Ihnen an, dafür unser Konto in Deutschland zu benutzen.

Unsere Bankverbindung ist die folgende:

Ev. Gemeinde Dt. Sprache in Mexiko
Konto-Nr.: 210 258 3011
bei: KD-Bank eG, Dortmund
BLZ: 350 601 90
Geben Sie als Stichwort "Katastrophe in Südmexiko" an.

Bitte schicken Sie an mich eine kurze Nachricht,
wer die Spende überweist
und in welcher Höhe,
damit wir einen Überblick haben.

Meine E-Mail-Adresse lautet: marclui@prodigy.net.mx

 
Vielen herzlichen Dank!
Ihre Luise Stribrny de Estrada

 

Predigt über Lukas 18,1-8
zum Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres (11.11.2007)

Liebe Schwestern und liebe Brüder!

Seit Tagen sehen wir Bilder der Überschwemmungen im Süden Mexikos: die Strassen stehen meterhoch unter Wasser, Menschen haben sich auf die Dächer oder in die oberen Stockwerke ihrer Häuser gerettet, 70 % des Bundeslandes Tabasco sind überflutet. Viele stehen stundenlang Schlange, um die nötigsten Lebensmittel zu erhalten, andere stürzen sich auf Pakete, die von einem Hubschrauber aus der Luft abgeworfen werden.

Wie reagieren wir auf das, was diese Menschen durchleben? Sind wir entsetzt von ihrer Not und voller Mitgefüh? Lassen wir uns anrühren von dem, was dort in Tabasco und Chiapas geschieht? Vielleicht erinnern sich einige von uns daran, wie sie selbst im Krieg oder in den schweren Jahren danach gehungert haben und kaum genug hatten, um zu überleben. Andere bleiben unberührt. Sie sind mit sich selbst beschäftigt, mit ihrem Alltag, der Arbeit, den Kindern. Ich kann sie verstehen: Wir schaffen es nicht, uns mit jeder der vielen Katastrophen auseinandersetzen, von denen wir durch die Medien erfahren, wir können uns nicht ständig auf's Neue anrühren lassen von der Not fremder Menschen, die weit weg von uns leben. Jeder von uns hat nur eine begrenzte Fähigkeit, mit anderen mitzuleiden, sich ihre Not zu Herzen gehen zu lassen. Wir können uns nicht durch alles, was wir sehen und hören, erschüttern lassen. Und oft fühlen wir uns angesichts dieser Nachrichten über das schreckliche Schicksal anderer hilflos, wir können es ja doch nicht ändern. Wir werden die Welt nicht friedlich, gerecht und gut machen, warum sollen wir uns immer wieder von neuem damit konfrontieren lassen?

Manchmal gelingt es den Bildern oder Artikeln doch, unser Herz zu erreichen. Auf irgendeine Art entwickeln wir einen Bezug zu dem Ort des Unglücks, vielleicht weil wir das Land kennen, in dem es passiert ist. Oder eine Geschichte, die wir von dort hören, rührt uns an. Dann bekommt das, was weit entfernt geschieht, plötzlich ein menschliches Gesicht. So ging es mir, als ich über ein Dorf in Tabasco las: Acht Tage lang waren die Einwohner durch die Überschwemmungen von der Welt abgeschnitten, bis endlich ein Hubschrauber mit Lebensmitteln bei ihnen landete. Viele Kinder sind krank, sie haben Hautausschläge, Durchfall und Fieber. Die Mütter halten sich an dem Glauben fest, dass ihre Kinder, sobald sie nur sauberes Wasser und Babymilch bekämen, wieder gesund würden. Sie sind nicht dazu zu bewegen, den Hubschrauber zu besteigen, um sich in ein Krankenhaus fliegen zu lassen. Sie haben Angst vor dem Fliegen, auch Angst, das Dorf zu verlassen und ihrer letzten Habseligkeiten beraubt zu werden. Sie wollen lieber darauf warten, dass der Hubschrauber mit einem Arzt zu ihnen zurückkehrt. Sie bestürmen den Piloten, dass er ihnen verspricht., einen Arzt zu ihnen zu bringen. Wird das passieren? Und wann? Vielleicht ist es für einige der Kinder dann schon zu spät...

Eine Geschichte wie diese mag uns anrühren und bewegen, sie kann etwas in uns verändern, gerade, wenn wir selbst kleine Kinder haben.

Unser Predigtabschnitt für heute erzählt auch von einem Menschen, der sich verändern lässt. Allerdings ist dieser nicht gerade sympatisch und lädt nicht dazu ein, sich mit ihm zu identifizieren. Wir haben schon als Evangeliumslesung das Gleichnis von der Witwe gehört, die den Richter so lange bedrängt, bis er ihr schliesslich doch Recht spricht. Die Frau, die ihren Mann und damit ihren Schutz verloren hat, ist nahezu rechtlos und kann von jedem übervorteilt werden. Diese Witwe, von der Jesus uns berichtet, gibt aber nicht auf, sondern bleibt hartnäckig: Sie bedrängt den Richter, der als skrupellos bekannt ist, so lange, bis sie ihm lästig wird. Er beschliesst, ihr Recht zu schaffen, nicht weil sie ihm leid täte oder weil es ihm um Gerechtigkeit ginge, sondern einzig und allein, um seiner eigenen Bequemlichkeit willen. Am Schluss bekommt die Frau, was sie will, ihr Widersacher wird in seine Schranken gewiesen. Warum erzählt Jesus dieses Gleichnis? Er fordert uns auf, jederzeit zu Gott zu beten und dabei nicht aufzugeben, nicht müde zu werden. Wenn selbst der abgebrühte Richter schliesslich die Witwe erhört, dann wird Gott, der gerechte Richter, uns umso mehr erhören.

Es geht Jesus um das Gebet. Ich möchte mit Ihnen/Euch zusammen üiberlegen, was das Beten für uns bedeutet. Wenn ich bete, fasse ich, was mich bewegt, in Worte und spreche es aus. Dabei wird mir selbst klarer, was mich beschäftigt. Ich bekomme ein wenig Abstand, ich setze es gleichsam aus mir heraus und kann es jetzt von aussen betrachten. Ich mache mir Luft und erleichtere mich, wenn ich sagen kann und darf, was mich belastet.

Aber dass Gebet ist ja kein Selbstgespräch, sondern ein Reden mit Gott. Ich richte mich an ihn und ziehe ihn mit hinein in das, was mich umtreibt. Ich mute ihm zu, meine Probleme, meine Ängste, meine Klagen zu hören. Gleichzeitg traue ich ihm zu, dass er das ertragen kann. Wer an Gott glaubt, für den gehört das Beten mit dazu, er kann gar nicht anders als mit Gott zu sprechen. Oft sind das, wie bei der Witwe im Gleichnis, Bitten, die wir vor Gott bringen: dass er uns helfen und Mut machen möge. Manchmal bleibt uns nur die Klage. Warum muss ich, warum müssen diese Menschen so viel Schreckliches erleben? Ich weiss nicht ein noch aus, keiner steht mir zur Seite...

Ich glaube, jeder, der betet, hofft auch, dass Gott etwas verändern kann. Vielleicht spricht er es nicht immer aus, aber die Zuversicht ist da, dass nicht alles so bleiben muss, wie es ist. Gott kann Dinge in Bewegung bringen, die mir starr und festgefahren erschienen; mag sein, dass er das tut, indem ich mich verändere. Wer betet, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

Wir beten nicht nur für uns selbst, sondern auch für andere, für die Menschen, die wir lieben und für die diejenigen in Not, betroffen zum Beispiel von den Überschwemmungen im Süden Mexikos. Wir können Gott bitten, dass er sie tröstet und ihnen hilft, damit sie wieder Möglichkeiten zum Leben sehen. Unser Gebet ist etwas Wichtiges, wir sollen darüber nicht klein denken und es nicht abtun mit der Behauptung: "Das nützt doch nichts". Das Beten bringt uns die Menschen näher, für die wir bitten, und es vertraut sie Gott an. 

Jesus ermutigt uns dazu, nicht zu resignieren und trotzdem zu beten, auch gegen den Augenschein. Unser Gebet hat keine unmittelbare Wirkung, es ist keine Magie, die sofort die Not behebt. Aber es erinnert Gott und uns selbst daran, dass es Menschen gibt, die unser An-sie Denken und unsere Fürbitte bitter nötig haben. Das Beten kann uns und kann auch Gott verändern.

Dann kann daraus das Tun des Gerechten erwachsen, wie Dietrich Bonhoeffer es genannt hat. Angesichts einer Katastrophe wie der in Chiapas und Tabasco ist auch die praktische Hilfe wichtig. Die Menschen dort brauchen Wasser, Decken, Nahrung in Dosen, Babymilch, Windeln und Medikamente. Unsere Spenden helfen, dass sie zu essen und sauberes Wasser zu trinken haben und dass Krankheiten geheilt werden können. Es ist dringend notwendig, sie mit dem Lebensnotwendigsten zu versorgen. Aber auch in einigen Wochen und Monaten wird die Hilfe noch gebraucht, um sie dabei zu unterstützen, ihre Häuser wieder aufzubauen und eine neue Existenz zu gründen. Wir sollten sie nicht vergessen, wenn die Medien aufhören, über sie zu berichten und zu einem anderen Thema übergehen.

Wenn wir das Gerechte tun ist das nur ein kleiner Schritt, nichts Spektakuläres. Aber es hilft den Menschen dort, hilft ihnen dabei, erstmal zu überleben und dann wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Für sie ist das, die sie jetzt empfangen, ein Zeichen, dass sie nicht vergessen sind und dass andere sich mit ihrer Not solidarisieren.

Wir verändern damit nicht die Welt, aber wir säen einen Samen der Hoffnung, der Hoffnung darauf, dass Menschen einander helfen und sich zu Herzen gehen lassen, was ihrer Schwester oder ihrem Bruder  in einem anderen Land der Welt geschieht.

So tragen wir durch unser Beten und das Tun des Gerechten dazu bei, dass Gottes Reich aufscheint, schon heute, hier in unserer Welt.

Amen.

Und der Friede Gottes,
der höher ist als alle unsere Vernunft,
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.



Pastorin Luise Stribrny de Estrada
Evangelische Gemeinde deutscher Sprache in Mexiko
E-Mail: marclui@prodigy.net.mx

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