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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Ostersonntag, 05.04.2015

Der Tod spricht nicht das letzte Wort
Predigt zu Markus 16:1-8, verfasst von Christoph Morgner

Was für ein Chaos am ersten Ostermorgen: ein leeres Grab, verstörte Frauen, abgeschottete Jünger von Jesus, irritierte Religionsführer. Keiner blickt durch. Entsetzen auf allen Gesichtern.

 

Schauen wir genauer hin! Es ist früh am Morgen. Wir sehen drei Frauen unterwegs. Vorgestern haben sie noch von weitem mit ansehen müssen, wie ihr Jesus hingerichtet worden ist. Eine Welt war ihnen zusammengebrochen. Da war es ein schwacher Trost, dass Jesus wenigstens ein ordentliches Grab bekommen hat.

 

Was können wir jetzt noch für Jesus tun? Sie legen ihre Groschen zusammen und besorgen einen wohlriechenden Balsam. Damit wollen sie den Leichnam einreiben. Schon vor Sonnenaufgang ziehen sie los. Wir müssen nicht rätseln, um ihre Stimmung zu erahnen: ein Gemisch von Trauer, Wut und Resignation. Tränen fließen noch und noch. Und alles wird überlagert von ihrer Liebe zu Jesus. Die ist auch jetzt noch lebendig. „Auf zum Grab! Das ist das letzte, was wir für unseren Jesus noch tun können.“

 

Wo sind eigentlich die Jünger? Die haben sich verkrümelt. Die Angst steckt ihnen tief in den Knochen. „Nichts wie weg“, war die Devise, als es Jesus an den Kragen ging. Nun sitzen sie hinter Schloss und Riegel, die sie selber zugesperrt haben. Sie wagen sich nicht an die frische Luft.

 

Es läuft hier wie später oftmals im Reich Gottes: Frauen gehen voran. Was wären wir ohne unsere Frauen! In manchen Orten wären ohne sie schon längst die Lichter ausgegangen. Auch unsere drei trauen sich. Sie haben keine Scheu, sich zu Jesus zu bekennen, wo’s riskant ist. Sie packen an, was ihnen jetzt noch möglich scheint.

 

Die Frauen haben eine einzige Sorge: Die Höhle wurde durch einen schweren Stein verschlossen. „Wer wälzt uns den Stein von der Tür des Grabes? Allein schaffen wir das nie.“

 

Bis dahin läuft alles üblich ab: „im grünen Bereich“, sagen wir. Doch dann kommt am Ostermorgen alles völlig anders. Unsere Frauen reiben sich die Augen. Träumen sie? Sind sie wach? „Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß“. Das Grab steht sperrangelweit auf: „Das gibt’s doch nicht! Aber - es hat auch sein Gutes: Nun können wir ungehindert den Leichnam salben.“ Ich sehe vor mir, wie die Frauen ihren Balsam auspacken und ihre Ärmel hochkrempeln, um Jesus den letzten Liebesdienst zu erweisen.

 

Also rein in das Grab. Da fährt ihnen der Schreck in die Glieder. Was müssen sie sehen? Völlig unvermutet statt einer Lei­che ein Engel, ein „Jüngling“. Der sitzt dort, wo Jesus liegen müsste. Ganz in Weiß gekleidet, der Farbe des Himmels. Aber nach einer guten Nachricht sieht das nicht aus. „Und sie entsetzten sich“. Sie zittern wie Espenlaub. Doch der Engel hält dagegen: „Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.“ Was für schockierende Nachricht: "Jesus ist nicht hier, wo ihr ihn sucht. Sein Platz beim Tod ist leer“.

 

Alles Mögliche hatten die Frauen erwartet. Das nicht. Die Osternachricht löst Panik aus. Weil dem so ist, ist es deshalb ir­rig anzu­nehmen, die Osterbotschaft könnte im Innern der Anhänger von Jesus entstanden sein. Nichts erwarteten sie we­niger. Nichts lag für sie ferner. Zittern und Entsetzen sind ein ungünsti­ger Nährboden für Visionen. Deshalb ist es lächerlich zu meinen, wie einige Neunmalgescheite in den vergangenen Jahrhunderten: Das haben sich die Jünger selber ausgedacht, um die Sache von Jesus weiterzutreiben. Nein, mit allem anderen haben sie gerechnet, nur damit nicht.

 

Die Osternachricht widerspricht allen Erfahrungen. Deshalb begegnen uns in den Ostergeschichten lauter fassungslose Leute. Das geht in keinen Kopf! Der sagt uns etwas anderes: Der Tod spricht das letzte Wort. Da gibt’s kein Vertun. Tot bleibt tot. Ohne Ausnahme. Der Tod zeigt sich als unüberwindlich. 

 

Wie schnell er nach uns greifen kann, erleben wir  immer wieder in unserem Umfeld. Morgens blättern wir in der Zeitung, und viele schauen dabei zuerst nach den Todesanzeigen. Da erschrecken wir: Jemand ist gestorben, den habe ich gekannt. Ein anderer ist jünger als ich. Das geht uns nahe. Denn auch auf uns hat der Tod längst ein Auge geworfen. Wir haben unseren Todesschein schon unsichtbar in der Tasche. Es fehlt nur noch das Datum drauf. Deshalb ist die Osternachricht so unglaublich: Jesus wird von Gott auferweckt. Der feste Ring des Todes ist durchbrochen. An einer Stelle ist der Kreis des Todes durchlöchert. Damit ist der Tod besiegt. Jesus hat ihn bezwungen.

 

Das erinnert mich an den 9. November 1989. Die Berliner Mauer wurde an einer einzigen Stelle durchlässig. Da gab’s kein Halten mehr. Die Bilder damals habe ich nicht vergessen: Freude pur. Glück auf allen Gesichtern. Und viele haben sich dabei ihrer Tränen nicht geschämt.

 

So ähnlich geht’s zu Ostern zu: Der Tod hat sein entscheidendes Loch bekommen. Einer ist am Ostermorgen durchgebrochen: Jesus. Und alle, die sich an Jesus hängen, die hinter ihm her leben, die gehen ins ewige Leben hinein. Deshalb singt Paul Gerhardt: „Er, Jesus, reißet durch den Tod, durch Welt, durch Sünd, durch Not, er reißet durch die Höll, ich bin stets sein Gesell.“

 

Ostern sagt nicht: Der Tod ist abgeschafft. Nein, wir müssen alle noch durch die Mauer des Todes hindurch. Und keiner weiß, wie das dann bei ihm zugehen wird. Aber der Tod ist keine Wand mehr, die uns von Gott und dem Leben trennt. „Jesus lebt, mit ihm auch ich! Tod, wo sind nun deine Schrecken? Er, er lebt und wird auch mich von den Toten auferwecken“, singt Christian Fürchtegott Gellert. Bei Jesus wird uns der Tod zum Türöffner in Gottes ewige Welt. Wir werden nicht ausgelöscht, sondern verwandelt.

 

Diese gewaltige  Botschaft muss uns eingetrichtert werden gegen alle Erfahrungen, die wir machen. Hier zeigt sich unsere Vernunft überfordert. Sie muss erst zu sich selber finden und wirklich „vernehmen“ - durch Engel, durch den Auferstandenen selber, der später seinen Jüngern begegnet, durch die Botschaft der Apostel, in der Predigt des Evangeliums durch die Jahrhunderte bis heute. Wir hören und feiern es in der christlichen Gemeinde: „Jesus lebt. Gott hat ihn auferweckt. Damit ist der Tod besiegt. Er spricht nicht mehr das letzte Wort für die, die sich an den auferstandenen Jesus halten.“

 

Deshalb können wir als Christen getrost nach vorn schauen. Unsere Hoffnung hat einen Namen: Jesus Christus. Und sie hat ein verbürgtes Urdatum: Ostern. Lasst uns die Osternachricht zu Herzen nehmen. Dann gewinnt jeder Tag neues Gewicht, weil wir wissen: Was auch kommt, wie mir das Leben noch spielt - ich werde erwartet. Vor mir liegt die Ewigkeit wie ein weites Land. Dank Jesus. Dank Ostern.

 

Aber noch sind unsere drei Frauen vor Schreck ganz platt. Doch der himmlische Bote bringt sie auf die Beine: „Geht aber hin und sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingehen wird nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat“.

 

Die Botschaft muss unter die Leute. Sie ist für die Jünger damals und für jeden Menschen heute die wichtigste Nachricht: Die grausige Macht, an der alles Leben zerschellt und die jeden Lebensfaden irgendwann abschneidet, hat ihre tödliche Kraft einge­büßt. Sie ist durchlöchert. Jesus ist auferstanden. Jesus ist Sieger.

 

Und das soll die Frauen auf ihrem Weg anspornen: „Dort werdet ihr Jesus sehen!“ Deshalb auf nach Galiläa, zurück zu den Anfängen. In Galiläa ist Jesus groß geworden. Dort hat er mit Predigen und Heilen begonnen. Nun schließt sich der Kreis: „Dort wird euch Jesus begegnen. Seid gespannt, was er mit euch noch vorhat!“

 

Der Blick der Frauen war zunächst rückwärts gewandt: zum Heiland, der schmählich am Kreuz gestorben ist. Dieser Blick war schmerzlich. Nun wird er um 180 Grad gedreht: Der himmlische Bote lenkt ihre Gedanken nach vorn: „Auf zu den Jüngern, auf nach Galiläa, auf zu Jesus, der auf euch wartet. Jesus ist nicht nur ein Mann von gestern, sondern erst recht von morgen und übermorgen. Rechnet mit ihm! Er ist da und treibt sein Werk weiter - so wie früher, aber zugleich ganz anders. Er will euch nach wie vor dabeihaben. Jesus geht vor euch her und erwartet euch.“

 

Und das ist alles seither so geblieben. Wer das Grab von Jesus sucht und dort einen verblichenen Religionsstifter verehren will, der wird weggeschickt. Die Osternachricht zielt aufs Leben. Sie macht munter. Und wohin wir auch kommen: Jesus geht vor uns her, ja er ist schon da: in jedem Land, das christliche Boten betreten; hinter jeder Klinke am Krankenzimmer, die wir niederdrücken. Jesus geht mit. Er ist schon vorher präsent, auch wenn wir uns unsicher fühlen und unser Herz bis zum Hals klopft: Seit Ostern gehen wir nicht allein.

 

Atemlos stürzten die Frauen davon: „Und sie gingen hinaus und flohen von dem Grab; denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas; denn sie fürchteten sich“. Keine Spur von Osterglauben, von Freude und Hoffnung. Das kommt erst später, nach und nach. Jetzt sind sie völlig überfordert und blockiert. Aber wir wissen: Am Ende sagen sie’s dennoch weiter. Doch das Zittern liegt noch in der Stimme.

 

Sie sind ja selber von dem überrascht und erschrocken, was sich zugetragen hat. Ihr stotterndes Zeugnis bleibt weit hinter dem zurück, was sie bezeugen sollen. Die Osternachricht ist allemal größer als unser Denken und Predigen. Wir kommen hier lebenslang aus dem Stammeln nicht raus. Jedes Wort, das wir wählen, ist zu gering, jeder Vergleich zu dürftig, um das auszudrücken, was sich Ostern zugetragen hat. Wir bleiben immer hinter dem zurück, was wir sagen möchten.

 

Was tut’s: Hauptsache, wir bringen die Botschaft unter die Leute. Heute feiert und jubelt die gesamte Christenheit rund um den Globus: Jesus ist auferstanden. Unser Heiland lebt!

 

Damals spielt sich alles bei Sonnenaufgang ab. Die Natur unterstreicht, was sich zugetragen hat: Hier bricht für die gesamte Welt und für jeden einzelnen Menschen ein neuer Tag an. Zwar gibt es noch Leiden und Sterben, und keiner von uns weiß, was da auf ihn noch zukommen wird. Aber auf das alles fällt das Licht des Ostertages. Wer sich zu Jesus hält, wird einmal erfahren: "Jesus lebt, nun ist der Tod mir der Eingang in das Leben." Dies zu wis­sen macht uns bereits heute zuversichtlich und froh. Wohl uns, wenn wir uns auf Jesus einlassen und uns fest an ihn binden. Amen.



Präses i.R. des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes Christoph Morgner
Garbsen
E-Mail: christoph.morgner@gmx.de

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