Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Quasimodogeniti, 12.04.2015

Fischzug des Petrus
Predigt zu Lukas 5:1-11, verfasst von Michael Bünker

Gnade sei mit euch…

 

Haben sie schon gewusst, dass wir in einer Monarchie leben? Nein, ich meine natürlich nicht unsere politische Heimat. Am 27. April, in wenigen Tagen werden wir daran denken, dass noch in den letzten Kriegstagen vor 70 Jahren unsere zweite Republik ausgerufen wurde. Österreich – so heißt es gleich zu Beginn der Bundesverfassung – ist eine demokratische Republik, ihr Recht geht vom Volk aus. Dafür sind wir dankbar und bejahen die Demokratie auch aus unserem Glauben.

Und dennoch haben wir eine Königin. Das ist die Heilige Schrift. Die Schrift allein soll Königin sein! So hat es Martin Luther, so haben es die Reformatoren formuliert und so ist es heute auch die Überzeugung in unseren Kirchen. Denn sie bezeugt uns Gottes Wort, das uns in Jesus Christus begegnet. Dieses Zeugnis der Schrift in der Predigt auszulegen und in den Sakramenten zu feiern, das macht die Kirche zur Kirche.

 

Im Evangelium vom Fischzug des Petrus, das wir eben gehört haben, wird uns dieses Geschehen in anschaulicher Weise geschildert. Und zwar in seine dreifachen Ausgestaltung und Richtung. Zuerst geht es um die Hörenden der Predigt; dann um den Prediger, den Verkündiger und schließlich um die überraschende, ja wundersame Wirkung des Wortes.

 

Dass Menschen zusammenlaufen um eine neue und interessante Botschaft zu hören, das war damals so und ist auch heute so. Die Menge drängte sich zu ihm, um zu hören, was dieser Prophet zu sagen hat. Sie stehen dicht gedrängt, zumindest – so können wir es uns vorstellen – in der Mitte, also in der Nähe des predigenden Jesus. Sie wollen hören. Menschen wollen hören. Was bekommen sie zu hören heute? Ist es die gute Nachricht? Sind es nicht oft ganz andere Botschaften, solche, von denen ihnen das Hören und Sehen vergehen kann? Aber bleiben wir dabei: Menschen – damals wie heute – wollen hören. Sich öffnen, aufnehmen, wahrnehmen. Sie stehen dabei auf festem Grund. Auf verlässlichem Boden. Es ist der Boden ihrer irdischen Existenz, ihres ganz normalen Menschenlebens, wie es nun einmal ist. Dein Leben, wie es ist und geworden ist und weiter sein wird, mein Leben, wie es ist und geworden ist und weiter sein wird. Es ist der Boden des Vertrauten, des Gewohnten. Dieser Boden gibt halt, lässt sicher stehen und sicher gehen. Niemand verliert gerne diesen Boden unter den Füßen. Wie sich die Predigt bei denen auswirkt, die da auf festem Boden stehen und hören, das wird uns nicht gesagt. Nehmen sie etwas mit von der Predigt? Oder geht es bei dem einen Ohr hinein und dem anderen wieder hinaus? Sind sie gebannt, gefesselt oder sind sie gelangweilt, sind sie verärgert oder amüsiert, sind sie ganz Ohr oder nur mit halbem Ohr dabei? Wir wissen es nicht, wir wissen es nicht von den Hörenden damals und nicht von den Hörenden heute. In einem Gleichnis erzählt Jesus, dass die Hörenden sein können wie felsiger Boden, wie Dornengestrüpp, und dass das Wort von ihnen genommen werden kann wie Vögel den Samen aufpicken. Aber es gibt immer welche, bei denen es auf fruchtbaren Boden fällt. Wo es bewirkt, wozu es ausgesandt und ausgesprochen ist: Den Glauben, das Vertrauen auf Gott, von dem das Wort der Predigt spricht. Für sie und in dieser Zuversicht muss immer gepredigt werden. Da gibt es keine Benchmarks des Erfolges, das Wort selbst wirkt und tut und macht, nicht der, der predigt.

 

Auf ihn richtet sich nun unser Blick: Jesus – so wird erzählt – tritt in ein Boot und spricht vom Boot aus zu denen, die am Ufer stehen, auf dem festen Grund ihres Lebens.

Der Prediger verlässt das sichere Ufer und den festen Grund und begibt sich auf schwankendes Terrain. Er setzt sich aus. Er tritt der hörenden Gemeinde gegenüber. Ist das notwendiger Weise so, dass der der predigt seien sicheren Grund, sein Vertrautes und Gewohntes hinter sich lassen muss? Aber wie sollte denn anders Gottes Wort zu Gehör kommen können, wenn wir nur ständig in uns selbst und um uns selbst kreisen? Da ist es doch logisch, dass dieses Kreisen durchbrochen werden muss. Stellvertretend für die hörende Gemeinde tut dies der Prediger oder die Predigerin. Wer immer dazu berufen ist und dafür die fachlichen und persönlichen Fähigkeiten besitzt. Wer predigt, hat keinen festen Grund unter den Füßen. Es kann sogar sein, dass ihm oder ihr der Boden weggezogen wird. Verlässlichkeiten und Gewissheiten in Frage geraten und durch die Begegnung und die Auseinandersetzung mit dem Zeugnis von Gottes Taten auch verändert, gewandelt werden.  Damit kann man bestimmt nicht rechnen, aber eingestellt sein darauf, das kann man. Nun ist damit nicht nur die Predigt im Gottesdienst gemeint, sondern jede Situation, in der wir Auskunft geben sollen was uns die Heilige Schrift, die alleinige Königin bedeutet. Jede Frage danach verlangt unsere Antwort und jede Antwort heißt, den sicheren Grund verlassen und sich selbst als Mensch auf schwankenden Boden begeben. Nur das Wort allein ist sicherer Grund, nicht meine Erfahrungen, meine Erkenntnisse, meine Fähigkeiten, meine Erfolge oder Misserfolge, meine Frömmigkeit oder Glaubensstärke.

 

Und schließlich richtet sich das Wort an einen ganz allein. An Petrus, der hier für uns alle steht und mit Namen genannt wird. Der Fischer, der so erfolglos ist, erhält einen völlig unverständlichen Auftrag. Die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen, die Existenz ungesichert, das tägliche Brot ungewisse, da hört er: Fahre hinaus wo es tief ist und wirf deine Netzt dort aus. Wo es tief ist! Dort, wo man mit Garantie nichts zu fangen erwarten kann. Und dann ist das Netz voll, übervoll. Mit einem solchen Fischzug kann die Existenz eine ganzerstaunliche neue Wendung nehmen. Im Burgenland am Neusiedlersee wird erzählt, dass leibeigene Bauern mit einem solchen übereichen Fischzug und dem Ertrag, den sie durch den Verkauf der Fische erhalten haben, Weinberge kaufen konnten und ihre Existenz auf eine ganz neue, viel verlässlichere Grundlage stellen konnten: Plötzlich waren sie besitzend und bald darauf auch wohlhabend. Aber wie anders geht es mit Petrus weiter! Plötzlich ist er zu einem solchen Erfolg gekommen aber er dient nicht dazu, dass er sich besser und verlässlicher einrichten könnte in seinem Leben. Im Gegenteil! Er erschrickt. Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch! Schlagartig wird ihm klar, dass er hier nicht nur irgendetwas gehört hat, sondern etwas Göttliches. Dass ihm Gott selbst in dem Wort Jesu aufgegangen ist, nahe gekommen ist. Im Wort der Schrift begegnet Gott selbst, spricht Gott selbst zu uns, wo und wann es ihm gefällt. Nicht automatisch, wir vertreten keinen Fundamentalismus, sondern als unverfügbares Geschenk des Heiligen Geistes. Genau den erschrockenen Sünder beruft Jesus in seinen Dienst: Nun soll er Menschenfischer werden. Ohne Netz und ohne Angel, nur mit dem Wort allein. Und: Er tut es! Wir haben alles verlassen. Alles – bei Matthäus heißt es noch: wir haben die Netze verlassen, bei Markus die Netze und die Boote und den alten Vater Zebedäus, aber hier bei Lukas wird es auf die Spitze getrieben: Alles! Wir haben alles verlassen.

 

So ist Gottes Wort. Wo es in ein Menschenherz fällt und Frucht bringt, dort bleibt nichts so wie es ist oder wie es war oder wie es halt weitergehen wird. Der Mensch wird neu, wie neu geboren, wie neu geschaffen. Denn Gottes Wort ist das Schöpferwort vom Anfang an, das Wort, das sprach Es werde Licht“, das Wort, das am Anfang da war und das bei Gott war und durch das alles geschaffen wurde. Dieses Wort hat Petrus vernommen, dieses Wort hat Petrus eingenommen, dieses Wort hat aus einem Fischer Simon den Apostel Petrus gemacht. Was es wohl aus uns machen wird?



Bischof Michael Bünker
Wien
E-Mail: bischof@evang.at

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