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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Kantate, 03.05.2015

Predigt zu Matthäus 11:25-30, verfasst von Winfried Klotz

25 a Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart. b a) (25-27) Jes 29,14; Lk 10,21-22; Joh 17,25; b) 1. Kor 1,18-29

26 Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen.

27 a Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. Kap 28,18; Joh 3,35; 17,2; Phil 2,9

28 Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Kap 12,20; 23,4; Jer 31,25

29 Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr a Ruhe finden für eure Seelen. a) Jes 28,12; Jer 6,16

30 Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht. Lk 11,46; 1. Joh 5,3

Liebe Gemeinde!

Zuerst: Jesus preist den Vater über einem Misserfolg. Denn muss man sein Scheitern bei den Weisen und Klugen nicht einen Misserfolg nennen? Die haben gesellschaftlich das Sagen, an denen orientiert man sich, die bestimmen die Regeln. Wer bei ihnen ankommt, kann die Gesellschaft beeinflussen und verändern.

Jesus preist Gott über seinem Scheitern bei den Weisen und Klugen.

"Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast." Jesus hat diese Leute nicht fürs Reich Gottes gewonnen, das mit ihm kommt. Auch sie haben die Zeichen des Reiches Gottes gesehen, aber an Jesus Anstoß genommen. Sie haben gesehen:

"Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden geheilt, Taube hören, Tote werden auferweckt, und den Armen wird ´Gottes` gute Botschaft verkündet." Mt 11, 5

Aber sie haben sich gestoßen am Kommen Gottes in diese Welt in Jesus, Jesus ist ihnen ein Ärgernis. Menschlich betrachtet ein Scheitern für Jesus, aber er weiß, so ist es Gottes Weg. Denn das Evangelium vom Reich Gottes ist ja nicht ohne Frucht geblieben.

"Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart."

Wer sind die Unmündigen im Gegenüber zu den Gelehrten?

Die Gelehrten bestimmen die Regeln, die Gelehrten kennen und führen die Diskussion, was, wann, wie zu machen ist. Genau das ist das Problem der Unmündigen, der Unwissenden, der Armen, wobei arm nicht zuerst den materiellen Besitz meint; die Armen kennen die Regeln nicht oder können sie nicht einhalten. Sie stöhnen unter der Last der Gebote, die ihnen die Weisen und Klugen, die Theologen auflegen.

Jesus preist Gott darüber, dass er dies, nämlich das Kommen des Reiches Gottes, den Unmündigen offenbart hat.

Was steckt noch hinter dem dies?

In Matthäus Kap. 11, 5b heißt es: Und Armen wird das Evangelium verkündigt. Die Unwissenden, Armen hören die gute Nachricht vom Kommen des Reiches Gottes durch Jesus, sie sehen die Zeichen des Reiches, die Jesus tut, und sie erkennen ihn als den Sohn, den der Vater gesandt hat. Das Kommen des Reiches Gottes im Sohn, das hat ihnen der Vater offenbart, das haben sie angenommen. Sie folgen Jesus in kindlichem Vertrauen, die Gelehrten verachten ihn. Dieses Geschehen spiegelt sich auch in Joh. 7, 48-49. Da fragen die Pharisäer:

"Glaubt denn einer von den Oberen oder Pharisäern an ihn? Nur das Volk tut's, das nichts vom Gesetz weiß; verflucht ist es."

Ich muss dieses kindliche Vertrauen genauer beschreiben. Bei der Segnung der Kinder sagt Jesus nach Markus 10:

"Ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht wie ein Kind annimmt, wird nicht hineinkommen." Mk 10, 15

Wie ein Kind annehmen, also ohne Vorbehalt, ohne Forderung, aber auch ohne Gegenleistung, als reines Geschenk, als Gnade. Der immer kritisch prüfende Verstand tritt zurück, die Erfahrung des Guten, das Gott durch Jesus schenkt, erfüllt mit großer Freude und führt zu lautem Jubel. Das Reich Gottes annehmen wie ein Kind, meint auch, Überheblichkeit und Gut sein wollen aus eigener Kraft ablegen, um Gottes Gnade zu empfangen.

Jesus preist den Vater über einem Misserfolg, so habe ich gesagt. Was würden wir sagen, wenn alle gebildeten, gut bürgerlichen Menschen unsere Gottesdienste mieden und nur ein paar sehr einfache, gesellschaftlich randständige kämen? Tun wir als Kirche nicht ganz viel dafür, dass wir das bildungsbürgerliche Milieu erreichen, während die Randständigen kommen können oder auch nicht? Orientieren wir uns als Kirche nicht daran, dass unser Tun Anerkennung findet bei denen, die etwas zu sagen haben? Haben wir nicht den Anspruch als Volkskirche möglichst alle Milieus, vor allem aber das bildungsbürgerliche, zu erreichen und versuchen, unseren Dienst so zu gestalten, dass alle irgendwie zufrieden sind? Sehen wir es nicht als Versagen, als Scheitern, wenn bestimmte Gruppen scheinbar unerreichbar sind?

Komisch: Jesus preist den Vater darüber, dass er nur eine bestimmte Gruppe erreicht, nämlich Unmündigen, Unwissenden, während die Weisen und Klugen, die, die etwas sind in der Gesellschaft, sich an Jesus ärgern.

Paulus äußert sich ähnlich wie Jesus im 1.Korintherbrief, Kapitel 1: "Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir gerettet werden, ist's eine Gotteskraft. 19 Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14): »Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.« 20 Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?"

Gott hat in Jesus die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht. Das heißt für uns: Verzichten wir darauf, durch Weltklugheit die Gemeinde Jesu bzw. das Reich Gottes voranbringen zu wollen. Es bleibt uns nur der Weg Jesus, der Weg des Vertrauens, des Gehorsams, der Geduld und manchmal auch des Scheiterns.

Um was geht es bei Jesus? Was ist sein Weg?

Jesus sagt: "Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will."

Es geht bei Jesus nicht um Religion, also darum, dass wir Menschen uns rückbinden an etwas Höheres, sondern um die rettende Gegenwart Gottes in seinem Sohn. Die ist verborgen, wird aber offenbart durch den Sohn. ER kennt den Vater und der Vater kennt ihn, Vater und Sohn stehen in inniger Verbindung. Jesus als Sohn ist über das Haus Gottes gesetzt. Deshalb lädt er ein zum Aufatmen, Lasten ablegen, zum Empfangen der Fülle, die nur Gott in unser Leben legen kann. Jesus öffnet die Tür zur Gemeinschaft mit Gott, er allein. Eine ärgerliche Exklusivität für den, der einen eigenen Weg zu Gott behauptet; große Freude für all die, die durch Jesus in die Gemeinschaft mit Gott hineingegangen sind.

Noch einmal: Um was geht es bei Jesus?

Bei Jesus geht es um die enge Tür zu Gott, die doch weit offen ist für alle, die durch IHN hineingehen möchten. ER, Jesus selbst, ist diese Tür zu Gott. Bei ihm können wir Lasten ablegen; welche Lasten? Die Last Gott und Menschen nicht genügen zu können. Die Last des bösen Gewissens. Die Last des Scheiterns in der Beziehung zu anderen Menschen. Ja, es geht noch um mehr: Es geht darum, die Last des "ich habe mir nichts vorzuwerfen" abzulegen. Jesus will Retter sein für die dunkle Seite meines Lebens, aber auch für die helle! Denn mit ihm kommt doch ein ganz Neues, mit ihm kommt Gottes Reich in unsere Welt. Mit ihm kommt der offene Himmel, Gottes Gegenwart zu uns Menschen.

Wie kommt all das zu uns?

Jesus sagt: "Nehmt auf Euch mein Joch!"

Auf dem Land wissen wir noch, was ein Joch ist. Damit werden Pferde oder früher auch Kühe vor einen Wagen gespannt. Lasst Euch fest mit mir verbinden, sagt Jesus also, zieht mit mir am Wagen des Reiches Gottes, folgt mir als Freunde und Schüler, lernt von mir, lasst Euch erziehen! In der Gemeinschaft mit mir habt ihr Frieden. In der Gemeinschaft mit mir seid Ihr sanftmütig und demütig. Jesu Joch ist leicht.

Leben wir in der Gemeinschaft mit Jesus? Wenn ich das Evangelium recht verstehe, dann ist es nicht nur eine Gnadenbotschaft, sondern ein lauter Ruf zur Gnade, die wir aus der Verbindung mit Jesus, dem Sohn empfangen. Wir sollen nicht über Gnade nachdenken, theologisieren, sondern Gnade empfangen. Wer braucht schon Gnade? Prüfen wir unser Herz, ob wir Gottes Gnade empfangen haben, die uns neu und rein macht, oder es bei uns aussieht wie in einer Rumpelkammer, viel Chaos, Durcheinander, Dunkelheit statt Licht und Frieden.

„Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“ sagt Jesus.

Wenn wir uns als Christen, Gemeinde, Kirche mit Jesus im Joch gehen, dann wird es uns nicht fehlen an Gnade und Frieden, den Grundbestandteilen des neuen Lebens aus Gott. Bei Jesus erdrücken uns Regeln und Gesetze nicht, die Gnade Gottes richtet uns auf, ER geht uns doch voran und trägt uns in der Verbindung mit IHM.

Dieses Vertrauen auf den, der uns trägt, ist unendlich wichtig für uns alle, aber auch für den Weg von Kirche und Gemeinde in die Zukunft. Wieviel Zeit, Kraft und Geld wird in die Fragen um eine zukunftsfähige Struktur der Kirche investiert! Das ist nicht alles verkehrt. Aber ich höre nichts davon, dass der immer wieder so genannte Herr der Kirche gefragt würde: Jesus, wir kennen den Weg in die Zukunft nicht; was ist DEIN Weg? Die verantwortlichen Gremien produzieren ständig neue Verordnungen und Gesetze, wir verhalten uns da wie ein Staatswesen, das obrigkeitliche Kirchenregiment haben wir nicht wirklich abgelegt, aber in welchen unserer Planungen und Entscheidungen wird deutlich, dass wir mit ganzem Vertrauen im Joch unseres Herrn gehen? Dass die irdischen Fragen von Geld und Gut, von gesellschaftlichem Einfluss und Anerkennung nur den zweiten Platz belegen bei kirchlichen Entscheidungen, dass wir loslassen können in der Gewissheit, wir werden gehalten und getragen von Jesus Christus? Den Mut dazu werden wir nur finden, wenn wir all den Zusagen trauen, die Jesus in Bezug aufs Gebet macht und beten, beten, beten. Lasst uns von Jesus her, dem Sohn, dem Zentrum des Glaubens, leben und denken. Amen.



Pfarrer Winfried Klotz
Bad König/Odenwald
E-Mail: wkl-bad.koenig@t-online.de

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