Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Himmelfahrt, 14.05.2015

Große Freude trotz Abschied
Predigt zu Lukas 24:(44-49) 50-53, verfasst von Andreas Schwarz

Jesus sprach aber zu seinen Jüngern: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen.

Da öffnete er ihnen das Verständnis, sodass sie die Schrift verstanden,und sprach zu ihnen: So steht's geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage;und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalemund seid dafür Zeugen.

Und siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.

Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie.

Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.

Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.

 

Von Christus gesegnete Gemeinde;

Ist das nicht wirklich erstaunlich?

Lukas erzählt trocken und nüchtern mit wenigen Worten, wie die Jünger sich von Jesus verabschieden müssen.

Sie kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude.

Wie soll das einer verstehen?

Wie passen Abschied und Freude zusammen?

Menschen weinen, wenn sie Abschied nehmen müssen. Schau dir die Gesichter an wenn bei den Beerdigungen die letzten Worte gesprochen sind und die Angehörigen nacheinander zum offenen Grab gehen.

Auch den coolsten Menschen kommen da schon mal die Tränen.

Abschiede tun weh,

Angehörige oder Freunde gehen auf eine längere Reise.

Wir bleiben zuhause und vermissen sie täglich.

Abschiede machen traurig, wenn sie einen Schnitt im Leben von Schule, Beruf, Karriere bedeuten.

Da hat man aber immerhin die Aussicht, es kann noch mal etwas Neues anfangen; es geht ja weiter, irgendwie. Außerdem haben wir die Erwartung, die Reisenden kommen wieder.

Nur, wenn’s ein Abschied auf immer ist, kommen wir mit solchen Hoffnungen und Erwartungen nicht weiter.

Da gilt es, dem Abschied ehrlich ins Auge zu schauen.

Das tut weh – keine Frage.

Sie kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude.

Bei endgültigen Abschieden neigen Menschen zunehmend dazu, der Härte die Aussichtslosigkeit zu nehmen.

„Innerlich bleiben wir verbunden’; ‚in unseren Gedanken lebst du weiter’; ‚in unseren Erinnerungen bist du bei uns’; ‚in deinen Kindern lebst du weiter’.

 

Trauer, Tränen, Ausflucht – das alles betreiben Menschen, wenn sie sich verabschieden müssen.

Aber die Jünger kehren zurück nach Jerusalem mit großer Freude.

Da muss etwas anders sein, als sonst – sie trauern nicht, sie weinen nicht und trotzdem entziehen sie sich der Geschichte nicht.

 

Jesus sich verabschiedet sichtbar.

Er selbst hat das Geschehen in der Hand.

Das ist bei Abschieden ja nicht selbstverständlich.

Er setzt den Anfang

Er führt seine Jünger hinaus bis nach Betanien.

Hier passiert nicht etwas mit Jesus,

ohne dass er es beeinflussen könnte.

Oder also wollte er etwas ganz anderes.

Er bestimmt Ort und Zeit.

Auch seines Abschieds.

Der gehört zu seinem Leben dazu,

genau wie seine Reden, die er gehalten hat,

wie seine Taten, die getan hat,

wie sein Leiden und Sterben

und wie auch seine Auferstehung.

Alles liegt in der Spur dessen,

was Gott seinen Menschen zeigt und schenkt.

Der Abschied Jesu fällt aus diesem Rahmen nicht heraus.

Der Abschied am Himmelfahrtsfest ist ein Teil dessen, was Gott tut, damit Menschen glauben und ewig leben können.

Ohne Himmelfahrt ist Glaube an Jesus Christus im umfassenden Sinn nicht möglich.

Das ist schwer zu verstehen, für die Jünger erst Recht.

Für die wäre es ja das Schönste, sie könnten da weiter machen, wo sie vor Gründonnerstag aufgehört haben.

Bei einem gemeinsamen Leben mit ihrem Herrn und Meister. Mit ihm gehen, ihm zuhören, ihm zuschauen, sich einfach auf ihn verlassen. Er hat sie geführt, äußerlich und innerlich und es hat ihnen gut getan.                              So könnte es weiter gehen.

Geht es aber nicht.

Er führt sie.

Wie er sie vorher geführt hatte – und das haben sie auch nicht immer gleich verstanden; schon gar nicht, als es ans Kreuz ging. Das wollten sie überhaupt nicht verstehen.

Jetzt führt er sie auf den Berg des Abschieds. Denn ein Abschnitt des Lebens ist zuende für sie. Die sichtbar gemeinsame Zeit mit ihm ist vorbei, definitiv und endgültig. Er wird sich ihnen entziehen.

Etwas Neues fängt an, das ganz anders ist als vorher.

Waren sie bis dahin nur Nachfolger – fast möchte man sagen: Beobachter – dann sind sie ab sofort: Zeugen.

Alles, was sie gesehen und gehört, was sie aufgenommen haben und glauben, das bleibt jetzt nicht nur in ihnen drin – da bleibt es hoffentlich auch – es geht auch nach draußen. Ein Zeuge ist man nur, wenn man bezeugt.

Wer hört und sieht und für sich behält, ist kein Zeuge.

Sie aber sind Zeugen; sie werden nichts von dem für sich behalten, was ihnen für ihr Leben wichtig geworden ist.

Damit sind sie deutlich aufgewertet, sie sind wichtiger geworden, sie haben Teil an dem Großen, das Gott auf dieser Erde geschehen lässt.

Das ist für die Jünger schon eine gewaltige Sache. Zunächst haben sie ja denken müssen, es passiert nur das, was sie gerade mit Jesus Christus erleben.

Es ist beschränkt auf diese Momente und Begegnungen. Wenn er aufhört so zu wirken, dann ist seine ganze Sache zuende. Mit dem Tod am Kreuz war das im Grunde besiegelt. Es war toll, aber es ist vorbei.

 

Ostern zeigt ihnen: nichts ist zuende.

Es musste so gehen und jetzt geht es erst richtig los.

Aber anders als vielleicht erwartet: eben nicht einfach als Fortsetzung dessen, was vorher war.

Das hätte uns auch nichts genutzt. Denn wenn Jesus so weiter gewirkt hätte wie vor Karfreitag, wäre es nie bei uns angekommen. Es sollte aber weitergehen – zeitlich und räumlich. Das Evangelium sollte alle Menschen erreichen, an jedem Ort dieser Erde zu jeder Zeit, die noch kommt. Jerusalem ist ja erst der Anfang. Aber durch diesen Anfang ist es schließlich auch hier bei uns in Pforzheim gelandet.

Ohne Himmelfahrt gibt es kein Evangelium bei uns.

Jesus musste sichtbar aus Jerusalem, aus Palästina verschwinden, damit er nun überall sein kann.

Himmelfahrt öffnet den Himmel.

Nicht bloß für Jesus Christus, der nun durch ist – sondern nach ihm für alle, die an ihm dranhängen, an ihn glauben.

Er führt – nach Betanien die Jünger;

— in den Himmel, auch die Jünger,

aber eben nicht mehr nur die, sondern uns auch.

Er entzieht sich unseren Blicken.

Aber er bleibt da, bleibt wirksam in seinem Segen.

 

Er segnet die, die ihn brauchen, die mit ihm leben wollen, die ohne ihn nicht leben können.

Er geht – aber sein Segen bleibt.

Nicht nur für ein paar Stunden oder Tage, sondern immer. Immer wieder wird er zugesagt und zugesprochen.

Am Ende jedes Gottesdienstes, wenn der Pfarrer auch seine Hände aufhebt, dann hörst du für dich, dass du nicht allein aus dieser Kirche raus gehst.

Er, der Herr selbst geht mit.

Du siehst ihn nicht, aber doch ist er da,

in deinem Leben und begleitet es.

Du hörst es als Konfirmand, wenn du hier kniest, dir die Hände aufgelegt werden und du gesegnet wirst.

Du gehst aus dem Unterricht, verantwortest dein Glaubensleben selbst, aber bleibst damit nicht allein.

Der Herr geht mit, auch wenn du ihn nicht siehst.

Wer zu kirchlichen Trauung hier her kommt, empfängt den Segen. Das gemeinsame Leben wird und bleibt spannend und unberechenbar. Aber er geht mit und begleitet Menschen in guten und in schweren Zeiten.

Mit seinem Segen bleibt er unsichtbar aber ansprechbar.

Auf den Segen darfst du dich berufen, darfst ihn erinnern, wenn du deutlich spürst, dass du ihn brauchst, aber nicht merkst, dass er da ist und hilft.

So ging es den Jüngern in der Zeit, die nach Himmelfahrt kam. Das war spannend und unberechenbar. Sie trugen richtig Verantwortung, waren im Grunde völlig überfordert. Sie konnten das gar nicht leisten, was zu tun war.

Aber es hat sich erwiesen, dass sie nicht allein waren.

Der Segen hat sich gezeigt:

Jesus Christus ist da, auch wenn wir ihn nicht sehen.

 

Und damit haben die Jünger das Entscheidende für christliche Gemeinde verstanden und gelebt: sie haben den Segen ihres Herrn empfangen und erlebt, dass er trägt; sie haben sich regelmäßig im Haus des Herrn versammelt, um zu beten – um also mit ihm im Gespräch zu bleiben – und sie haben Lob- und Danklieder gesungen.

Sicher war es ein Abschied – aber anders als sonst: er blieb ihnen ja nahe. Und jetzt noch viel hilfreicher als vorher, denn er war ihnen jetzt auch dann nahe, wenn sie ihn nicht sahen oder hörten.

Darum konnten sie sich freuen und haben sie sich gefreut. Ihnen – und allen Menschen, die ihm glauben, ist er nahe. Das ist ein Grund zur Freude.

Im Tempel – und dann auch draußen in unserem täglichen Leben. Er ist da. Und wir sind hier, beten und singen Loblieder. Amen.



Pfarrer Andreas Schwarz
Pforzheim
E-Mail: p.andreas.schwarz@gmail.com

(zurück zum Seitenanfang)