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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Pfingstmontag, 25.05.2015

Predigt zu Matthäus 16:13-19, verfasst von Andreas Pawlas

Jesus kam in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei? Sie sprachen: Einige sagen, du seiest Johannes der Täufer, andere, du seiest Elia, wieder andere, du seiest Jeremia oder einer der Propheten. Er fragte sie: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn! Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.

 

Liebe Gemeinde!

 

Dieses pfingstliche Predigtwort ist doch wirklich verblüffend! Denn da geht es zu Pfingstfest um das Wirken des Heiligen Geistes und damit um die Öffnung des Himmels für uns, um dann alles Begeisternde und Wunderbare zu empfangen, und da wird uns hier dieser so nüchtern klingenden Wortwechsel zwischen Jesus und Petrus in die Mitte unseres Gottesdienstes gestellt, das dann in dem allbekannten Petrusbekenntnis endet. Ich kann mir vorstellen, dass das für manchen, der lebendig erfüllt mit freudigen Erwartungen in diesen Gottesdienst gekommen ist, sogar irgendwie enttäuschend ist.

 

Außerdem kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie dieses Predigtwort etwa in die Feier eines Pfingstgottesdienstes in Afrika gehören sollte. Denn wenn dort und überhaupt weltweit das Wirken des Heiligen Geistes und damit der Geburtstag der Kirche aufgrund des altbekannten Berichtes von der übersprühenden Ausgießung des Heiligen Geistes von Milliarden Christen bejubelt und gefeiert wird, dann kann das doch einfach nur durch mitreißenden Gesang mit Tanz und Trommeln, mit Rufen des Entzückens und mit Lachen und Weinen geschehen! Und bitte: Wo sollte da eine für uns so nüchtern klingende Mitteilung wie dieses Petrus-Wort ihren Ort haben?

 

Oder hat hier etwa nur ein Norddeutscher für Norddeutsche einen pfingstlichen Predigttext verordnet, im Bewusstsein, dass Norddeutsche generell wenig mit übersprühender Begeisterung anfangen können, weil sie sehr verhalten oder, wie manche auch sagen, etwas „dröge“ sind? Allerdings gibt es auch Leute, die meinen, dass wir Mitteleuropäer generell mehr nüchtern und mehr verstandesbetont seien.

 

Allerdings, wenn wir hier mehr von unserem Verstand erwarten dürften, dann müsste man hierzulande doch eigentlich auch besser verstehen. Und das müsste doch jetzt gerade im Blick auf Pfingsten gelten! Aber was würde wohl dabei herauskommen, wenn wir so überprüfen wollten, was man nun hier in unseren Dörfern von Pfingsten versteht? Gehen wird doch einmal gleich nach dem Gottesdienst auf die Straßen und Felder und fragen die Menschen zunächst einmal: „Welches Fest feiern wir heute?“ Gut, ich will jetzt nicht zu pessimistisch sein. Vielleicht würde dann sogar auch der eine oder andere antworten, dass wir Pfingsten feiern. Aber wenn ich dann weiter fragen würde, worum es denn bei diesen Fest geht, was wäre wohl dann? Vermutlich käme dann ein Schulterzucken. Und wenn ich dann weiter etwas davon bezeugen würde, dass es Pfingsten doch um die Ausgießung des Heiligen Geistes geht und damit um die Kirche, ja, dass man Pfingsten deshalb den Geburtstag der Kirche feiert mit Geist und Begeisterung, meinen Sie, dass ich dann eine bessere Antwort bekommen würde, als vielleicht ein zweites Schulterzucken?

 

Aber nun gibt es kluge Leute, die denken, dass sie für alle Reserviertheit gegenüber pfingstlicher Begeisterung hier in unserem Lande eine Erklärung haben. Denn sie weisen darauf hin, dass offenbar selbst 70 Jahre nach Kriegsende der Missbrauch von Geist und Begeisterung im III. Reich noch immer seine Nachwirkungen hat. Dabei war damals sicherlich manchem gegenwärtig, wie sehr man früher ganze Zeitalter lang - und nach dem Reich des Vaters und des Sohnes - intensiv aus das III. Reich hoffte, eben auf das Reich des Geistes, ein Motiv, dass sich offenbar die Nationalsozialisten raffiniert zu Nutze machen konnten. Dieser Missbrauch sei also der Grund dafür, warum hier in Mitteleuropa alles so schwierig bleibt mit Geist und Begeisterung – es sei denn auf dem Fußballplatz. Allerdings wird dabei doch jeder ernsthafte Fußballfan eins einräumen: So spannend und gesundheitsfördernd der Sport auf dem Fußballplatz auch sein kann und so sehr man seine Mannschaft auch anfeuern und begeistern will, wie sollte der Geist auf dem Fußballplatz uns grundsätzlich helfen können, unser ganz persönliches Leben zu leben, gerade auch mit den Fragen und Krisen, dem Leben und Sterben, das zu unserem Leben gehört?

 

Natürlich wissen wir, wie viele Einrichtungen, Vereinigungen oder Firmen es gibt, die sagen: Schließ dich uns an, dann hast du alles, was du für dein Leben brauchst. Tritt in diesen Verein ein, kaufe dies und das, und buche vor allem die richtige Urlaubsreise, dann geht es dir gut, dann hast du das Ticket zum Paradies, zum Urlaubsparadies. Perfekt!

 

Aber wer wüsste nicht genau, dass uns viele damit nur das Geld aus der Tasche ziehen wollen, um ein gutes Geschäft auf unser Kosten zu machen. Im Reisebüro oder bei der Internetbuchung des Urlaubs bekommen wir eben keineswegs das Ticket zu dem Paradies, das als Ausdruck für das Reich Gottes verstanden werden soll, als Ausdruck für alle Bewährung und Vollendung alles Guten.

 

Aber wo finden wir denn Zugang zu der Bewährung und Vollendung alles Guten? Was ist es denn, was uns felsenfest dorthin trägt, und was uns gleichzeitig Lebensmut und frohen Geist gibt?

 

Es ist ganz merkwürdig, wie wenig das, was man sich hier üblicherweise gern einredet, letztlich belastbar ist. Jeder, der schon einmal durch tiefes Leid gegangen ist, jeder, den schon einmal eine schwere Schuld beinahe um den Verstand gebracht hat, weiß, wie vieles, was einen in guten Zeiten einmal hilfreich überzeugt hatte, in der Bitterkeit und Ausweglosigkeit von Schuld und Leid und ebenso in der dunklen Leere der Traurigkeit zerplatzt wie Seifenblasen. Und übrig bleibt eine Betäubung, die aber nur eine Vorstufe ist für das weitere Hineinrutschen in den Abgrund.

 

Und vor diesem dunklen Hintergrund, vor diesem Hintergrund schlimm erlittener Lebenserfahrung, ist nun das, was uns hier im Bekenntnis des Hl. Petrus entgegentritt, wirklich etwas ganz Sensationelles, ja sogar Begeisterndes: Denn was dieser Petrus hier stellvertretend für die ganze Christenheit bekennt: „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ also Du, Jesus, Du bist die Erlösung für unser Leben, Du erfüllst und vollendest unser Leben in Gottes Namen, das hat er sich nicht selbst ausgedacht. Und Jesus Christus sagt das so: „Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart!“ Nein, das ist kein menschliches Bekenntnis! „sondern“ so sagt Christus weiter: „mein Vater im Himmel“ hat dir das offenbart! Das ist also eine Offenbarung Gottes! Aber eben nicht in direkten Worten, denn Gott direkt zu hören und zu sehen ist uns ja als Menschen verschlossen, sondern durch die Wirkung seines Geistes, des Heiligen Geistes darf er das begreifen und aussprechen!

 

Hier im Bekenntnis des Hl. Petrus tritt uns völlig überraschend entgegen, dass uns den Ausweg aus aller schwarzen Ausweglosigkeit, den Ausweg hin auf Christus, allein der Heilige Geist weisen will, dessen Wirken unter uns wir heute feiern. Das ist wirklich das Unbegreifliche, Erfüllende, Begeisternde, dass es der Heilige Geist sein will, der uns dann lenkt, wenn uns Gedanken und Sinne versagen, wenn all` das verpufft ist, was uns einst selbstbewusst aufrichtete.

 

Und das zu erfahren, zu begreifen oder auch einfach nur nachzustammeln, das muss nicht immer in ekstatischen Tänzen oder in verzückten Ausrufen geschehen, wie in weltweiten Christengemeinden. Bestimmt kann das auch ganz still in uns geschehen, aber am Ende doch mit großer Freude.

 

Aber damit ist diese Gottesbegegnung noch nicht zu Ende! Denn wenn wir dann so mit unserem ganzen Leben Christus als den Sohn des lebendigen Gottes bekennen können, dann wird dieser Christus im Namen Gottes auch bekennen: „Selig bist du, ja, Du und Du. Du bist Petrus, der Christusbekenner. Und Du gehörst mit zu den Nachfolgern des Petrus, dieses Felsens, auf dem ich meine Kirche baue. Auf diesem Felsen stehst Du, und Du bist selbst ein Felsen, auf dem ich meine Kirche weiterbaue“. -

 

Wer würde jetzt nicht zusammenzucken oder einen Schrecken bekommen und sagen: Nein, so kann dieses Gotteswort aus dem Matthäusevangelium zu diesem Pfingsttag gar nicht gemeint sein! Ich doch nicht! Auf mich und meinen unsicheren Glauben kann man sich doch gar nicht verlassen. Darauf kann man doch niemals für diese und kommende Generationen Kirche bauen!

 

Aber keine Bange! So soll das ja auch nicht sein. Denn die Kirche Jesu Christi ist nicht gebaut auf unser strahlendes Selbstbewusstsein, auf unsere überragenden Fähigkeiten, sondern allein und gerade darauf, dass wir in unserer Hilflosigkeit, in unserer Trauer und unseren Schmerzen alle Kraft in Christus von Gott erwarten.

 

Übrigens diese Erwartung, die lässt sich dann in unserem Leben nicht verstecken. Die Kinder bemerken das an uns Eltern. Die Eltern bemerken das an uns Kindern. Lehrer und Schüler bemerken das voneinander. Kollegen, Freunde, Verwandte und Nachbarn, sie alle spüren ganz deutlich, ob man von dieser Erwartung und demütiger Hoffnung lebt oder nicht. Und so demütig und unscheinbar dieses von-Gott-alles-erwarten auch ist, das ist der Schlüssel zum Himmelreich darin wird uns der Himmel aufgetan und bewegen uns himmlische Kräfte. Und in dieser Hoffnung ist das, was auf Erden gebunden und verbunden auch im Himmelreich gebunden und verbunden, und was auf Erden gelöst, befreit oder verdorben ist, auch im Himmelreich gelöst, befreit oder verdorben. Dieses demütige und unscheinbare von-Gott-alles-erwarten, dieses sich-öffnen unseres Geistes, das ist so das Einfalltor für alle Kraft aus der Höhe, die nicht nur stärkt, tröstet, heilt und Leben mit Ewigkeitswert schenkt, sondern die auch begeistert, mit Freude durchpulst und mit Liebe erfüllt.

 

Natürlich kann jeder verstehen, dass man in manchen Teilen unsere Erde, zu solcher Erkenntnis einfach tanzen oder rufen, hüpfen oder klatschen muss. Da muss man sich einfach begeistert in die Arme fallen oder Purzelbaum schlagen. Aber von dem allen ist jedenfalls in unserem Pfingstbericht aus der Apostelgeschichte nicht die Rede. Aber von Erschrecken und Begeisterung, davon ist die Rede, wenn Gottes guter Geist mit einem Mal seine gewaltige Wirkung unter uns Menschen entfaltet, wie Gottes guter Geist tröstet und heilt, Menschen ermutigt und befreit und dann in seiner Kirche zusammenführt. Dieses Wunder kann die Christenheit nur immer wieder staunend, begeistert und froh miteinander feiern. und dabei immer wieder neu erbitten, dass dieses Wunder hier mitten unter uns geschieht! Komm Heiliger Geist! Ja, Du kommst Heiliger Geist! Gott sei Dank! Amen.



Pastor i. R. Dr. Andreas Pawlas
Klein Offenseth-Sparrieshoop , Deutschland
E-Mail: Andreas.Pawlas@web.de

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