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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Pfingstmontag, 25.05.2015

Der Fluch des Rumpelstilzchens und das Bekenntnis zu Jesus Christus
Predigt zu Matthäus 16:13-19, verfasst von Michael Bünker

Liebe Gemeinde,

„das hat dir der Teufel gesagt!“, schreit das Rumpelstilzchen, als die Müllerstochter, die eine Prinzessin geworden war, seinen Namen nennt. Das Rumpelstilzchen kann aus allem Gold machen und verspricht Wohlstand und Reichtum ohne Ende, aber es verlangte dafür das Leben des Kindes, die Zukunft der Menschen. Ein grausamer Handel. Niemand kann diesen Teufelskreis durchbrechen, solange der Name des Rumpelstilzchens unbekannt bleibt, solange niemand weiß, wer das ist.

Dieses Märchen fällt mir ein, wenn ich höre, wie Jesus zu Petrus sagt: Das hat dir der Himmel gesagt! Dass ich der Christus bin, der Sohn des lebendigen Gottes. Der Erlöser und Befreier, der die Menschen aufrichtet, der ihnen nicht Gold verspricht und dafür das Leben der Kinder fordert, sondern der die Kinder in die Mitte stellt und den Menschen Brot gibt, damit alle genug zum Leben haben. Darauf lässt sich die Kirche bauen, die bestehen soll und bestehen wird, die allen teuflischen Kräften standhält.

Petrus sagt nicht einfach seine Meinung. Es waren nicht „Fleisch und Blut“, die ihm das gesagt haben, wer dieser Jesus ist. Das ist ihm eingegeben worden. Von sich aus wäre er nicht draufgekommen, er hat sich das nicht einfach ausgedacht. Petrus steht hier für uns alle, für jeden und jede, die diesem Jesus nachfolgen und seinen Weg zu den Menschen mitgehen. Mit keinem Wort wird uns irgendein Hinweis gegeben, warum ausgerechnet ihm dieses Bekenntnis eingegeben wurde und nicht einem anderen der Jünger. Freilich war Petrus eine besondere Gestalt: Er war der erste, den Jesus in die Nachfolge ruft, er war bei den Ersten, denen der Auferstandene erschienen ist, zweimal wirft er sich ins Wasser um zu Jesus zu kommen, obwohl er nicht schwimmen konnte, er ist es, der die Pfingstpredigt hält und das Evangelium verbreitet von Jerusalem bis nach Rom. Zugleich ist er der, der Jesus dreimal verleugnet hat. Jesus bezeichnet ihn sogar einmal als „Satan“, als ihn Petrus von seinem gottbestimmten Weg abbringen will. Ein leidenschaftlicher Mensch, ein hingebungsvoller Jünger, ein Mensch mit großen Stärken und mit großen Schwächen. Petrus – das sind wir alle. Fleisch und Blut sagen uns nicht, wer dieser Jesus ist. Was er für uns heute bedeutet. Was ihn unterscheidet von allen möglichen großartigen Vorbildern und eindrucksvollen Persönlichkeiten der Geschichte. Das sagen wir uns nicht selbst. Das denken wir uns nicht selber aus. Das ist uns gegeben. Martin Luther formuliert es in seiner Erklärung zum dritten Glaubensartikel so: Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn glauben oder zu ihm kommen kann, sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen und mit seinen Gaben erleuchtet. Der Glaube ist eine Gabe, ein Geschenk. So auch die Gemeinschaft der Glaubenden, die Kirche. Auch die machen wir nicht selber. Wer wüsste das besser als Ihr hier in der Gemeinde Trebesing, wo es durch viele Generationen nur im Geheimen möglich war, den evangelischen Glauben zu leben? Ob das nur aus menschlicher Beharrlichkeit und Standhaftigkeit möglich war? Ob das nicht zuerst einmal ein Geschenk ist, das nicht durch unser Fleisch und Blut hergestellt worden ist, sondern vom Himmel kam? Dass es eben Männer und Frauen gab, die wie Petrus in Jesus Christus ihren ganz persönlichen Erlöser, ihren ganz persönlichen Heiland erkannt haben, der ihnen auch in dunklen Zeiten der Herr ihres Lebens geblieben ist. Die Pforten der Hölle haben diesen Glauben nicht überwinden können.

Wem dieser Glaube geschenkt ist und wer sich dazu bekennt, bekommt einen Auftrag. Binden und Lösen, sagt Jesus. So wie er gebunden und gelöst hat. Der Auftrag ist, das fortzusetzen, was mit ihm begonnen hat. Er hat gebunden indem er Menschen miteinander verbunden hat, Gemeinschaft und Beziehungen; indem er Wunden und Verletzungen verbunden hat, indem er us losgebunden hat von Sinnlosigkeit und Furcht, von Sorgen und Misstrauen. Er hat gelöst, indem er Menschen aus Einsamkeit und Schmerz befreite, von Gewalt und Hunger und ihnen ihre Würde als Menschen wieder gegeben hat.

Das tut die Gemeinschaft, der das Bekenntnis geschenkt ist: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Das hat Konsequenzen. Das bleibt nicht ohne Folgen. Wenn ich noch einmal an das Märchen vom Rumpelstilzchen denke: Nenn die teuflischen Mächte ruhig beim Namen, die Mächte, die Menschen versklaven, die ihnen vorgaukeln, der Sinn des Lebens läge in Gold und Sicherheit, die ihnen jede Hoffnung rauben, ihnen die Zukunft stehlen, sie der Todesgefahr aussetzen, wenn sie als Flüchtlinge zu uns kommen und die Schutzlosen allein lassen. Wo immer dieser Geist herrscht, der Geist, die Einstellung des Rumpelstilzchens, da spricht vielleicht menschliches „Fleisch und Blut“. Aber vom Himmel her hören wir etwas anderes: Die Botschaft der Befreiung und der Versöhnung, die Botschaft dass jeder und jede ein wertvolles Kind Gottes ist und dass niemand verlorengehen darf. Für diese Botschaft beruft uns der Heilige Geist, sammelt er uns zur Gemeinde und sendet er uns in diese Welt. Für diese Botschaft ist mir der Glaube geschenkt. Nichts wird das überwinden. Das ist wie ein Fels. Darauf kann ich mein Leben bauen.



Bischof Michael Bünker
Wien, Österreich
E-Mail: bischof@evang.at

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