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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

1. Sonntag nach Trinitatis, 07.06.2015

Ein Gleichnis – drei Lehren
Predigt zu Lukas 16:19-31, verfasst von Juraj Bándy

Gnade sei mit euch und Friede…

 

Text: Lk 16,19-31

 

            Das Gleichnis von dem reichen Mann und Lazarus, das wir eben hörten, wird häufig als Bestätigung der Behauptung dafür verstanden werden, dass der Reichtum an sich etwas Sündhaftes und die Armut etwas Gottgefälliges sei. Das Gleichnis sagt weder das eine noch das andere, obwohl es den Reichtum als etwas, was uns von Gott trennen kann, darstellt. Unser Gleichnis zielt anderswohin. Das wichtigste, was es sagen will, ist in dieser Aussage zusammengefasst: „Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören“ (V. 29). Denselben Gedanke drückt der Psalmist so aus: „Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht“ (Hebr 3,15 = Ps 95,8). Es geht also um das Problem des richtigen Hörens des Wortes Gottes.

            Wenn wir Gottes Wort richtig hören, werden wir erfahren,

  1. dass wir nach dem Tode nicht ausbessern können, was wir in diesem Leben versäumt und vernachlässigt haben,
  2. wie wir mit unserem irdischen Vermögen umgehen sollen,
  3. dass der Glaube nicht auf den Beweisen ruht.

 

Ad 1. „Heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht“ (Hebr 3,15 = Ps 95,8), mahnt uns die Heilige Schrift. Heute! Noch heute, weil es morgen zu spät sein kann. Der reiche Mann erkannte in der Unterwelt, dass es zu spät ist. Man kann nichts ändern. Man kann nichts nachbessern. Das war seine Grunderkenntnis. Die Entscheidung von seinem Schicksal in der Ewigkeit ist schon gefallen.

            Unser Tun in dieser Welt entscheidet über unser Schicksal in der Ewigkeit. Dies sind eine große Warnung und eine große Mahnung aus diesem Gleichnis. Sie weisen darauf hin, dass unsere Zeit auf der Erde sehr wichtig ist. Es ist außenordentlich wichtig, wie wir unsere Tage auf der Erde verbringen. Deswegen, weil unsere Zeit auf der Erde unwiederholbar ist. Man kann daraus nichts löschen, wie aus einer Ton- oder Bildaufnahme und erneut beginnen. Deswegen ist es nicht egal, wie wir unsere Zeit verbringen.

            Sind wir uns dessen bewusst? Leben wir mit dem Verantwortungsgefühl, dass wir so leben sollen, wie es des Evangeliums Christi würdig sei (Phil 1,27)? Haben wir es im Gedächtnis, dass wir das Licht der Welt und das Salz der Erde sein sollten (Mt 5,13-16)? Ist es uns klar, dass unser Heil davon abhängt, ob wir in unserem Leben die Früchte des Glaubens bringen würden?

            Nach dem Tod kann man am Schicksal des Menschen nichts ändern. Es ist klar in diesen Worten ausgedrückt: „Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüber will, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber“ (V. 26). Eben deswegen lehnen wir, evangelische Christen, Totenmessen und die Lehre von dem Fegfeuer ab, weil diese das ändern und ausbessern sollten, was der betroffene Mensch in seinem Leben versäumt oder verdorben hat. Nach dem Tod können wir für unser Heil nichts tun. Nach dem Tod können wir uns nicht für Christus entscheiden. Deswegen „heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht.“

Ad 2. Das Hören des Wortes Gottes lernt uns, wie wir mit unserem Vermögen umgehen sollen. Der Apostel Paulus sagt: „Geldgier ist eine Wurzel alles Übels“ (1Tim 6, 10). Er sagt nicht, dass der Besitz des Geldes etwas Übles ist, sondern, dass die Geldgier etwas Sündhaftes ist. Der reiche Mann aus unserem Gleichnis wurde nicht deswegen verdammt, weil er reich war, sondern deswegen, weil er in seiner Blindheit aus dem Reichtum seinen Nächsten und dessen Bedürfnisse nicht sah. Sein Mitmensch war nicht fern. Es war nicht jemand, über den er nicht Bescheid wissen konnte. Es war ein Mensch, den er jeden Tag sah. Jeden Tag als er ein- und ausging, war Lazarus vor seiner Tür. Er belastete jeden Tag das Gewissen des reichen Mannes mit seiner Anwesenheit.

            Es ist bestürzend, dass die Tiere, die Hunde, im Gleichnis so dargestellt sind, dass sie mehr Mitgefühl mit dem elenden Mann als die Menschen haben. Wie oft passiert es auch uns, dass wir blind für die Bedürfnisse der Menschen, die wir vielleicht täglich sehen, sind. Kommt es nicht in unserem Leben vor, dass wir weniger Mitgefühl als die Tiere haben?

            Es ist häufig eben der Reichtum, der solche Blindheit bewirkt. Eine Blindheit für die Bedürfnisse der Mitmenschen. Der Reichtum führt manchmal dazu, dass wir nur an uns selbst denken, wie der reiche Mann aus einem anderen Gleichnis des Herrn, der zu sich selbst sagte: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!“ (Lk 12,19). So kann der Reichtum zum Unglück werden, weil er uns dazu lockt, nur an uns selbst zu denken.

            Die Heilige Schrift verwirft den Reichtum an sich nicht. Sie verurteilt die reichen Leute an sich auch nicht. Sie zeigt uns aber die Gefahr, die der Reichtum bewirken kann. Sie zeigt aber auch, wie wir mit dem irdischen Vermögen umgehen sollen. In dem ersten Brief an Timotheus lesen wir: „Den Reichen in dieser Welt gebiete, dass sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den unsicheren Reichtum, sondern auf Gott, der uns alles reichlich darbietet, es zu genießen; dass sie Gutes tun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behilflich seien, sich selbst einen Schatz sammeln als guten Grund für die Zukunft, damit sie das wahre Leben ergreifen.“ (1Tim 6,17-19). Diese Sätze fassen zusammen, wie wir das irdische Vermögen zum Nutzen unseren Mitmenschen gebrauchen sollen.

            Nicht der Reichtum als solches ist also sündhaft, sondern die Gefühllosigkeit, zu der er locken kann.

Ad 3. Unser Gleichnis belehrt uns neben der Wichtigkeit des irdischen Lebens und des Umgangs mit dem Reichtum auch über eine dritte wichtige Angelegenheit. Es belehrt uns darüber, dass der Glaube nicht auf den Beweisen ruht, sondern die Annahme der Gnade Gottes ist.

            Wir sind häufig dem reichen Mann aus dem Gleichnis ähnlich, der dachte, dass ein klarer Beweis die Leute zum Glauben führen könnte.

            Deswegen bittet er Abraham um Beweise für seine Brüder, damit sie nicht in die Verdammnis geraten. Abraham antwortet auf die Bitte so: „Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.“ (V. 29). Wozu ist ein Beweis nötig? Wenn sie wollen, können sie glauben. Der reiche Mann klügelt aber weiter: Die Worte Moses und der Propheten sind keine überzeugenden Beweise, wenn aber „einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun.“ (V. 30). Das wäre der rechte Beweis! Auf diese Bitte um einen Beweis antwortet Abraham: „Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ (V. 31).

            Es ist wirklich so. Es gibt schon jemanden, der von den Toten auferstanden ist. Er heißt Jesus Christus. Hat die Tatsache seiner Auferstehung alle Menschen überzeugt? Hat sie alle Menschen zum Glauben geführt? Hat doch nicht die Aussage aus dem Ende des Gleichnisses recht: „Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ (V. 31)? Der Glaube ist nicht eine Sache der Beweise, sondern die Annahme der Gnade Gottes. Bitten wir um diese Gnade Tag für Tag!

            Liebe Brüder und Schwester! Der heutige Sonntag hat uns auf drei wichtige Tatsachen aufmerksam gemacht:

  1. Nach dem Tod ist es zu spät auszubessern und nachzuholen, was wir in diesem Leben versäumt haben. Leben wir deswegen des Evangeliums Christi würdig!
  2. Gehen wir mit dem Reichtum gottgefällig um, unseren Nächsten zum Guten!
  3. Der Glaube hängt nicht von den Beweisen ab. Er ist die Annahme der Gnade Gottes. Suchen wir also keine Beweise, sondern „heute, wenn ihr seine Stimme hören werdet, so verstockt eure Herzen nicht“ (Hebr 3,15 = Ps 95,8). Amen.


Prof. Dr. Juraj Bándy
Šamorín, Slovakia
E-Mail: bandy@fevth.uniba.sk

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