Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

2. Sonntag nach Trinitatis, 14.06.2015

Predigt zu Lukas 14:16-24, verfasst von Suse Guenther

Jesus sprach: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit.

Und sie fingen nacheinander an, sich zu entschuldigen: Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen, um ihn anzusehen. Und er zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und jetzt gehe ich hin, sie anzusehen, ich bitte Dich, entschuldige mich. Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen, darum kann ich nicht kommen.

Da kam der Knecht zurück und sagte das seinem Herrn. Der Hausherr wurde zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Lahmen und Blinden herein. Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was Du befohlen hast, es ist aber noch Raum da. Und der Herr sprach zum Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie, hereinzukommen, damit mein Haus voll werde. Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.

 

Gott, gib uns ein Herz für Dein Wort. Und nun ein Wort für unser Herz. AMEN

 

Liebe Gemeinde!

Da denkt man nun doch immer, in der guten alten Zeit wäre es ruhiger zugegangen. Die Menschen hätten noch nicht einen solchen Termindruck gehabt, als es noch keine Medien und die damit verbundenen Erwartungen gab, als es noch keine Arbeitsplätze gab, zu denen man stundenlang mit dem Auto unterwegs war.

Anscheinend weit gefehlt. Auch in unsrem Gleichnis haben die Leute wohl keine Lust mehr, um noch zum Abendessen bei ihrem Gutsherrn zu gehen. Die Gründe klingen an den Haaren herbeigezogen, Ausreden eben. Aber wie auch immer: wir können es irgendwie nachvollziehen: Am Feierabend nach einem langen Arbeitstag sich noch einmal auf den Weg machen müssen und eine gesellschaftliche Verpflichtung wahrnehmen müssen, das fällt schwer.

Den anderen Blickwinkel kennen wir natürlich auch. Den des Gastgebers, der alles liebevoll vorbereitet hat und dann vor einem leeren Tisch steht, weil die Gäste eben etwas Besseres vorhatten. Und nicht nur das: Weil diese Gäste sich offensichtlich um Ausreden in letzter Minute bemüht haben, statt sich rechtzeitig und ordentlich abzumelden.

Die Einladung war nämlich längst ausgesprochen, am eigentlichen Tag lässt der Hausherr seinen Knecht nur noch ein zweites Mal zu den Leuten gehen, um daran zu erinnern.

Dass es sich um Ausreden handelt, ist offensichtlich. Wer Ochsen oder einen Acker kauft, der sieht sie sich vorher an, wenn er sie gekauft hat, dann ist es dazu zu spät.

Wahrscheinlich wären wir in der Rolle des Gastgebers auf den gleichen Gedanken gekommen: Diese Leute wollen nicht zu meinem Fest. Das ist verletzend.

Wie gesagt: Verstehen kann man beide Seiten irgendwie. Gut wäre es gewesen, wenn die geladenen Gäste von Anfang ehrlich gewesen wären und gesagt hätten: ich kann und möchte nicht kommen. Verletzend wird es dann, wenn man sich dreht und wendet, Ausreden erfindet und damit weder sich selbst noch dem anderen aufrichtig begegnet.

Eine festgefahrene Situation, in der großen Politik wären jetzt die Unterhändler gefragt, die zwischen beiden Parteien vermitteln und versuchen, die unterschiedlichen Sichtweisen verständlich zu machen. Bis heute ist das der einzige Weg, um festgefahrene Missverständnisse aufzulösen: Den Blickwinkel wechseln. Der Gastgeber im Predigttext braucht dazu keinen Vermittler: Er ist selbst in der Lage, die Situation mit neuen Augen zu sehen: „Wenn diese Leute nicht zu meinem Fest kommen wollen, dann lade ich andre ein. Das Fest findet trotzdem statt. Ich werde mit denen feiern, die mit mir feiern wollen. Das mögen dann vielleicht nicht die Oberen der Gesellschaft sein, aber es werden die sein, die sich über mein Angebot freuen. Damit werden wir alle gewinnen: Ich habe eine fröhliche Gesellschaft. Und damit ein schönes Fest. Und die anderen haben eine überraschende Einladung und auch ein schönes Fest.“

 

Die Situation hätte in einem Fiasko enden können. Weil aber der Gastgeber in der Lage war, von seinem eigentlichen Plan abzuweichen, wurde alles ein großer Erfolg. Bei uns scheitert es manches Mal daran, dass wir eine feste Idee im Kopf haben und dann enttäuscht sind, wenn sich alles ganz anders entwickelt. Es gibt aber immer mehrere Lösungen für ein und dieselbe Aufgabe. Von diesem Gastgeber können wir lernen: er lässt sich auf Neues ein. Er lässt sich auf neue Menschen ein.

Von diesem Gastgeber können wir noch mehr lernen: Er verschenkt, ohne etwas dafür zu erwarten. Es ist klar, dass die, die nun zu seinem Fest kommen, ihn nicht zu einem entsprechenden Abendessen werden einladen können. Hier geht es nicht um Leistung und Gegenleistung, es wird nicht aufgerechnet.

Hier wird einfach nur verschenkt.

Unterm Strich wird natürlich doch ein großer Gewinn für den Gastgeber dabei herausspringen: Das Geschenk eines gelungenen Festes.

Das aber ist ebenfalls eine Erfahrung, die wir Menschen immer wieder machen können: Wie reich wir werden, wenn wir uns einsetzen. Wenn wir unsere Fähigkeiten und Gaben wirken lassen, ohne nachzurechnen.

Wir können nicht nur von diesem Gastgeber lernen. Sondern auch von diesen Gästen. Die, die da erst sehr spät eingeladen wurden, werden schon gemerkt haben, dass sie selbst nur die Notlösung waren. Auch sie müssen ein wenig über sich selbst hinauswachsen, wenn sie der Einladung ohne Vorbehalte folgen.

Jesus ist übrigens selbst zu Gast, als er sein Gleichnis erzählt. Er sitzt am Tisch eines angesehenen Pharisäers. Er hat sich auf eine neue Situation eingelassen. Jeder, der dort eingeladen ist, ist aus einem bestimmten Grund dort. Der Pharisäer hat seine Gästeliste genau überlegt: Er verfolgt mit seiner Einladung einen Plan. Zu diesem Plan gehört Jesus. Jesus weiß das und ist trotzdem gekommen: Wer ist wichtig genug für diese Einladung? Jesus ist wichtig. Erstens will man sich nicht nachsagen lassen, man habe Jesus von vorneherein abgelehnt. Und zweitens, das vor allem, will man natürlich hören, was er zu sagen hat. Vielleicht wieder etwas Provokatives, das man ihm dann zur Last legen kann? Jesus erfüllt die Erwartungen, seine Worte sind zumindest befremdlich. Er ermahnt seinen Gastgeber, die einfachen Leute einzuladen. Sich seinen Platz zu suchen an der untersten Rangliste der Gesellschaft, nicht an deren Spitze. Sozusagen am Boden zu bleiben, nicht abzuheben. Damit stellt er die Gästeliste des Pharisäers, der ihn eingeladen hat, in Frage. Und um das zu verdeutlichen, erzählt er sein Gleichnis vom großen Gastmahl.

Es gibt viele Rollen, die wir in diesem Gleichnis einnehmen könnten. Die des Gastes, der die Einladung ablehnt. Die des Gastes, der erst in zweiter oder gar dritter Linie eingeladen wurde. Die des Gastgebers, den seine Gäste vor den Kopf stoßen. Die des Gastgebers, der über seinen Schatten springt und von seinem ursprünglichen Plan ablässt.

Wir werden alle diese Rollen kennen, sie sind uns alle schon begegnet. Mal sind wir eingeladen, mal laden wir ein. Mal fühlen wir uns damit überfordert, eine Einladung anzunehmen. Mal freuen wir uns darüber.

Wir sind in unserem langen Leben nicht festgelegt auf eine dieser Rollen. Wir werden immer wieder neu eingeladen. Wir bekommen selbst eine zweite und dritte Chance. Weil wir die bekommen, können wir anderen eine zweite und dritte Chance geben.

In einem Kinderlied heißt es: „wir sind eingeladen zum Leben, unser Gastgeber heißt Gott. Seine Liebe will er uns geben, ist das nicht ein Angebot“

Ja, wir haben viel vor im Leben. Ochsen und Äcker kaufen und Partner finden und vieles mehr. Es kommt aber der Punkt, wo wir uns eingeladen fühlen. Und auch begreifen: Meine Entscheidung ist wichtig. Ich will mich nicht irgendwie rausreden, sondern sehr bewusst meinen Weg gehen. Ich schaffe es vielleicht nicht, diese Einladung anzunehmen. Dann stehe ich dazu. Oder: Jetzt bin ich soweit, ich bin eingeladen zum diesem Lebensfest und möchte das Angebot annehmen

Irgendwann ist das Fest dann wieder vorbei, klingt aber nach im Alltag, ein schöner Abend hat uns und unsere Sichtweise auf das Leben verändert. Wir wurden beschenkt. Und können andere beschenken.

Ach, und eine Rolle hatte ich noch gar nicht erwähnt. Die, desjenigen, der zuerst abgelehnt hat.

Dem dann aber einfiel, dass er doch gerne gekommen wäre. Der dann beim Gastgeber anklopft und sagt: Ich habe es mir anders überlegt, ich möchte doch gerne dabei sein. Und dem Gott dann die Tür weit öffnet und sagt: Komm, denn es ist alles bereit. AMEN



Pfarrerin Suse Guenther
Zweibrücken
E-Mail: suse.guenther@web.de

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