Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Buß- und Bettag, 21.11.2007

Predigt zu Lukas 13:22-30, verfasst von Peter Schuchardt

Liebe Schwestern und Brüder!

Herzlich willkommen zu unserem Tag der offenen Tür! Legt ruhig ab und kommt, denn es gibt viel zu sehen.  Moment mal -  „Tag der offenen Tür": was soll das?!, mag mancher denken. Heute ist doch Buß- und Bettag! Hören wir da nichts von Büßen, von begangenen Sünden und Reue, vom Büßergewand und Sich-Klein-Machen vor Gott, von falscher Selbstgerechtigkeit und dem Ruf zur Buße? Doch, von all dem werden wir hören. Und weil das so ist, sage ich es noch einmal: Herzlich willkommen an unserem Tag der offenen Tür! Das scheint nicht zum Bußtag zu passen.

Es gab Zeiten, da wurde „Buße" als Instrument missbraucht, Menschen klein zu halten - noch heute geistert es als Klischee durch unseren Kopf. Manchmal war Buße eher ein Geschäft mit Gott, ohne mit dem Herzen dabei zu sein. Zur Zeit Luthers war das mit dem Ablass so. Und es gab auch Zeiten, da war von Buße, von Sünde überhaupt nicht mehr die Rede. Der freie Mensch, unabhängig und stolz, den konnte man doch  nicht belasten oder gar klein machen mit dem Gerede von Buße, Sünde und Schuld. Auch dieses Klischee ist noch in manchem Kopf da. Beide Klischees konnten entstehen, wenn man sich entfernt von dem, was unser Herr Jesus Christus mit Buße meint. Natürlich redet er von Buße, das ist für  ihn ein ganz zentrales Wort, ja, das erste Wort, mit dem sich Jesus im Neuen Testament an uns Menschen wendet, ist gerade der Ruf: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe gekommen!  Buße im Munde Jesu meint aber immer Umkehr zu Gott. So lasst uns heute, am Buß- und Bettag, genau hinhören auf das, was er sagt im Predigttext, der für heute bei Lukas im 13. Kapitel steht:

Und Jesus ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem.

Es sprach aber einer zu ihm: Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden? Er aber sprach zu ihnen: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte hineingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden's nicht können. Wenn der Hausherr aufgestanden ist und die Tür verschlossen hat und ihr anfangt, draußen zu stehen und an die Tür zu klopfen und zu sagen: Herr, tu uns auf!, dann wird er antworten und zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben vor dir gegessen und getrunken und auf unsern Straßen hast du gelehrt. Und er wird zu euch sagen: Ich kenne euch nicht; wo seid ihr her? Weicht alle von mir, ihr Übeltäter! Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen. Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tisch sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten sein.

Herzlich willkommen zu unserem Tag der offenen Tür! So hatte ich begonnen. Doch nun mag manch einer dagegen halten: Na, hab ich`s nicht gewusst! Da geht es nun doch wieder um wenigem, die selig werden, da geht es um`s Kämpfen, um verschlossenen Türen, um Heulen und Zähneklappern. Also doch wieder ein Text, der uns Angst machen will.

Aber, liebe Schwestern und Brüder, ich bleibe dabei: Herzlich willkommen zu unserem Tag der offenen Tür! Und noch mehr: ich sage, das sind Worte, die uns Mut machen wollen, die uns einladen und voller Zuversicht sind.

Darum uns noch einmal hören und sehen, worum es Jesus geht - und worum es Lukas geht, der uns diese Worte Jesu überliefert. Es fängt scheinbar so normal an. „Und er ging durch Städte und Dörfer und lehrte und nahm seinen Weg nach Jerusalem." Ja, so kennen wir Jesus, den Wanderprediger. Unermüdlich zieht er durch das Land. Aber Lukas deutet schon das Ziel an: Jerusalem. Dort wird Jesus gefangen genommen werden und am Kreuz sterben. Sein Weg, sein Wandern, sein Lehren hat dieses Ziel: Jerusalem, um dort zu sterben und aufzuerstehen. In einem alten Weihnachtslied heißt über Jesus: „Der mit seinem Kreuz der Höllenpforten aufstoßt". Das alles schwingt mit, wenn wir „Jerusalem" hören. Irgendjemand spricht Jesus nun an: „Herr, meinst du, dass nur wenige selig werden?" Eine Frage auf dem Weg nach Jerusalem, wo Jesus durch den Tod zur Auferstehung geht. Wir erfahren nicht, liebe Schwestern und Brüder, wird dieser jemand ist, der die Frage stellt, wir erfahren auch nicht, ob er an seiner eigenen Rettung zweifelt oder sich seiner Seligkeit ganz sicher ist, nach dem Motto: „Ich weiß ja, dass ich gerettet werde, aber was ist mit den anderen?" Selig werden, gerettet werden, wie es im griechischen Text heißt: für die Menschen damals ist es die entscheidende Frage. Werde ich bestehen in Gottes Gericht, werde ich bleiben dürfen bei Gott - oder werde ich vergehen? Man kann fragen, ob dies überhaupt eine Frage für uns heute ist. Ist es nicht egal, was nach dem Tod kommt? Und wenn es nicht egal ist: sollte Gottes Güte am Ende nicht doch alle retten? Nun, das würde bedeuten, dass im Grunde und am Ende alles egal wäre: mein Glaube, mein Nichtglaube, mein Verhalten, meine Taten und Untaten. Ist das wirklich einerlei? Sind nicht vielmehr die Anstrengungen, die wir Menschen in unserem Leben jetzt machen, der verzweifelte Versuch, nicht verloren zu gehen, sich seine Seligkeit schon jetzt und hier zu schaffen: mein Haus, mein Auto, meine Frau ...? Nein, schon das zeigt uns, dass es nicht egal ist. Und der Gott, dem alles einerlei wäre, was wir hier tun oder auch nicht tun, das wäre nicht der Gott, der aus der Bibel zu uns spricht und den Jesus uns verkündet.

„Meinst du, Herr, dass nur wenige selig werden?" Das ist auch eine theologisch interessante Frage. Die Antwort darauf könnte einfach lauten: „Ja!" oder „Nein!" Aber so antwortet Jesus nicht: „Ringt darum", sagt er, „ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte eingeht; denn viele, das sage ich euch, werden danach trachten, wie sie hineinkommen, und werden`s nicht können." Er gibt keine abstrakte Antwort, kein einfaches Ja oder Nein. Denn, das will Jesus uns sagen: die Frage ist noch gar nicht zu beantworten! Er richtet sich mit seiner Antwort nicht nur an den „jemand", der ihm die Frage stellt, sondern an alle, die ihm zuhören - und damit auch an uns: „Die Tür ist doch offen, ihr könnt auch da durch gehen, auch du kannst gerettet werden! Es liegt an dir, die Schritte durch die Tür zu Gott zu machen!"

Nun haben manche daraus gefolgert: „Siehst du, ich muss doch etwas für mein Heil, meine Seligkeit, meine Rettung tun! Nichts da mit „allein aus Gnade", wie ihr in der Kirche immer sagt!" Liebe Schwestern und Brüder, das Besondere an Jesus ist ja, dass er dir sagt: Ja, du kannst etwas tun. Leg alles ab, was dir wichtig ist, alles, von dem du meinst: das muss ich unbedingt Gott zeigen. Leg das alles zur Seite, deine guten Taten, deine Menschenfreundlichkeit, alles, worauf du so stolz bist (nicht wahr: mein Haus, mein Auto, meine Frau ...). All dieses, was du an Gepäck mit  dir herumschleppst, wird dich nur hindern, durch die enge Pforte hindurch zu gehen, durch die wir zu Gott kommen. Denn genau aus diesem Grund ist sie ja so eng, damit nur wir hindurchpassen - und nicht auch noch unsere vermeintlichen Guttaten. Im Kindergottesdienst gibt es ein wunderbares Leid: „So wie ich bin, komme ich zu dir." So sollen wir vor Gott stehen, so wie wir sind, nicht so, wie wir gerne sein wollen oder wir andere uns gerne hätten. Nein, so wie wir sind. Und wir sollen das, was wir so gerne zeigen wollen, aus der Hand legen. Nur so haben wir unsere Hände frei, damit wir Gottes Hand ergreifen können, die uns durch die enge Pforte führen will. Ja, und um alles abzulegen, auf das ich so stolz bin, um nicht doch noch bei Gott zumindest die eine große Tat anzubringen, die mich retten soll, um nicht doch noch im letzten Moment vor Gott zu sagen „aber ich habe doch ...,": dazu muss ich ringen und kämpfen, liebe Schwestern und Brüder. So leicht ist es nicht, sich vor Gott leicht  zu machen. Allein im Vertrauen auf Gottes Gnade werden wir durch diese Tür, so eng sie auch sein mag, hindurchgehen. Und diese Tür kennen wir. Sie heißt Jesus Christus, und der sagt uns ja: „Ich bin die Tür; wer zu mit kommt, den werde ich nicht hinaus stoßen!" Darum sage ich, liebe Schwestern und Brüder, gerade heute am Buß- und Bettag: Herzlich willkommen zu unserem Tag der offenen Tür - denn heute feiern wir die offene Gnadentür Gottes, durch die jeder von uns gehen darf. So gesehen, ist der Bußtag ein freudiges und fröhliches Fest, denn er erzählt uns von  Gottes Einladung zum Leben an uns.

Ja, aber wenn das so ist, magst du nun fragen, warum erzählt Jesus dann doch von der verschlossenen Tür und vom Hausherrn, der sagt: „Ich kenne euch nicht!" Warum hören wir dann doch vom Heulen und Zähneklappern? Ich sage: Weil Jesus uns ermutigen möchte, ihm zu vertrauen - und auch, weil er uns warnen möchte. Wenn es um unser Leben geht, sagt er uns, dann braucht ihr nicht das, was ihr für wichtig haltet. Wenn es um euer Leben geht, dann tragen euch allein Gottes Gnade und seine Liebe. Um die anzunehmen, um für die frei zu sein, legt alles ab, was euch hindert und bindet. Das ist seine Ermutigung an uns. Und seine Warnung an uns lautet: Seid euch nicht zu sicher: nehmt euer Leben ernst. Der lebendige Gott ist doch kein Heilsautomat. Viele von uns leben ja so. Na, wenn ich tot bin, dann bin ich sowieso beim lieben Gott, und was jetzt ist im Leben, dann ist dann auch egal. Wenn ihr so denkt, sagt uns Jesus, dann werdet ihr euch wundern über unseren lebendigen Gott. Es gibt keine Vorherbestimmung des Lebens in allen Einzelheiten und erst recht nicht am Ende. Denn dann wären Jesu Worte ja blanker Unsinn. Dann wäre es Hohn, uns dazu aufzurufen: Ringt darum, durch die enge Pforte einzugehen.

Nein, entscheidend (im wahrsten Sinne des Wortes ent-scheidend) ist etwas anderes, und das erzählt uns Jesus mit dem kurzen Wortwechsel vor der verschlossenen Pforte. Da stehen einige, die noch hineinwollen, aber es geht nicht mehr. Sie sprechen den Hausherrn (und wer sollte das anderes sein als Jesus selbst) an: Wir haben doch vor dir gegessen und getrunken und auf unseren Straßen hast du gelehrt. Wir waren dir doch so nahe, wollen sie sagen. Wir haben dich doch gesehen, wir haben gehört, dass du etwas gesagt hast. Ja, fragt Jesus aber zurück, habt ihr auch zugehört? Habt ihr diese Worte in euer Herz gelassen, dort, wo sie hineinwollen und euer Leben und euren Weg verändern wollen? Ihr habt weiter gegessen und getrunken und nichts geändert. Ich kenne euch nicht, sagt der Hausherr in Jesu Gleichnis. Ich habe vor eurer Haustür gepredigt und wollte doch durch eure Herzenstür hinein. Aber ihr habt mich da nicht hineingelassen. Ihr habt euer Leben weitergelebt, als wäre nichts geschehen. Meine Worte sind von euch abgeprallt. Ihr habt mich und meine Worte auf Distanz gehalten, denn ihr wolltet euer Leben nicht ändern. Das ist Jesu Warnung und zugleich sein Werben: Lasst sie euch doch nahe gehen! Wie das geht? Lass dich von Jesu Worten berühren im Innersten. Denn seine Worte haben die Macht und die Kraft, dich zu verändern. Wenn wir uns von seinen Worten berühren und bewegen lassen, dann verlassen Fischer ihre Netze und werden zu Jüngern, dann richten sich andere aus ihrer Verkrümmung auf, da können  Lahme gehen und Binde sehen, da verwandelt sich Hass in Liebe und Tod in Leben. Jesus vertröstet uns ja nicht auf ein späteres Himmelreich, denn es ist ja schon ganz nahe,  in ihm und seinem Wort, in Brot und Kelch und im Wasser der Taufe ist es doch schon da. Schon jetzt dürfen wir  das erleben. Und dann, am Ende, wenn unser Leben und diese Welt vergehen werden, erst recht: Du bist wertgeachtet in meinen Augen. Fürchte dich nicht, ich bin bei dir. Deine Sünden sind dir vergeben. Wenn wir denn mit uns ringen und kämpfen und uns freimachen von dem, was in Gottes Augen gar nichts zählt!

Wenn wir Jesu Wort in unser Herz und unser Leben lassen, dann steht seine Tür uns offen. Ja, und dann werden wir uns wohl auch wundern, wer dann alles, so Gott will, mit uns am Tisch im Reiche Gottes sitzt in diesem wunderbaren Bild von Gottes neuer Welt. Da werden wir uns wohl oft fragen: Du hier - und du nicht? Da werden wirklich die Ersten die Letzten und die Letzten die Ersten sein. Werden wir, liebe Schwestern und Brüder, dazu gehören, werden wir selig werden? Ihr könnt es, sagt uns Jesus heute. Lasst euch Gottes Wort nahe gehen, lasst Gottes Wort euer Leben bestimmen und nicht die Jagd nach Macht, Geld, Ruhm und Anerkennung. Gut möglich, dass wir dann zu den Letzten gehören, die nichts vorzuweisen haben, die allein auf Gottes Gnade vertrauen und gerade darum die Ersten sind.

Herzlich willkommen zu unserem Tag der offenen Tür! Legt ruhig ab, liebe Schwestern und Brüder. Legt alle Selbstgerechtigkeit, alle Sünden, alle Irrwege ab vor Gott. Dann steht ihr im wahren Büßergewand da. Der Buß- und Bettag ist Gottes Einladung an uns, unser Leben zu ändern und den neuen Weg einzuschlagen, auf den Gott uns ruft. Wir sollten es uns wert sein, Gottes Ruf zu folgen. Wir sind es Jesus auf jeden Fall wert, der uns auf dem Weg nach Jerusalem, auf dem Weg ans Kreuz ermutigt: Ringt darum, dass ihr durch die enge Pforte eingeht. Eingeht zur Seligkeit, nicht voll bepackt mit dem, was uns so wichtig scheint, sondern aufrecht und mit leeren Händen, die Gott mit seiner Gnade füllen wird. Nehmen wir diesen Buß- und Bettag ernst, denn es geht um unser Leben. Nehmen wir ihn so ernst, dass wir fröhlich alles  ablegen, was uns belasten mag, und mit Freuden den Weg zur Pforte Gottes gehen. Dort wartet er auf uns, er, der selbst die Tür ist, Jesus Christus. Und der wird uns nicht hinaus stoßen.

 

Amen

 

Lied nach der Predigt:

EG 1, 1+5



Pastor Peter Schuchardt
Bredstedt
E-Mail: pw-schuchardt@versanet.de

(zurück zum Seitenanfang)