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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

5. Sonntag nach Trinitatis, 05.07.2015

Predigt zu Lukas 5:1-11 , verfasst von Eva Töjner Götke

Dass die Jünger dazu berufn sind, Menschen zu fangen – oder zu „Menschenfischern“ werden sollen, wie es bei Matthäus und Markus heißt, ist meiner Meinung nach immer Schuld an einem negativen Bild von Mission gewesen.

Das Bild stellt Mission als eine Art Bauernfängerei dar.

So als locke man die Leute in eine Falle und stramme das Garn um sie, wenn sie endlich getauft und christianisiert sind, so als seien sie Fische in einem Netz: eingeschlossen, unfrei, eine Massenkultur.

 

Ich halte das für ein problematisches Bild, weil es ja so in der Geschichte der Mission zuweilen der Fall war, wo es darum ging, die Leute für sich zu gewinnen, sie zu christianisieren, so viele wie möglich zu fangen – sie mit Krankenhäusern und Schulen und sauberem Wasser zu locken.

Aber in Wirklichkeit handelt die Missionsgeschichte ja von Einzelpersonen, die aufrichtigen Herzens ihre Heimat in Europa verließen – um z.B. nach Afrika oder Asien zu reisen und einen Unterschied zu machen, Gutes zu tun, Dorte zu helfen, wo Armut und Krankheit und Unterdrückung herrscht.

Aber das Bild des Menschenfanges ist belastet.

Denn es gibt so viele Beispiele dafür, dass Religion in Unterdrückung und Unfreiheit ausartet. Es hat viele Übergriffe im Namen der Religion gegeben.

Nicht nur in der Geschichte des Christentums, sondern in allen Religionen.

Wenn Religion zu einer Frage wird, wie man Menschen fängt, möglichst viele Anhänger gewinnt, die anderen ausrottet und in den eigenen Reihen Ordnung schafft und ungeheuerliche Forderungen nach Rechtgläubigkeit stellt – dann ist Religion nicht mehr vom und zum Guten, sondern eine Quelle von Unfrieden und Krieg zwischen Menschen: zwischen Völkern, zwischen Nachbarn, zwischen Familienmitgliedern.

Das Bild des Menschenfanges ist belastet – so belastet, dass wir uns heute, im Namen der Toleranz, fast nicht zu unserem christlichen Glauben zu bekennen wagen.

Jeder wird in seinem Glauben selig, sagen wir – und reden dann nicht mehr darüber, was es heißt zu glauben. Glaube ist das größte Tabu in Dänemark.

Wir klauben dass wir frei und tolerant sind, aber wir leben mit einem großen Tabu – unserem Glauben. Das hat bedeutet, dass wir die Sprache dafür verloren haben, uns fehlen die Worte und vielleicht auch die Ohren dafür.

Diese sogenannte Toleranz zeugt vielleicht auch davon, dass wir selbst den Unterschied nicht kennen, dass wir selbst nicht sehen können, was für einen Unterschied der christliche Glaube für uns ausmacht.

Hier helfen uns die Berichte aus den Evangelien weiter.

Diesen Unterschied konnte Petrus jedenfalls im heutigen Evangeklium sehen.

Vorher war er Fischer.

Nun sollte er sich mit Menschen beschäftigen.

Das ist wohl im Grunde das, was mit dem Bild vom Menschenfischer gemeint ist. Und nicht all das, was wir in ihm hören und in es hineinlegen.

Von jetzt an sollst du etwas anderes tun als nach einer langen Nacht mit leeren Netzen heimkehren, sagt Jesus zu ihm.

Das ist die neue Wirklichkeit, die Petrus gegeben wird.

Das Sinnlose wird durch etwas Sinnvolles ersetzt.

Du sollst etwas für andere Menschen sein. Menschen fangen.

 

Das belastete Bild verweist auf diese Veränderung in seinem Leben.

Von einem Dasein als Fischer am See Genezareth zum Verlassen der Netze, sein Leben in die Hand Gottes legen, von seinem Wort leben, handeln, dieses Wort weitergeben, das ihm selbst zuteilwurde.

Nach einer langen Nacht auf dem See, ohne einen einzigen Fisch gefangen zu haben – das kann ja passieren – während er zusammen mit den anderen die Netze reinigt – völlig nutzlos – ruft Jesus ihn und schickt ihn wieder hinaus auf den See.

Das ist natürlich sinnlos. Da sind ja keine Fische. Aber Petrus sagt die wichtigen Worte: „Auf dein Wort will ich die Netze auswerfen!“

Versteht sich: wenn du es sagst, auf deine Verantwortung – ich kann darin keinen Sinn sehen.

Und die Netze füllen sich mit Fisch, so dass sie fast zerreißen. Und die Freunde kommen ihm zu Hilfe, und gemeinsam leeren sie die Netze.

 

Das ist natürlich ein großes Wunder.

Ein Wunder lässt sich nicht erklären, aber er erklärt einem etwas.

Petrus versteht sich selbst und sein Leben im Lichte dieses Wunders.

Sein erster Ausbruch ist eine Furcht vor dem Großen.

Er erkennt seine Geringheit und sein Unvermögen und seine Unzulänglichkeit. Dies hier ist nichts für mich. Gehe fort von mit, Herr, ich bin ein sündiger Mensch!

Und dies ist der Kontrast zu dieser Selbsterkenntnis – diesem Minderwertigkeitsgefühl, dass Jesus sagt: „Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen“ – das heißt: Ich kann so einen wie dich gebrauchen.

Ich gebe dir Anteil an meiner Vollmacht, ich gebe dir mein Wort, das sollst du zu dir nehmen, von ihm leben – auf mein Wort sollst du es tun, leben, lieben, auch wenn du überhaupt nichts verstehst.

Welch eine Berufung!

Petrus wird ein neues Leben geschenkt.

 

Das Wunder kann niemand erklären, aber es hat ihm etwas erklärt darüber, was es heißt, ein Mensch zu sein und vom Wort des Herrn zu leben.

Das ist das Wort des Evangeliums heute an jeden von uns.

Und das Wort macht einen Unterschied.

 

Es macht einen Unterschied, ob wir glauben- auf sein Wort – alle Furcht von uns werfen und glauben – oder ob wir weiter unsere leeren Netze reinigen.

Es macht einen Unterschied, ob man in der Welt mit all ihrer Sinnlosigkeit, jeden Tag Zeuge ist dieses sinnlosen Leidens, diesem Netz der Armut in der dritten Welt und der Leere des Reichtums in unserer Welt.

Es macht einen Unterschied, in dieser Welt zu leben, mit all ihren Fehlern, ihrem vergeblichen Leben und ihrer nutzlosen Arbeit – oder auf sein Wort zu leben, die Netze auswerfen auf sein Wort hin – sich dem Leben anheim geben und anderen Menschen auf sein Wort. Sich selbst verstehen auf sein Wort, aus der Vergebung, auch wenn wir alle Sünder sind und unsere eigene Suppe kochen und alles selbst machen wollen.

Es macht einen Unterschied, ob man mit sich selbst und seinem Leben klebt – auf sein Wort – uns sein Leben in die Hand Gottes legt – in frohem und freimütigem Vertrauen auf das Gute, darauf, dass es eine Liebe gibt, die all die sinnlose Falschheit und Unehrlichkeit in sich birgt, die wir An den Tag legen können . und sie in etwas Gutes verwandelst, uns von dem Netz befreit, dem Netz der Furcht, dem Netz der Minderwertigkeit, das uns bindet, uns vom Band des Todes befreit, von dem Netz, in das wir als Fische gefangen sind und das unser Handeln lähmt, uns zu Massenmenschen macht, die ihr fehlendes Engagement damit entschuldigen, dass die anderen auch nichts tun.

Wir können nicht selbst den Unterschied in unserem Leben machen.

Wir können uns selbst nicht befreien von all den Sackgassen in unserem Leben.

Es muss uns erklärt werden.

Jemand muss uns retten, uns helfen. Uns voll all dieser Sinnlosigkeit befreien.

Jemand muss uns auf der Tiefe herausreißen.

Gott hat seinem Sohn aufgetragen, dies zu tun.

Menschenfischer zu sein.

Und niemand kann ihm vorwerfen, dies für sich selbst getan zu haben, um möglichst viele Anhänger zu bekommen, die ihn anbeten.

Er tat es allein aus Liebe. Für den Menschen.

Für unsere Freiheit.

Und wir haben so viel Freiheit, dass wir alles vergessen, was vorher war, und uns selbst einbilden, dass wir uns all das selbst verdanken, was gut ist hier in dieser Welt.

Petrus war einmal ein armer Fischer am See Genezareth – paradoxerweise und garantiert gegen seinen Willen ist das Symbol für ihn heute eine große prächtige Kirche in Rom, die seinen Namen trägt und die golden leuchtet und nach Weihrauch duftet.

Das ist die Gefahr bei Religionen.

Es beginnt in Demut, in einer persönlich erfahrenen Freiheit zum Wohl der anderen – und es kann in Selbstverherrlichung enden.

Möge das Wort des Evangelium uns alle dazu berufen, Menschen zu fangen, nicht zu unserer eigenen Selbstbestätigung, sondern um aufrichtigen Herzens das Leben zu teilen und weiterzugeben aus der Freude, die wir selbst erfahren haben, als wir selbst die Netze auf sein Wort auswerfen durften. Amen.



Pastorin Eva Töjner Götke
DK-5230 Odense
E-Mail: Etg(at)km.dk

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