Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

5. Sonntag nach Trinitatis, 05.07.2015

Predigt zu Lukas 5:1-11, verfasst von Christian Anders Winter

Gnade sei mit euch von dem, der da war und der da ist und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

viele Jahre lief im Fernsehen eine Sendung mit dem etwas reißerischen Titel „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“. Dort wurden – meist in kurzen Spielszenen – Tricks  und Machen von Betrügern vorgestellt, die immer nur einem Ziel dienten, nämlich leichtgläubigen Mitmenschen möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen. Die Sendung selber gibt es zwar so nicht mehr, aber am Grundproblem hat sich nichts geändert. Wir alle haben sicherlich schon einmal die scheinbar echten e-mail-Hilferufe von Freunden oder Bekannten aus unseren Kontaktlisten in unserem Postfach gehabt, die irgendwie immer nach dem gleichen Muster gestrickt waren: „Ich sitze im Ausland fest, alles Geld ist mir zusammen mit den Papieren gestohlen worden, und nur Du kannst mir helfen, indem Du mir per Sofortüberweisung Geld zukommen läßt“. Wer darauf reagiert, wird a) feststellen: das Geld sehe ich nie wieder und b) von seinen Freunden oder Bekannten zu hören bekommen: „Du, die mail stammte gar nicht von mir, da hat wohl jemand meinen account für seine Zwecke genutzt.“ Oder uns wird die einmalige Chance geboten, einem nigerianischen oder sonstigen Geschäftsmann/ Geistlichen/ was auch immer zu helfen, an sein von der jeweiligen Regierung beschlagnahmtes Vermögen heranzukommen, wenn man ihn nur mit einigen Tausend Dollar oder Euro erst mal hilft, die Bestechungsgelder/gebühren zu bezahlen, damit das Geld nach Deutschland überwiesen werden kann – und als „Dank“ winkt dann eine hohe Belohnung für den edlen Helfer… Ja, und dann ist da natürlich noch der sogenannte „Enkeltrick“. Da werden bevorzugt ältere Menschen telefonisch kontaktiert, geschickt ausgefragt nach den Namen und eventuellen sonstigen Informationen zu den Enkelkindern – vielleicht ist das ganze ja getarnt als ein angeblicher Gewinn, den man gemacht haben soll – und dann folgt ein zweiter Anruf, bei dem sich der Anrufer dann als Enkelkind ausgibt und eine Notlage schildert, aus der er nur durch die Hilfe seiner ihn liebenden Großeltern herauskommen kann. „Nur ein paar hundert Euro brauche ich von Dir, lieber Opa, nur etwas Geld, liebe Oma, und erzähl‘ bitte meinen Eltern nichts davon. Ich schick mal eben meinen Freund vorbei, der holt das Geld direkt bei Dir ab.“  Tja, welche Großeltern können da widerstehen, wenn sie der Enkel so dringend darum bittet. Man mag über die Leichtgläubigkeit derjenigen, die auf solche mails und auf solche Bitten hereinfallen, lachen, sollte sich aber immer erstmal an die eigene Nase fassen, inwieweit man denn selber vor professionell wirkenden Betrügertricks und scheinbar traumhaften Renditeversprechen gefeit ist. Und wenn man da ehrlich ist, dann ist man vielleicht ein wenig vorsichtiger mit seinem vorschnellen Urteil über die scheinbar „dummen“ Anderen…

In unserem heutigen Predigttext passiert ja auf ersten Blick fast etwas Vergleichbares. Da haben die Fischer um Simon Petrus die ganze Nacht gearbeitet, haben also all ihr Wissen um die Fische und das Fischen angewandt – und sind leer ausgegangen. Was auch heute selbst im Zeitalter von Sonar und anderen technischen Hilfsmitteln passieren kann – daß man nämlich leer ausgeht, weil einem die Fische einfach nicht ins Netz gehen – das ist damals sicher häufiger vorgekommen. Und dann kommt da jemand, dessen Expertise auf dem Gebiet des Fischfangs durch Nichts belegt ist, und fordert die Fischer auf: fahrt noch einmal hinaus, werft eure Netze dort aus, wo es tief ist. Ich weiß nicht, wie wir da reagiert hätten. Vielleicht hätten wir diesem Fremden auf gut Deutsch einfach nur einen Vogel gezeigt, hätten gesagt: „Laß man, davon verstehst Du doch gar nichts“, hätten uns der neuerlichen Plackerei verweigert. Aber – in unserer Geschichte geschieht anderes. Wie schon Abraham, der sich auf Gottes Geheiß mit Sack und Pack aufmacht und seine angestammte Heimat verläßt, um in das ihm verheißene neue Land aufzubrechen, so fahren Simon und seine Mannschaft noch einmal hinaus, vertrauen auf das, was Jesus ihnen verheißt.

Und das Wunder geschieht. als sie das taten, fingen sie eine große Menge Fische, und ihre Netze begannen zu reißen. Und sie winkten ihren Gefährten, die im andern Boot waren, sie sollten kommen und mit ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Boote voll, so daß sie fast sanken. – so beschreibt Lukas das, was geschieht. Aus der erfolglos durchschufteten Nacht wird nun, auf Geheiß eines Fremden, ein  überwältigender Erfolg. Und Petrus? Wir würden vielleicht erwarten, daß er sich nun überschwänglich bedankt, in Jubel oder vielleicht sogar in Freudentränen ausbricht. Er aber ist in seinen Grundfesten erschüttert, wirft sich vor Jesus auf den Boden und stammelt: Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. Ihm ist klar: was hier geschehen ist, kann nichts anderes sein als ein Wunder, ein unmittelbarer Eingriff Gottes in die Realität dieser Welt – und das macht ihm Angst. Denn er sieht sich als jemanden, der eines solchen Wunders eben gar nicht würdig ist, sieht sich selber vor allem anderen als Sünder, als jemanden, der eher Strafe denn Belohnung verdient hätte.

Schnell aber wird nun klar, daß es für Jesus bei diesem Wunder nicht darum gegangen ist, frustrierten Fischern doch noch einen reichen Fang zu bescheren. Er ist an Petrus, Jakobus und Johannes selber interessiert, will sie als Jünger für sich gewinnen, sie zu Menschenfischern machen, die in seinem Auftrag anderen den neuen Glauben nahebringen sollen. Der entscheidende Punkt dabei ist – wie eben auch schon bei Abraham – die Bereitschaft, sich scheinbar gegen alle Vernunft auf ein Wagnis einzulassen, weil dieser Schritt in dem Vertrauen geschieht: es ist Gottes Auftrag, Gottes Verheißung, die mich in Bewegung setzt. Hierin können Abraham, aber auch die Fischer um Petrus auch für uns zum Vorbild werden, zum Vorbild dafür, Glauben zu wagen. Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt, heißt es in einem oft zitierten Wort, und genauso ist es auch mit dem Glauben. Sich auf den Weg des Glaubens, auf den Weg mit Gott zu Gott zu begeben, setzt immer diesen ersten Schritt ins Ungewisse voraus. Wir haben zwar eine Hoffnung, was uns am Ziel unseres Weges erwarten wird, aber was uns unterwegs begegnen wird, das liegt im Dunkeln. Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, Dein Stecken und Stab trösten mich – so heißt es in den wohlvertrauten Worten des 23. Psalms. Wir dürfen darauf vertrauen, daß wir auf unserem Glaubensweg nie allein sein werden, weder auf den grünen Auen noch im finsteren Tal, weil Gott an unserer Seite sein wird, so wie damals bei Abraham und auch bei Petrus. Darum – lassen sie uns mutig diesen Weg gehen und wie Petrus und die anderen Jünger Anderen davon erzählen, was wir für einen freundlichen und liebevollen Gott haben. Amen.

 



Pastor Dr. Christian Anders Winter
Niebüll
E-Mail: Christian.winter@disanet.de

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