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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 12.07.2015

Predigt zu Matthäus 28:16-20, verfasst von Rolf Koppe

Liebe Gemeinde!

Matthäi am Letzten hat es in sich. Das Ende des Evangelium nach Matthäus schließt mit dem „Missionsbefehl“, den alle Christen kennen: „Darum geht hin und macht zu Jüngern alle Völker“. Und es schließt mit dem trinitarischen „Taufbefehl“, den fast alle Kirchen befolgen: „Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Abgeschlossen werden die beiden Aufforderungen Jesu mit seinem Vermächtnis: „Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“. Und mit dem Zuspruch:“ Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“.

Mission-Taufe-Lehre-Zuspruch: es ist am Ende alles gesagt wie in einer Glaubenslehre, in der der Bogen bis hin zu den letzten Dingen gespannt ist. Oder wie in einem Zukunftsprogramm, das von jetzt an, vom Beginn der Auferstehung Jesu an, für alle gelten soll und in Kraft gesetzt wird. Und ist es nicht erstaunlich, wie schnell und wie weit sich das Christentum von Palästina aus verbreitet hat?

In unserem Predigttext steht: “Die elf Jünger gingen nach Galiläa“. Sie wanderten also die etwa 70 Kilometer von Jerusalem am See Genezareth entlang bis in die Gegend von Kapernaum. Dort im Norden Palästinas, nicht weit von Nazareth, wo Jesus geboren wurde und wo er sehr wahrscheinlich das Zimmerhandwerk seines Vaters gelernt hat, wo er sich von Johannes dem Täufer im Jordan hat taufen lassen, wo er zuerst gepredigt und geheilt hat, dorthin gehen die Jünger.

Sie gehen auf einen Berg, dessen Name nicht genannt wird, der aber an den Ölberg bei Jerusalem erinnert. Dorthin hat Jesus seine Jünger bestellt. „Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder“, heißt es weiter. Diese Geste der Unterwerfung gleicht zwar der Huldigung für einen König bei Hofe, sie bedeutet aber viel mehr als ein Hofknicks. Sie gilt ja „dem Herrscher im Himmel und auf Erden“. Wir können uns das so vorstellen, dass wie Gott sein Volk einst vom Sinai in das gelobte Land geführt hat, so geleitet jetzt der Auferstandene seine Jünger auf ihren Wegen in die Welt. Wie damals Gott der König seines Volkes wurde, so ist er nun in Jesus Christus der König aller Könige geworden.

Die Art und Weise, in der die Jünger Jesu ihre Aufgaben erfüllen sollen, ist die gleiche wie früher. Sie heißt, dass Christen vorangehen, um Menschen zu Jüngern zu machen und ihnen das Evangelium nahezubringen. Gerade weil sich der Raum ins Unermessliche ausweitet, bleibt die riesengroße Aufgabe, alle Völker zu Jüngern zu machen. Das ist keine geschichtliche Vorstellung in der unmittelbar bevorstehenden Zeit, sondern eine Grenzaussage unseres christlichen Glaubens am Ende der Zeit.

Die geographische Angabe „Galiläa“ steht dabei für eine fremdartige Nachbarschaft. Denn die Juden waren eingebettet in eine überwiegend heidnische Umwelt und vom eigentlichen Judenbezirk durch das halb heidnische Samarien abgeriegelt. Juden wie Heiden gilt der Missions- sowie der Taufbefehl ohne Einschränkung. Ja, noch mehr: die ersten Jünger und Jüngerinnen kommen geradewegs aus Kapernaum und Umgebung, nämlich Petrus und Andreas sowie die Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes. Von Ort zu Ort arbeiten sie sich vor, indem sie überall predigen und das Evangelium vom Reich Gottes verkündigen.

Aber nicht nur Jesus und die Zwölf sind da tätig, sondern, wie es wörtlich heißt: „Auch einige Frauen, welche geheilt worden waren von bösen Geistern und Krankheiten, Maria, die Magdalene genannt wurde, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, und Johanna, die Frau des Chuza, des Verwalters des Herodes, und Susanna und viele andere, welche aus ihrem Vermögen für den Unterhalt der Jünger und Jüngerinnen sorgten“.

Jesus schart also nicht nur einen Kreis von 12 Jüngern um sich, sondern er hat darüber hinaus noch einen Kreis von teilweise vermögenden Sympathisantinnen, die die Bewegung unterstützen. Es sind nicht nur die Fischer und Handwerker, die Jesus nachfolgen, sondern es sind auch Menschen darunter, die Geld und Einfluss haben. „Galiläa“ steht für die Überschreitung religiöser und sozialer Grenzen. Matthäi am Letzten spiegelt schon eine Praxis nach Jesus wider. Seine Jüngerinnen und Jünger nehmen es ernst, dass sich das Evangelium an alle richtet.

Leider ist das Wort „Mission“ heute mit einem negativen Beigeschmack versehen, weil es eng mit der Kolonialzeit verbunden wird. Dabei wird übersehen, dass viele Missionare von Anfang an die Grenze zum staatlichen Handeln gezogen und auf dem Eigenrecht zur Mission bestanden haben. So hat Bruno Gutmann, der von 1876 bis 1966 gelebt hat, ganz wesentlich die Leipziger Mission dadurch geprägt, dass er die Sprache und die Umwelt der Dschaggas am Kilimandscharo genau erforscht hat und durch die Errichtung von Schulen und Krankenhäusern das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen hat. Von den Anfängen 1893 bis heute haben sich über 6 Millionen Menschen der lutherischen Kirche in Tanzania angeschlossen. Ich habe es erlebt, dass sich die Partnerkirche dafür bedankt hat, dass ihnen Missionare aus Deutschland das Evangelium gebracht haben. Dasselbe habe ich in Indien erfahren, als sich Staatspräsident Narayanan bei seinem Empfang für den deutschen Missionar Bartholomäus Ziegenbalg bedankte, der den Menschen in Kerala eine Grammatik ihrer Sprache geschenkt hat. Und auf Sumatra wurde unsere Delegation an das Grab von Ludwig Nommensen geführt, der Mitte des 19. Jahrhunderts von der Rheinischen Mission entsandt war und sich zum Ziel gesetzt hatte, die religiöse Tradition des Batakvolkes mit dem Christentum zu verbinden. Daraus ist eine Volkskirche mit rund 5 Millionen Mitgliedern geworden.

Seit vielen Jahrzehnten sprechen Theologen von der „Mission auf fünf Kontinenten“ und bringen damit zum Ausdruck, dass die Entsendung von Frauen und Männern mit dem besonderen Auftrag zu misssionieren, keine Einbahnstrasse mehr ist. Der Urenkel von Bruno Gutmann, Tillmann Prüfer, hat sich durch einen Stapel von Briefen seines Urgroßvaters aus Afrika hindurchgearbeitet und in diesem Jahr ein Buch mit dem Titel „Der heilige Bruno“ veröffentlicht. Der säkular lebende Journalist taucht in eine Welt ein, die ihm bisher verschlossen war. Er beginnt zu ahnen, was es mit dem christlichen Glauben in einer heidnischen Umwelt auf sich hat.

Ja, Matthäi am Letzten hat es in sich. Wir leben und glauben nicht mehr in einer Ursprungssituation, aber noch begegnen uns Namen und Gebäude und Bräuche, die auf unsere christliche Tradition in vielen Teilen der Welt hinweisen und die entschlüsselt werden können.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen

 

Literaturhinweise: Lohmeyer, Schmauch: Das Evangelium des Matthäus (Meyerscher Kommentar von 1962); Lutherbibel, revidierter Text von 1985;Jesus von Nazareth und die Entstehung einer Weltreligion, in: Der Spiegel- Geschichte Nr.6 /2011; Tillmann Prüfer, Der heilige Bruno, Hamburg 2015

 



EKD-Auslandsbischof em. Dr. h.c. Rolf Koppe
Göttingen
E-Mail: koppe.hartmann@gmx.de

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