Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

6. Sonntag nach Trinitatis, 12.07.2015

Predigt zu Matthäus 28:16-20, verfasst von Karl Wilhelm Rennstich

 

16 Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte.

17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.

18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.

19 Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes

20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

 

Liebe Gemeinde!

  1. Das Evangelium kennt keine Grenzen

In der Geschichte der Ausbreitung des christlichen Glaubens seit 2000 Jahren begegnen uns Frauen und Männer, die in ihrem Leben soziale, kulturelle und sprachliche Grenzen überschreiten mussten. Angefangen bis Paulus und über Augustinus bis heute.

Es gibt neben geographischen auch kulturelle Grenzüberschreitungen. Hier ein Beispiel:

Der junge Missionar war viel unterwegs auf schlechten Strassen. Oft hatte das Auto eine Panne. Reifenwechseln war die Regel. Doch immer wenn die Reifen gewechselt werden mussten, setzten sich die einheimischen Mitfahrer unter einen Baum und ließen den jungen Missionar allein in der Hitze arbeiten. Der Missionar wollte niemand verletzen und dachte, wenn die Leute mir helfen wollten, dann würden sie es tun. Er sagte deshalb kein Wort, sondern ärgerte sich nur.

Eines Tages platzte dem jungen Mann nach dem zweiten Reifenwechsel der Kragen und er erschimpfte voller Zorn in seiner Heimatsprache –Schwäbisch! Die Leute konnten zwar die Worte nicht verstehen, sehr wohl aber, dass der junge Mann wütend war. Warum er denn so zornig sei, erkundigte sich ein älterer Mitfahrer sehr besorgt. Als Missionar den Grund seines Zorns erklärte und vorwurfsvoll hinzufügte: »Ihr wollt immer bloß mitfahren, aber nie helft ihr mir. Ich finde das nicht schön« brachte ihn die Antwort des alten Mannes aus dem Gleichgewicht: »Du hast uns ja noch nie gebeten, dir zu helfen«! Von diesem Augenblick an musste der junge Missionar seine Reifen am Landrover nie mehr allein wechseln.

Er hatte gelernt, dass das Bitten um Hilfe ein erster Schritt sein kann, um anderen Menschen würdevoll zu begegnen. Die Mission Jesu beginnt immer mit der Bekehrung des Missionars. Das musste Petrus lernen und Paulus und nach ihnen alle anderen Missionare bis zum heutigen Tag.

   2. Die Merkmale der Boten

Voraussetzung der Boten ist die Berufung in dieses Amt der Wortverkündigung. Paulus wird nach Acta 17,6 angeklagt, er beunru­hige die Menschen und versetze sie in Aufruhr. Die Boten sollen gerade heraussagen ,laut erklären und sich äußern. Die Träger der Mission sind Fischer, Arbeiter, Genossen oder Diener; soe werden im Neuen Testament Evangelisten, Verkündiger, Mit­arbeiter und Apostel genannt.. Nach 1 Tim 4,12 ergeht die Aufforderung an Timotheus, ein Vorbild (typos) in Liebe, Glaube, Reinheit zu sein. Christen sollen genau auf die Lebensführung ihrer Vorsteher ("Lehrer") achten und ihren Glauben nachahmen (Hebr 13,7) und (Jak 3,13) Weisheit durch ein gutes Leben unter Beweis stellen oder nach 1 Petr 2,12 durch einen guten Lebenswandel unter den "Nationen" diese dazu bringen, Gott dar­über zu preisen.

Die Zwölf Jünger werden nach Mt 10.8 ausgesandt zu predigen, zu heilen, Tote aufzuer­wecken und Dämonen auszutreiben, so wie nach Mk 1,34.39 Jesus heilte, predigte und Dämonen austrieb. Nach 1 Kor 12,6 ist Gott wirksam in den verschiedenen Geistesgaben, Diensten und Kräf­ten. Gott ist wirksam in der Mission des Petrus wie in der des Paulus, denn der Glaube wird durch die Liebe wirksam. Es wird nach Hebr. 11,33 Gerechtigkeit ausgeübt von der „Wolke der Zeugen“. Ernten steht immer im Zusammenhang mit dem Bild von Saat und Ernte.

Zur Arbeit der Missionare gehört auch das bauen (Mt 7,24) im Doppelsinn des Wortes Bauen von Gemeinden und Bauen von Häusern.

Die vor 200 Jahren (1815) gegründete Basler Mission sandte Missionare in alle Welt und zunächst durch englische und holländische Missionsgesellschaften. Eine Besonderheit der Basler Mission war ihre internationale und ökumenische Ausrichtung. Ihre pietistische –erweckte Frömmigkeit war wichtiger als die konfessionelle Bindung. Die Missionare sollten als »Boten des Evangeliums des Friedens und Verbreiter einer wohltätigen Zivilisation«(Blumhardt 1827) ihren Dienst tun. Den Begriff »wohltätige Zivilisation« definierte man damals in Basel als die »Wiedergutmachung von Europäern an Afrikanern begangenen Unrechts«. 

    3. Die Hindernisse auf dem Weg der Mission

Missverständnisse der Mission sind überreden, ver­hökern, ver­schachern, betrügen. Verhökern lehnt Paulus nach 2 Kor 2,17 besonders heftig ab, denn der Begriff geht zurück auf die Vorstellung, dass der Kleinhändler seine Waren auf dem Markt vom emporos (Großhändler) bezieht und diese Ware dann verteuert weiterverkauft im Kleinhandel. Die Nebenbedeutung des Betrügerischen und Gewinnsüchtigen beschreibt 2 Kor 2,17 so: "Wir ge­hören nicht zu den vielen Wortverkündigern, die das Wort Gottes verschachern, sondern in Lauterkeit Ehrlichkeit, Uneigennützigkeit, Sachlichkeit von Gott her (ermächtigt und inspi­riert) im Angesichte Gottes in Christus reden wir. Deshalb wollte Paulus wie der griechische Philosoph Sokrates für die Verkündigung seiner Botschaft kein Geld annehmen. Das Ziel der Mission ist der Ruf in die Nachfolge Jesu.

Wie ein roter Faden durchzieht das Evangelium der Liebe die hundert Begriffe für Mission und Evangelisation im Neuen Testament. Reich Gottes und christliche Liebestätigkeit sind, wie Gerhard Uhlhorn 1895 in seinem fundamentalen, über 800 Seiten umfassenden Werk: »Die christliche Liebestätigkeit« detailliert beschrieben hat, untrennbar mit einander verbun­den.

Zur Mission gehören aber auch als besondere Merkmale: Das Fremdenhaus, (latei­nisch Hospita), die Unterkunft für Fremde, Arme, Witwen, Waisen, Kranke und Sieche. Später entwickelte sich daraus das Hospital, Das christliche Xenodochium das Gästehaus war eine selbstverständliche Einrichtung der christlichen Gemeinden. Es war eine selbstverständliche Pflicht der Christen, Fremde im Hause aufzunehmen. Jeder Bischof stellte besondere Räume für Fremde in seinem Haus zur Verfügung für die wach­sende Zahl der Hilfe suchenden Fremden. Die Gastfreundschaft wurde zum eigentli­chen Erkennungsmerkmal der christlichen Gemeinde.

Im Urchristentum war Heilung etwas ganz Normales. Ein Kranker bittet die Ältesten für ihn zu beten, ihn zu salben, ihm die Hände aufzu­legen, erfahren wir aus dem Jakobusbrief 5, 13ff. Heil hat etwas mit Krankheit und »Nicht- Wohlsein« zu tun.

  1. Der Missionsauftrag ist keine christliche Sonderart

Muslime feiern zur Zeit Ramadan. Muslime haben beispielsweise den Auftrag, ihren Glauben weiterzugeben in Wort und Tat. Das koranische Wort für »Mission« heißt »dawah« und bedeutet: »Einladung, Ruf und Aufforderung«. Dieser Auftrag geschieht nach dem Willen Allahs: »In der Religion gibt es keinen Zwang“ (Sure 2, 256) Der islamische Glaube soll freiwillig durch den persönlichen Einsatz der Glaubenden weitergegeben werden. Das nennt der Koran dawah »Mission und benutzt dafür den Begriff jihad »permanente Auseinandersetzung des Gläubigen mit dem Bösen in der Welt«. (Muhammad MoghaddamDer Ramadan soll den Muslim stärken im Kampf gegen das Böse in sich uns rüsten für den Kampf gegen das Böse in der Welt.

Auch die Buddhisten haben einen Missionsauftrag. Der buddhistische "Missionsbefehl" in der Aussendungsrede Buddhas lautet:

»Geht auf die Wanderschaft, Mönche, zum Heile der Vielen, zum Segen der Vielen, aus Mitleid für die Welt, zum Nutzen, zum Heile, zum Segen für Götter und Menschen. Geht nicht zu zweit zusammen! Zeigt, Mönche, die Lehre, die im Anfang gut ist, in der Mitte gut ist, am Ende gut ist, im Geiste (wie) im Wort. Legt zutage einen voll erfüllten, reinen Tugendwandel! Es gibt Wesen, die mit nur wenig Staub auf den Augen geboren sind; wenn sie nicht von der Lehre hören, werden sie ver­derben«. 

In diesem Zusammenhang müssen wir auch den sogenannten Missionsbefehl Matthäus 28,16-20 hören:

18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle exousia im Himmel und auf Erden.

19 Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes

20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Einen einheitlichen Begriff »Mission« gibt es im Neuen Testament nicht. Sowohl Ferdinand Hahn als auch Martin Hengel kommen in ihren Untersuchungen über Urchristentum und Mission zum Ergebnis, dass die Kirche in den ersten drei Jahrhunderten eine missionierende Kirche gewesen ist und Lehre und Handeln dem Ziel der Weitergabe des Glaubens untergeordnet war. Rudolf Pesch stellte eine mindestens hundert Begriffe umfassende Terminologie im Neuen Testament zur Beschreibung der Mission zusammen.

In der deutschen Theologie dagegen kennen wir nur zwei Worte nämlich Mission und Evangelisation in Verbindung mit Gewalt. Das zeigt die Verengung der »Sache mit Gott« (Heinz Zahrnt) in der deutschen Theologie an. Viele deutsche Theologen streiten sich lieber darüber, ob die Worte aus dem Matthäusevangelium auch wirklich von Jesus selber stammen. Sie verdrängen lieber, was der ame­ri­kanische Philosoph Dworkins schreibt: »Die Zunahme von Ungleichheit, die Aushöhlung des Ge­mein­sinns. Das autonome, (seiner!) Natur und der Gemeinschaft entfremdete Ich der neuzeit­li­chen Subjektivität, die nur das Rechnen und Machen gelten lässt, ist mit seinem Herr­schaftswillen an die Grenze zur Selbstzerstörung gelangt«.

Bis heute lesen wir im kirchlichen Taufbefehl: Mir ist gegeben alle Gewalt und vergessen oft, dass Jesus sagte exousia. Das bedeutet etwas anderes. Es kommt von ousia und bedeutet Sein (im Gegensatz zu Haben wie uns Erich Fromm in seinem Buch, Haben oder Sein zeigt). Mir ist gegeben alle aus dem SEIN kommende Kraft sagt Jesus. Der Missionar Paulus bekennt von sich, dass er gelernt habe: »Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig«.

    5. Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig

Unser Text wird oft »Missionsbefehl« genannt. James LaGrand (The Earliest Christian Mission to ‚All Nations’ in the Light of Matthew´s Gospel. University of South Florida. International Studies in Formative Christianity and Judaism. 1995, S. 235ff)- gebraucht den Ausdruck: »The Great Commission« und erinnern daran, dass der Text Mt. 28, 16- 20 einen großen Einfluss auf die missionarische Bewegung der Kirche hatte.

Der englische Schuhmacher William Carey beendete 1792 mit seinem wirkungsmächtigen Buch, An Enquiry into the Obligation of Christians to use Means for the Conversion of the Heathen (Eine Untersuchung in die Pflicht der Christen, um Mittel für die Bekehrung der Heiden verwenden) die bis dahin geltende reformatorische Auslegung, dass Mission nur auf die elf Jünger (und Paulus) bezogen gewesen sei. Er leitete damit die moderne Missionsbewegung ein.

Die Geschichte der Kreuzigung und Auferstehung Jesu steht in enger Verbindung mit Mt. 28, 16- 20. Damit erhebt die Frage, wie das griechische poreuthentes in Kapitel 28, 20 übersetzt werden soll. Martin Luther übersetzt: »Darum geht hin...«. Aber ich folge hier lieber meinem alten amerikanischen Freud James LaGrand. Er übersetzt: »Going therefore«. Deshalb geht hin! Es handelt sich also nicht um einen »absoluten Missionsbefehl«. Mission bedeutet dass wir an der Mission Jesu partizipieren sollen. Die zwei Partizipien »taufend« und »lehrend« fassen den Auftrag Jesu auf Erden zusammen. Sie erhalten nun weltweite Geltung unter der Verheißung:, »alle Tage« oder »den ganzen Tag« heute und morgen bis zum Ende der Tage. Die tröstende Gewissheit, dass die Jünger auf ihrem Weg nicht allein sein werden ist zusammengefasst in den Worten: »Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende«. In Matthäus 1, 23 lesen wir: »sein Name ist Immanuel- Gott mit uns«. James LaGrand, (S. 247) übersetzt:»As you go make disciples of all nations ...« ( machet zu Jüngern alle Völker .) Die christliche Gemeinde führt die Sendung Jesu weiter unter den gleichen Bedingungen wie der Meister. Jesus kam vom Kreuz. Die Begleiterscheinung der Ausbreitung des christlichen Glaubens war zu Begin die Verfolgung und Unterdrückung der Gemeinde wie die Apostelgeschichte berichtet. Sie ist es auch heute noch in vielen Teilen der Erde.

Vor wenigen Tagen kam im Zusammenhang mit der 200 Jahre Basler Mission Feier eine größere Gruppe junger Christen aus Sabah / Malaysia. Die Gruppe lud uns alte Basler Missionare ein und wir verbrachten einen langen Nachmittag mit den Enkeln derer, denen ich einst vor einem halben Jahrhundert als Missionare das Evangelium verkündigte. Mein ältester Sohn ist in ihrem Land beerdigt, zwei meiner Kinder sind dort geboren. Und nun durften wir alten Missionare mit großem Erstaunen die Rede des Ersten Vorsitzenden der Protestantischen Kirche , Senior Professor an der Sabah Universität in Kota Kinabalu, anhören. Ich erinnere mich an ein Bild als er mit meinem jüngsten Sohn auf der Veranda unseres Hauses in Sabah krabbelte. Beide sind heute Professor. Und Prof. Dr. Paul Porodong sagte; Wir danken euch, dass ihr uns das Evangelium gebracht habt. Es hat uns frei gemacht, so dass wir ohne Angst vor den rongon (Geistern) leben können.

Wir alten Missionare durften mit beschämender Freude erleben: Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig. Der junge Missionar am Anfang der Geschichte war ich. Mission beginnt mit der Bekehrung des Missionars und hier bei uns sicherlich mit der Bekehrung der Kirche, für die Wort Mission noch immer ein Fremdwort ist.

Amen



Prof. em. Dr. Karl Wilhelm Rennstich
Reutlingen
E-Mail: kwrennstich@googlemail.com

(zurück zum Seitenanfang)