Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

8. Sonntag nach Trinitatis, 26.07.2015

Predigt zu Matthäus 5:13-16, verfasst von Christian Anders Winter

 

Gnade sei mit euch von dem, der da war und der da ist und der da kommt. Amen.

Liebe Gemeinde,

wir haben Kabelfernsehen, und wenn ich mich an einem verregneten Nachmittag durch die verschiedenen Kanäle der privaten Anbieter durchzappe, dann stoße ich immer wieder auf sog. „reality shows“ oder „lifestyle-Magazine“. In diesen Formaten geht es zumeist darum, daß sich Prominente oder auch solche Menschen, die sich dafür halten, mit ihrem Leben, ihren Häusern, Autos oder Einkaufsgewohnheiten präsentieren, ganz im Sinne eines „Schau mal, das alles kann ich mir leisten, weil ich prominent und toll bin“. Manchmal habe ich dann schon das Gefühl, je exzessiver sich jemand darstellen kann, desto besser/ wichtiger/ angesagter ist er oder sie dann auch (oder glaubt es zumindest zu sein). Da werden voller Stolz die Superküchen mit den größten und neuesten Gerätschaften vorgeführt (auch wenn auf die Nachfrage des Reporters dann meist die Antwort kommt: „Na ja, wir kochen eher nicht, sondern gehen lieber essen“), da gibt es eigene Privatkinos und Räume fürs Billiard- oder Basketballspielen, und unter einem Fuhrpark von mindestens 5 oder 6 verschiedenen, vom Tuner individualisierten Autos der Luxusklasse ist niemand so richtig zufrieden. Da kostet der Designergrill dann gerne schon mal € 30000.-, und das Edelfleisch auf dem Grill ist natürlich auch entsprechend teuer. Oder es wird stolz davon erzählt, wie bei einem Shopping-Ausflug oder dem Abend in der Diskothek dann schon gerne einmal hohe vier- oder fünfstellige Beträge über den Tisch gehen – man kann es sich ja leisten, und die Freunde/ die Gesellschaft erwarten natürlich auch nichts anderes. Je extremer der Auftritt, je mehr er für mehr oder weniger sinnvolle Dinge springen läßt – so scheint es – desto bedeutsamer ist dann auch der Mensch, über den berichtet wird. Ist das gemeint mit dem Licht, das man nicht unter den Scheffel stellt?

Früher galt ja einmal der Satz „Mehr sein als scheinen“ als ein Ideal, heute – so zumindest ist mein Eindruck – gilt der Schein oft mehr als das sein. Sicher, es gibt auch andere Menschen, Reiche, Superreiche, die nicht so handeln, Menschen wie z.B. Bill Gates, der Chef von Microsoft, der mit seiner mit Milliarden ausgestatteten Stiftung humanitäre Projekte in der Welt unterstützt. Aber diesen stehen dann gefühlt weitaus mehr gegenüber, deren Reichtum – egal, ob nun ererbt oder selbst erwirtschaftet – vor allem der persönlichen Selbstbeweihräucherung dienen… natürlich kann man an dieser Stelle kritisch anmerken: das ist dann wohl der Sozialneid der finanziell nicht so gut Gestellten, der sich hier bemerkbar macht. Aber ich denke, da steckt schon mehr dahinter.

Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt – damit meint Jesus eben etwas Anderes als ein bloßes „Schau mal, wie toll ich bin“. Christen – so sagt er – sollen sichtbar sein, eben wie ein Licht in der Dunkelheit. Sie sollen zeigen, wer und was sie sind, aber nicht um ihrer selbst willen, sondern damit andere in ihnen Gottes Liebe erkennen können. Christen sollen ein sichtbares Zeichen aussenden für das, wofür sie, wofür unser Glaube stehen. Beide Bilder stehen also für die Rolle, die Christen in der Welt wahrnehmen sollen, und sie sind zugleich Bilder auch für das, was wir als Nachfolge Christi beschreiben. Dabei ist uns heute vielleicht gar nicht mehr bewußt, wofür gerade auch dieses erste Bild, das vom Salz der Erde, eigentlich steht, warum Salz so etwas Kostbares und Einmaliges ist. Denn Salz ist doch bei uns eher in Mißkredit geraten. Wir wissen heute, daß es – zu hoch dosiert – zum Bluthochdruck mit all seinen Nebenwirkungen führen kann, versuchen bewußt zu essen, Salz im Übermaß zu vermeiden. Aber zur Zeit Jesu und selbst noch im Mittelalter war Salz, das weiße Gold, etwas sehr Wertvolles. Es machte Speisen schmackhaft, vor allem aber diente es der Konservierung von Lebensmitteln, war also eine Grundvoraussetzung dafür, daß man durch die Zeiten kam, in denen es eben keine frischen Produkte mehr gab, machte den Fernhandel mit Fisch z.B. überhaupt erst möglich. Im Englischen gibt es ein geflügeltes Wort, „below the salt – unterhalb des Salzes“. Das mit Salz gefüllte Gefäß auf der Tafel der Reichen markierte sozusagen die Grenzlinie zwischen „denen da oben“ und den anderen, den weniger wichtigen Gästen also. Je nachdem, an welchem Ende der Tafel man eben saß, gehörte man dazu oder auch nicht. Wenn Jesus also zu seinen Jüngern – und damit letztlich auch zu uns sagt: Ihr seid das Salz der Erde, dann mißt er ihnen, dann mißt er uns einen Wert zu, der uns modernen Menschen gar nicht mehr so bewußt ist. Sie, die Jünger, wir, die Christen von heute, sollen der Welt, dem Leben, Geschmack und Tiefe geben, etwas, was ohne uns, ohne das sprichwörtliche Salz fehlen würde. Aber damit verbindet sich zugleich der Anspruch: tut das dann auch, seid mutig, bekennt euch zu dem, wofür ihr, wofür ich, Jesus, stehe. Sonst erfüllt ihr nicht den Auftrag, den ich euch gegeben habe, sonst geht es euch wie dem Salz, das eben nicht mehr salzt, eben nicht mehr zu schmecken ist. Es ist zu nichts mehr nütze, als daß man es wegschüttet und läßt es von den Leuten zertreten.

Und in dem zweiten Bild, dem Bild vom Licht, wird dieser Gedankengang von Jesus noch einmal aufgegriffen. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Seid erkennbar, sagt Jesus zu den Jüngern, zu uns. Verbergt euch nicht, zieht euch nicht in die Heimeligkeit des Wohnzimmers oder eurer Gemeindehäuser zurück, seid Kirche für die Welt in der Welt. Tut gute Werke – nicht, weil ihr deswegen gelobt werden wollt, weil ihr glaubt, ihr müßt sie tun, um Gott zu gefallen, sondern tut sie als Zeichen dafür, daß ihr verstanden habt, wofür unser Glaube steht – eben für die Liebe zu Gott und die Liebe zu unserem Nächsten. Schämt euch nicht des Evangeliums, schämt euch nicht dafür, an Gott zu glauben, schämt euch nicht dafür, Christen zu sein. Dann wird das Licht Gottes, das euch erfüllt, über euch hinausstrahlen und die Welt ein bischen heller machen.

Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt – was bedeutet das nun konkret für uns, wo können wir Salz der Erde, Licht der Welt sein oder werden? Ich denke, wichtig ist, daß das letztlich überall sein kann. So, wie jeder einzelne von uns seine je eigenen Gaben und Fähigkeiten hat, wie es Dinge gibt, die man gerne und gut tun kann, so können wir uns – wenn wir wollen – an ganz unterschiedlichen Orten und in ganz verschiedenen Arten und weisen einbringen. Da ist vielleicht jemand, der gerne Verantwortung für die Gemeinde übernehmen möchte – da könnte es die Mitarbeit im Kirchengemeinderat oder in einem der Arbeitsausschüsse der Kirchengemeinde sein, wo er oder sie an der richtigen Stelle ist. Da hat vielleicht jemand Freude daran, mit den modernen Medien zu arbeiten und könnte sich die Pflege der Homepage oder des Facebook-Auftrittes vorstellen. Andere möchten vielleicht mehr mit Menschen direkt zu tun haben, wären im Besuchsdienst oder den verschiedenen Kreisen der Gemeinde genau richtig. Aber Salz der Erde, Licht der Welt kann auch noch in viel weniger organisierter Form stattfinden – indem man sich um den Nachbarn, die Nachbarin kümmert, sich für Flüchtlinge und Menschen in Not vor Ort oder auch in der Welt engagiert, seine Stimme erhebt, wenn Unrecht geschieht oder Schwache Hilfe brauchen, als Christ im Alltag erkennbar ist – die Möglichkeiten sind unbegrenzt… Nichts anderes hat ja schon der Apostel Paulus im 1. Korintherbrief mit den vielen unterschiedlichen Gaben beschrieben, die als Gabe des Heiligen Geistes doch alle zu einem gemeinsamen guten Zweck gebraucht werden können und sollen. Wichtig aber ist und bleibt für mich auch, sich immer wieder deutlich zu machen: es geht hier eben nicht um ein gesetzliches „Du mußt jetzt aber…“, sondern vielmehr um die entlastende Ermutigung: „Du kannst…“.

Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt – in diesen zwei Bildern wird deutlich, wieviel Gott, wieviel Jesus einem jeden von uns zutraut. Zugleich werden wir in diesen Bildern aber auch ermutigt, zu unserem Glauben zu stehen, ohne darum – wie man in Norddeutschland sagen würde – nun ein „großes Gewese“ zu machen. Denn das, was wir im Glauben sind, ist nicht unser eigener Verdienst, sondern ein Abbild des durchscheinenden Glanzes der Liebe Gottes zu uns Menschen. Und – einmal ehrlich – ist das nicht eigentlich viel mehr wert als eine Flotte von Luxusautos oder die riesengroße Villa mit Swimmingpool und Tennisplatz?

Gebe Gott, das wir mutig zu unserem Glauben stehen und unser Licht nicht unter den Scheffel stellen, denn wir sind das Salz der Erde, darauf dürfen wir vertrauen. Warum ich mir da so sicher bin? Jesus selbst hat uns dies verheißen. Amen.

 



Pastor Dr. Christian Anders Winter
Niebüll
E-Mail: Christian.winter@disanet.de

(zurück zum Seitenanfang)