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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

8. Sonntag nach Trinitatis, 26.07.2015

Salz und Licht
Predigt zu Matthäus 5:13-16, verfasst von Eberhard Busch

 

„Ihr seid das Salz der Erde.“ „Ihr seid das Licht der Welt“. So sagt es hier Jesus seinen Jüngern. Wie konnte er das nur sagen! Nämlich von dem bunt gewürfelten Häuflein von lauter Durchschnittsmenschen, die damals um ihn herum versammelt waren! Leute, mit ihren sicher auch netten Seiten, auch mit ihren Fehlern. Gewiss auch mit ihren Hoffnungen, auch mit einem unschönen Ehrgeiz, aber auch mit ihren schweren Nachteilen. Kurz, von Menschen „wie du und ich“. Menschen, wie sie auf unseren Straßen laufen, wie irgendwie auch wir selber sind. Ihnen wendet sich Jesus hier zu. Ihnen sagt er nicht bloß ein paar Höflichkeiten, ihnen wäscht er auch nicht den Kopf. Ihnen sagt er vielmehr das schier Ungeheure auf den Kopf zu: „Ihr, ihr seid das Salz der Erde. Und ihr seid das Licht der Welt.“ Das ist ja wirklich nicht zu fassen: Ihrseiddas!

Und da diese Jünger damals so Durchschnittsmenschen waren wie unsereins heutzutage, ist es von Jesus tatsächlich auch uns auf den Kopf zu gesagt. Wer ihr auch seid, wo ihr herkommt und was ihr alles vorhabt, Jesus unterbricht uns heute und sagt uns: „Ihr seid das Salz der Erde und ihr das Licht der Welt.“ Kaum zu glauben, aber wahr: wir sind gemeint. Sein Finger zeigt auf uns: Ihr werdet gebraucht!. Möchten wir uns da nicht lieber hinter dem Rücken eines Anderen verstecken? Oder davonlaufen? Es einfach überhören? Oder so tun, wie wenn uns das gar nichts anginge? Aber bitte, wenn wir so reagieren, sind wir nahe dran zu verstehen, was für Beunruhigendes Jesus in diesen zwei Sätzen ausspricht: Ihr seid das Salz der Erde und ihr das Licht der Welt! Was ist mit uns, was soll aus uns werden, wenn das stimmt! Was sagt uns Jesus denn damit?

Er sagt uns damit Zweierlei, was Beides doch aufs engste zusammengehört. Er sagt uns zunächst: Ihr Christen unterscheidet euch von der übrigen „Welt“ und von dem, was auf Erden gang und gäbe ist Und das obwohl auch euch gilt, was von allen gilt: „Von Erde bist du genommen und sollst wieder zu Erde werden.“ Gleichwohl: „Ihr seid das Salz der Erde“, und „Ihr seid Licht der Welt“. Ihr seid etwas Besonderes in der Welt und gegenüber euren Mitmenschen. Ihr seid gewiss auch keine Engel, auch keine Besserwisser und keiner wird sich etwas darauf einbilden, vor den Anderen bevorzugt zu sein. Ihr seid Menschen, so wie die Anderen auch, Menschen mit Ecken und Kanten, mit Härten und Schattenseiten, gewiss. Aber als solche unterscheidet ihr euch von den Anderen. Und würdet ihr euch nicht von ihnen unterscheiden, so wärt ihr immer noch so nett, wie ihr vielleicht von euch denkt. So wärt ihr jedoch keine Christen. Seid ihr Christen, dann seid ihr Licht der Welt und Salz der Erde.

Wie kommen Menschen „wie du und ich“ dazu, das zu sein? Wie kommt Ihr dazu, euch derart von den Anderen zu unterscheiden? Nicht so, dass ihr euch dazu aufschwingt oder dass ihr euch das nur einbildet. So kommt ihr dazu – durch den, der das zu uns sagt: „Ihr seid das!“ Durch Christus kommen wir dazu, Christen zu werden. Er ist das Licht, und in seinem Licht werden wir wie die Reflektoren des Nachts am Straßenrand das Licht widerspiegeln, das von ihm her auf uns fällt. In der Ausrichtung auf ihn müssen wir nicht länger den Parolen und Einflüsterungen auf den Leim gehen, die täglich auf uns eindringen. Dann hören wir immer wieder zuerst auf den, der diese unsere Welt geradezu „überwunden“ hat, wie es im Johannesevangelium heißt (16,33). Er hat sie grundlegend verändert, dadurch, dass er aufgedeckt hat: Unsere Welt braucht Erbarmen, stromweise, unendlich viel Erbarmen. Mehr noch: dieses Erbarmen hat er ihr zugewendet. Dadurch hat er unsere Welt verändert. Er hat es dadurch, dass nun Er als ein unverlöschliches Licht leuchtet über allem öden Grau und über allem schwer durchschaubaren Dunkel, was es sonst bei uns gibt.

Und Christen sind Menschen, die das zu merken beginnen. Ihnen ist ein Licht aufgegangen. Oder mit dem anderen Bild: sie sind auf den Geschmack gekommen. Wie gesagt, ganz Menschen wir unsereins, ganz vergebungsbedürftig sind sie. Aber das haben sie zu merken begonnen. Und nun heißt es bei ihnen, wie Paulus schreibt: „Eure Rede sei lieblich und mit Salz gewürzt“ (Kol 4.6), das Bild vom Salz bedeutet wohl: sie sei so, dass nichts Faules daran ist. Haben wir etwas von dem himmlischen Erbarmen vernommen, dann dürfen wir Angenehmes verbreiten. Das ist allerdings die Gefahr im Christenleben, dass wir das vergessen oder verdrängen könnten. Diese Gefahr tritt ein, wenn wir nicht mehr auf die Stimme Jesu hören. Dann schiebt sich eine dunkle Wolke zwischen ihn und uns. Dann beginnt einem schnell das allzu eindrücklich zu werden, was im Tagesgeschwätz auf uns eindringt. Dann wird man wohl auch jemand, der seine Fahne nach dem Winde hängt. Dann nennt man sich vielleicht immer noch einen Christen. Aber man ist wie ein Salz das salzlos geworden ist. Jesus sagt, „es ist zu nichts nütze, als dass man es wegschütte“. Und wenn man ein Licht anzündet, damit es leuchte, wäre es verkehrt, es unter einen Topf zu stellen. Jesus sagt uns: Nicht so, ihr lieben Christen! Ihr Christen unterscheidet euch von der übrigen Welt.

Aber jetzt müssen wir sofort das Andere hören, was Jesus uns mit gleichem Ernst sagt: Ihr Christen seid für eure Mitwelt da, für eure Mitmenschen, für eure Umgebung. Ihr seid Christen nicht für euch allein! Sonst seid ihr in Wahrheit keine Christen. So schärfte es vor 50 Jahren der Basler Theologe Karl Barth seinen Zeitgenossen ein: „Die Gemeinde Jesu Christi ist für die Welt da, will sagen: für alle, für jeden Menschen. Sie errettet und erhält ihr eigenes Lebens, indem sie es für die übrige menschliche Kreatur einsetzt und hingibt.“ Und schon der Reformator Calvin sagte über die Nächstenliebe zu den uns Fremden: Nein, „wir können es nicht schaffen, dass sie uns etwa nicht Nächste sind.“ Man kauft ja auch kein Salz, damit man es in einen Winkel auf die Seite stellt. Man kauft Salz, damit es in die Suppe kommt. Dazu ist es da. Und man besorgt sich auch kein Licht, um es im Dunklen zu verstecken. Man besorgt es, damit es im Dunklen Vielen leuchte. „Ihr seid das Salz der Erde.“ „Ihr seid das Licht der Welt.“

Die Welt – das ist unsere mit viel sinnvoller und auch sinnloser Arbeit oder auch mit Arbeitslosigkeit Welt. Das ist die mit viel Geschrei immer neuen Vergnügen nachrennende und immer neuen Idolen und Illusionen aufsitzende Welt, die Welt, in der schrecklich gehungert wird. Die Erde, das ist die aus vielen Wunden blutende, mit viel stillem Schmerz gefüllte und die an vielen Ecken brennende Erde, bei allen Fortschritten immer auch so rückschrittlich, übersät mit so viel Irrtum und Gewalt. Und ihr Christen sollt nun nicht abseits, neben dieser Erde stehen. Sondern dahinein gehört ihr. Ihr sollt euch von den Anderen unterscheiden. Aber dadurch sollt ihr euch von ihnen unterscheiden, dass ihr nicht zuerst an euch denkt, dass ihr für Andere, für Nah und Ferne ein Herz habt, für sie betet und arbeitet, für eure Mitwelt offene Augen und offene Ohren, einen offenen Mund und eine offene Hand.

Das Bild vom Salz kann uns dabei helfen. Was fehlt denn der Suppe, wenn ihr das Salz fehlt? Es fehlt ihr das Pikante und es fehlt ihr das Bekömmliche. Ohne Salz ist sie ohne Pfiff und Würze. „Ihr seid Salz“ – das heißt zunächst: Durch euch kommt etwas brauchbar Scharfes unter die Leute. Dadurch kommt ein ernstes Fragen unter sie. Ihr seid gewiss nicht ihr Richter. Aber ihr kennt ihren Richter. Ihr wisst, dass wir durch ihn einer gründlichen Kritik unterzogen werden. Gerade da, wo die Meisten sich in Sicherheit wiegen, da, wo sie allzu selbstzufrieden sind, da weist ihr auf ernste Fragen hin und wisst, dass ihr vor allen Anderen selbst gefragt seid. Da müsst ihr unruhig sein. Wir Menschen pflegen ja oft an der falschen Stelle ruhig zu sein. Gerade da müsst ihr die Fragen nennen, die auch euch selbst gestellt sind: Was ist recht? Was ist gut? Warum ist dieses so? Und warum ist jenes grundverkehrt?

Aber Vorsicht, ihr Christen, wenn ihr so fragt. Die Suppe soll wohl gesalzen werden. Aber sie darf nicht versalzen sein. Darum muss sofort das Andere gesagt werden: „Ihr seid das Salz“ – das heißt auch: Durch euch darf etwas Bekömmliches unter eure Mitmenschen kommen, etwas Genießbares, ja Erfreuliches. Ihr kennt doch den großen Freudenbringer. Bei seiner Geburt in Bethlehem sagten die Engel den Hirten: „Siehe, ich verkündige euch große Freude.“ Jetzt dürfen auch wir Freude verbreiten. Und das gerade da, wo die Menschen traurig und trübsinnig sind oder auch gelangweilt. So viele pflegen an der falschen Stelle unglücklich zu sein, pflegen über Abgründe erschrocken zu sein, die schon überwunden sind, pflegen an Wunden herum zu doktern, die längst verbunden sind. Da habt ihr Christen sie mit etwas Heiterkeit aufzuhellen. Da habt ihr ihnen zu zeigen, dass sie Grund haben, vergnügt zu sein. Also auf Beides weist uns das Bild vom Salz hin: Jesus befähigt und beauftragt uns dazu – Fragen stellen und Freude verbreiten. Und ähnlich ist es mit dem Licht: es kann blenden und kann leuchten. Dieses Beides, Beides je zu seiner Zeit, das ist gemeint mit dem Bild: „Ihr seid das Salz der Erde und ihr seid das Licht der Welt.“

Und das ist nun die andere Gefahr, die uns Christenheit oftmals droht: die, dass wir aufhören könnten, Salz für die Erde und Licht für die Welt zu sein. Dann wird sie zu einer Kirchenwelt, die in sich selbst schwingt und kreist. Da wird sie zu einer Anstalt, in der man seine Religion und seine Glaubenswelt pflegt, vielleicht traditionell oder mit Saxophon. Aber das Kreisen um sich selbst, das ist eine böse Gefahr, weil wir Christen uns damit praktisch doch wieder der Welt gleichmachen. Denn das ist ja dieser „Welt“ eigentümlich, dass hier alle an sich selbst genug haben. Das ist wohl sogar die Wurzel alles Übels, dass wir geneigt sind, uns in unserem Bekanntenkreis abzukapseln. Und wenn auch Christen das tun, dann stellen sie sich damit der „Welt“ gleich. Dazu sagt uns Jesus: Wenn das Salz salzlos wird, dann kann man es nur noch wegschütten. Und wenn man ein Licht unter einen Topf stellt, dann leuchtet es nicht mehr.

Vor dieser Gefahr will uns Jesus bewahren. Darum ermutigt er uns: Ihr seid doch das Salz der Erde und seid doch Licht der Welt. Er wünscht es uns nicht bloß, das zu sein. Er fordert es nicht bloß: gebt euch alle Mühe, dergleichen zu sein! Er spricht uns das geradewegs zu: Und wenn ihr euch dazu noch so schwach oder untauglich fühlt, Ihr seid das! Das Salz kann nicht aufhören, Salz zu sein, und ein leuchtendes Licht kann nicht kein Licht sein. Eben so wenig könnt ihr aufhören, im Dienste Gottes für eure Mitmenschen einzustehen. Ihr könnt das verleugnen, ihr könnt euch dagegen versündigen, aber nur dagegen, als gegen etwas, was ihr nicht mehr los werdet. Ihr könnt es nicht mehr loswerden. „Ihr seid das Salz der Erde.“ „Ihr seid das Licht der Welt.“ Nun seid das, was ihr seid!

 



Prof. Dr. Eberhard Busch
37133 Friedland
E-Mail: ebusch@gwdg.de

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