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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

9. Sonntag nach Trinitatis, 02.08.2015

Geistliches Kapital
Predigt zu Matthäus 25:14-30, verfasst von Ralf Reuter

 

Mit den Pfunden wuchern, mit einem Lächeln, einem bestimmten Blick, einem Auftreten andere bezirzen, um den Finger wickeln, das können schon Kinder. Einsetzen, was man mitbekommen hat, einfach so, weil es da ist, Wirkung erzielt.

Seine Talente entfalten ist schon mehr, ist Ausbildung, Anstrengung, Horizont gewinnen. Doch welch eine Wirkung, welch ein Hebel im Leben. Eigenständig Geld verdienen, auf seinem Gebiet Experte sein, etwas zu sagen haben, gehört werden.

Noch mehr ist der Blick aufs ganze Leben. Hier sinnhaftes, erfüllendes auszumachen, es als Geschenk annehmen zu können mit allen Chancen und Risiken, und es wieder abgeben können, in die Freude des Herrn eintreten, das ist das größte.

Matthäus hat das Gleichnis von den anvertrauten Zentnern in die Endzeit von Jesus von Nazareth gelegt, zwischen den törichten und klugen Jungfrauen und dem Weltgericht. Es geht ums Ganze.

Denn es ist wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an; dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort.“

Man steht mit seinem Leben erst einmal allein da. Das merkt man sehr schnell in der Lehre oder im Studium. Da fällt einem nichts mehr zu, fremd und anstrengend ist es. Kann man an seine Ressourcen anknüpfen und sie einsetzen?

Später, in Übergangsphasen, nach der Familienzeit, im Ruhestand, geht es einem wieder so. Und in Brüchen, nach großen Veränderungen, Einschränkungen. Was soll ich machen? Wo hinziehen? Was bleibt im Lauf der Zeit bestehen?

Die Lebensbilanz wird sehr gemischt ausfallen. Fünf Zentner einsetzen, wenn es einigermaßen gut geht, kann man sie um fünf vermehren. Dann ist es Mühe und Arbeit gewesen. Ob in der Partnerschaft, in der Familie, im Beruf, im Einsatz in der Gemeinde.

Das ist bei dem, der zwei Zentner hat, nicht viel anders. Selbst mit einem Zentner lässt sich ganz ordentlich leben, es reicht völlig aus und fordert einen ganz. Alle drei haben genug mitbekommen, es ist kein substantieller Unterschied zwischen einer, zwei oder fünf Millionen, ihnen allen wird hier die Fülle von Chancen gegeben.

Doch der dritte nutzt sie nicht. Er vergräbt seine Möglichkeiten zum Leben. Wer hier innehält und in sich hinein horcht, der kann das Grauen dieses Gedankens spüren. Begabungen nicht ausgebaut, Entwicklungen verschlafen, seine Möglichkeiten vergraben. Leben kann scheitern.

Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist:“, sagt er bei der Wiederkunft des Herrn, „du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg den Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine.“ Er stellt ihm das geistliche Kapital ungenutzt vor die Füße.

Welche Chancen hätte er mit seinem Zentner gehabt? Geistliches Kapital, spirituelle Kraft, Leben vom Himmel her, Aktivierungsmodus für das eigene Selbst, damit ist Jesus von Nazareth unterwegs gewesen bis hinauf nach Jerusalem. Bei Matthäus dann die Deutung: das geistliche Kapital ist eine Anleihe für das ewige Leben, „geh hinein zu deines Herrn Freude.“

Ich glaube, diese durchaus hart daherkommende Geschichte im Vokabular der Wirtschaftssprache passt in unseren gesellschaftlichen Horizont. Wo sich fast alle darum kümmern, dass es sich für sie rechnet, sie ihren eigenen ökonomischen Vorteil haben, im Sinne einer Verteilungsgerechtigkeit, ihnen hart und fair zu sagen: Noch mehr als hier musst du geistlich investieren, sonst verpasst du das Leben!

Denn das Leben ist mehr als die Arbeit, die Freude mehr als die Sorge, die geistlichen Güter sind wertvoller als die irdischen. Ja, erst durch die spirituelle, himmlische Kraft wirst du Möglichkeiten haben, dein Leben wirklich zu entfalten, mit deinen Pfunden zu wuchern, deine Talente zu entfalten und sinnhaftes und erfüllendes auszumachen.

Mit dem Himmel wirst du plötzlich Zeit haben, dich wirklich deinen Aufgaben zu widmen, denn die Zeit geht bei Gott in die Ewigkeit über, dieser Jesus Christus nimmt dich mit in sein Reich. Der ganze Druck des Lebens, die Vertaktung in einem Marktgeschehen, das alles wird transzendiert. Nicht du bist der Funktionär, der funktionieren muss, sondern die Abläufe des Lebens werden zu Funktionen deiner Aktivität.

Deshalb bekommst du so etwas wie ein geistliches Kapital, soviel du brauchst für ein sinnhaftes Leben. Da steckt das ganze Gottesprogramm, der geistliche Horizont der Lebensgeschichte dieses Jesus drin. Nicht als fertige Weisheit, die du lernen musst, sondern als ein immer wieder neues Sehen, Hören, Fühlen und Handeln, das sich ein Leben lang entdeckend erschließt.

Wo die eigene Persönlichkeit unverzichtbar ist, denn darin vollzieht sich das Leben, erschließt sich nach und nach der Horizont des ewigen Lebens. Daher ist es so schade, wenn Menschen das Geschenk des Glaubens nicht kennen oder nicht annehmen wollen, ihre Chancen vergraben. Spirituelles Fitting, darauf kommt es an, so wollte man den Managern zurufen, und allen anderen auch.

Die Mühe und Arbeit des Lebens kann sich wandeln in Engagement und Aktivität, Freude am Leben in der Vorfreude auf das ewige Leben, nur auf das eigene sehen und daran genug haben, das Licht nicht unter den Scheffel stellen. Mit diesem Licht auch Gott selber beleuchten, er kann ein harter Mann sein, nicht immer sind seine Wege mit uns zu verstehen.

Doch das größte Unrecht fügst du dir selber zu, „wenn du dich nach dem Maßstab anderer mißt und dann dem Himmel vorwirfst, dass er dich nicht so geschaffen hat wie die anderen“, sagt Eugen Drewermann zur Geschichte. Auch der mit dem einen Zentner, in der Finanzsprache sicher eine Million oder mehr, bekommt nicht mehr raus als die, die mehr bekommen haben, auch er geht in die Freude des Herrn ein.

Sich selber treu bleiben, eine Haltung aus der Freude heraus entwickeln, aus einer starken spirituellen Kraft leben und dieses Leben gestalten, mit den Pfunden wuchern und Talente entfalten, sein Leben als Geschenk annehmen und es wieder abgeben, die Geschichte von den anvertrauten Zentnern ist randvoll gefüllt mit geistlichem Kapital.

 



Pastor Ralf Reuter
37079 Göttingen
E-Mail: RalfReuter@evlka.de

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