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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

11. Sonntag nach Trinitatis, 16.08.2015

Predigt zu Lukas 18:9-14, verfasst von Thomas-Michael Robscheid

Liebe Gemeinde,

unserem heutigen Predigttext werden die meisten braven Christen in seiner offensichtlichen Kernaussage, nämlich Gutes zu tun & damit nicht zu prahlen, zustimmen. Was gehen einem auch diese Schaumschläger, die ständig gesagt bekommen wollen, wie toll sie sind auf die Nerven! Ich bin mir sicher, dass Ihnen allen solche Leute sofort einfallen. Die laufen wie eitle Gockel durchs Leben. Man hat den Eindruck, alles - oft sehr umfangreiches - Engagement hat nur den Zweck, gut dazustehen. So ein Typ ist auch dieser Pharisäer. Besser ist es, seine Spenden schön bescheiden und unsichtbar ins Kollektenkörbchen klimpern zu lassen. Die Rechte soll nicht wissen, was die Linke tut. So ist´s nach Jesus richtig (Mt. 6,3)

Doch, liebe Gemeinde, nach nur ein paar Sätzen dieser Predigt kommt das „Aber“. Sehr gut habe ich nämlich auch Äußerungen aus dem Bereich des Diakonischen Werkes im Ohr: „Tue Gutes & sprich darüber!“

Ja, was denn nun? Gehört das Diakonische Werk zu den modernen Pharisäern? Und überhaupt; darf der Pharisäer nicht stolz darauf sein, ein ordentliches Leben zu führen und dabei auch seine sozialen Pflichten nicht zu vernachlässigen? 10% des Einkommens zu spenden, das bringen nur sehr wenige von uns zu Stande! Wie oft höre ich bei Taufgesprächen, wenn es um die Paten geht, dass dieser oder jener eigentlich ein Christ ist, aber wegen der Kirchensteuer... - der Rest der Rede verschwimmt dann in meinem Kopf schon fast zu einem bla, bla, bla.

Ich bin als Pfarrer auch für das wirtschaftliche Überleben der Kirchengemeinde mitverantwortlich. Solche großzügigen Spender wie dieser Pharisäer sind ein Segen und oft der Lichtblick in einer wirtschaftlich sonst eher trüben Situation! „Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. Also laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ - so Jesus an anderer Stelle (Mt. 5,15f)

Ganz offenkundig ist es auch Jesus nicht leichtgefallen, sich klar zum Thema Spenden & Gutes-Tun zu äußern. Die drei jetzt angerissenen Bibelstellen zeichnen ein schönes Einerseits-andererseits und spiegeln damit auch unsere Empfindungen 2.000 Jahre später wider.

Es ist eine Binsenweisheit, dass gemeinnützige Organisationen, die auf Spenden angewiesen sind, um diese Spenden werben müssen. Das funktioniert nicht dadurch, dass man im Verborgenen Gutes tut und niemand etwas davon mitbekommt. Nein, das funktioniert nur durch Öffentlichkeitsarbeit. Durch ein transparentes Finanzwesen, durch Bilder, Berichte & nicht zuletzt Anzeigen. Nicht anders sieht das in unseren kleinen Kirchengemeinden aus. Auch wir sind auf Spenden angewiesen. Es ist üblich, dass besonders in Zusammenhang mit Taufen, Hochzeiten oder Bestattungen, aber auch Goldene Konfirmationen und Jubelhochzeiten gespendet wird. Aber wieviel?, fragt sich mancher (& manchmal auch mich direkt!) 10,- € oder 1.000,- €? Ich glaube, es ist für viele Menschen durchaus hilfreich, wenn durch die bekannten Spenden anderer ein Maßstab existiert, an dem man sich orientieren kann. Für viele ist es bei den Kosten einer Hochzeit fast egal, ob 200,- € gespendet werden oder 500,- €. Für eine kleine Kirchengemeinde ist das aber keineswegs egal. Dies Differenz reicht bei den Dorfgemeinden, wo nur monatlich Gottesdienste stattfinden, um diese ein ganzes Jahr musikalisch ausgestalten zu lassen!

Wenn Diakonie & Kirche in dieser Welt auch weiterhin für Menschen in Not da sein wollen, dürfen sie ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, sondern müssen dafür Sorge tragen, dass Gutes handeln auch von der Gesellschaft wahrgenommen wird; Kirche & Diakonie, das sind dabei keine abstrakten, gesichtslosen Organisationen, sondern dass sind Sie, liebe Gemeindeglieder. Also laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Und seid nicht wie der Pharisäer! Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen...

Scheinbar drehen wir uns heute immer nur im Kreis: einerseits: Licht auf den Leuchter stellen, andererseits dann doch lieber wieder unter den Scheffel.

Doch dass wir hier nicht weiterkommen, liegt nur daran, dass wir manchmal vergessen, dass unser ganzes Tun und Lassen auf zwei Ebenen stattfindet: Da gibt es zum einen das Sichtbare: unser Handeln, die Folgen und die Ergebnisse, die das hat. Und zum anderen unser Wollen, unsere Absicht. Manchmal ist beides gleich: wir wollen Brötchen zum Frühstück essen und tatsächlich kaufen wir auch welche. Aber manchmal liegen auch Welten dazwischen! Da nehmen wir uns ganz fest vor, die Unterlagen für die Steuer gleich ordentlich zu sortieren & dann 5 Minuten vor der Angst wühlen wir uns doch wieder durch Berge unsortierten Papiers. Ein anderer übt wie verrückt Klavier und dann zum Vorspiel: lauter falsche Töne.

Um das Wollen & das Tun geht es auch beim Spenden. Dort wo die Absicht nicht Hilfe, sondern Glanz ist, dort ist diese Absicht falsch. Deswegen soll die Rechte nicht von der Linken wissen!

Da wo Gutes getan wird, wo aus einer Absicht Realität wird, soll das ein Licht sein, das möglicherweise andere motiviert, dass vor allem aber Finsternis vertreibt.

 

Es ist eine Gratwanderung. Sehr schnell werden wir der Pharisäer, der ohne Frage reichlich gibt, aber dabei in erster Linie sein Ego streichelt. Aber ebenso schnell wird die zweite Person unseres Gleichnisses, der Sünder seinerseits zum Pharisäer! Wenn er hinten steht, zerknirscht ist über die Diskrepanz zwischen seinem guten Willen und den schwachen Taten und dabei scheel auf den Spender im Licht blickt: „Wenigstens bin ich nicht so ein eitler Gockel...!“

Der Zöllner ist nicht besser als der Pharisäer, wenn er ihm die redlichen Absichten seiner guten Taten abspricht.

 

Und Sie, liebe Gemeinde, müssen genau diese Gratwanderung tagtäglich hinbekommen: Gutes Tun, dass in die Welt strahlt und sich nicht verleiten lassen, sich im Glanz dieses Lichtes sonnen zu wollen.

 

Der Friede Gottes, der größer ist als unsere menschliche Vorstellungskraft, bewahre Eure Herzen & Sinne in Jesus Christus. Amen.

 

 

 



Pfarrer Thomas-Michael Robscheid
Apolda&Kapellendorf
E-Mail: thm@robscheit.de

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