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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag des Kirchenjahres - Ewigkeitssonntag, 25.11.2007

Predigt zu Matthäus 22:23-33, verfasst von Tanja Schmidt

Zugrunde liegt der Predigt das Bild von Fra Angelico: Tanz der Engel und der Seligen, einsehbar unter: http://ancre.chez-alice.fr/danse/angelico.jpeg

 

Liebe Gemeinde,

 

unser heutiger Predigttext nimmt uns hinein in ein Streitsgespräch. Es findet zwischen Jesus und den Sadduzäern statt. Die Sadduzäer sind eine religiöse Gruppe in Israel. Sie unterscheiden sich von anderen religiösen Gruppierungen vor allem dadurch, dass sie nicht an die Auferstehung der Toten glauben. Darin sind sie uns Heutigen Verwandte im Geiste. Denn auch heute können viele Menschen nichts mehr mit dem Glauben an ein Leben nach dem Tod anfangen. Das geht nicht nur Atheisten und radikalen Skeptikern so. Auch viele von uns Christen bewegt so manches Mal der Zweifel. Uns, die wir nach der Aufklärung  leben, fällt es einfach schwer, an das ewige Leben zu glauben. Wir sind Zweifelnde, aber auch immer wieder Suchende und Fragende. Gerade an einem Tag wie heute, wo wir unserer Verstorbenen gedenken und wo uns die Frage bewegt, wo unsere Lieben denn nun sind nach ihrem Tod. Der heutige Tag lässt uns stärker als andere Tage nach einer tragfähigen Hoffnung fragen.

 

Als Fragende kommen auch die Sadduzäer zu Jesus. Allerdings sind sie schon innerlich festgelegt, sie sind nicht wirklich Suchende. Es geht ihnen lediglich darum, Jesus vorzuführen. Sie stellen ihm eine Fangfrage, die zeigen soll, wie absurd und irrational der Glaube an eine künftige Auferstehung ist. Die Sadduzäer erzählen eine listig ausgedachte Geschichte von sieben Brüdern, die hintereinander die kinderlos gebliebene Witwe ihres verstorbenen ersten Bruders heirateten, um für sie zu sorgen. Ihre Frage lautet: Zu wem wird die Frau zum Zeitpunkt der Auferstehung gehören, wenn sie doch mit allen sieben Männern verheiratet war?

Jesus antwortet ihnen und er antwortet doch auch uns, die wir suchen und fragen und zweifeln: Er antwortet: In der Welt der Auferstandenen heiraten die Männer nicht und auch nicht die Frauen, vielmehr werden sie sein „wie Engel im Himmel".

Diese Antwort ist kurz und doch gewichtig, wie ich im Folgenden zeigen möchte.

Allererst legt Jesus die falschen Voraussetzungen der Sadduzäer offen. Die Sadduzäer gehen, wie viele Menschen heute auch, davon aus, dass das Leben der Auferstandenen nichts anderes ist als eine Fortsetzung und Wiederherstellung des irdischen Lebens. Und an so eine Form der Wiederbelebung eines Toten kann ein Mensch doch nicht glauben! Ein Sadduzäer nicht und auch ein moderner, aufgeklärter Mensch im 21. Jahrhundert nicht! Das widerspricht doch dem gesunden Menschenverstand! - In diesem Punkt habt ihr Recht, sagt Jesus. Das zu glauben, verlangt ja auch keiner von Euch. Denn das Leben nach dem Tod ist etwas ganz anderes als eine bloße Fortsetzung des irdischen Lebens.

Die Auferstandenen werden vielmehr sein wie Engel im Himmel.

Jesus korrigiert die allzu konkreten Vorstellungen der Sadduzäer, indem er selbst auf jede konkrete Aussage verzichtet. Er sagt nicht: Die Auferstandenen sind Engel. Er wählt vielmehr einen Vergleich: Sie sind wie Engel. Und diese Redeform des bildhaften Vergleichs und der Umschreibung ist die für uns Menschen einzig angemessene. Denn keiner von uns irdischen Menschen hat die Ewigkeit je geschaut. Wir haben alle keine sinnliche Erfahrung mit dem himmlischen Leben. Als endliche Menschen können wir uns von der Ewigkeit daher auch kein konkretes Bild machen. Unser Erkenntnisvermögen reicht dazu nicht aus, um diese Wirklichkeit zu erfassen. Das heißt nicht, dass wir vom ewigen Leben schweigen müssen. Jedoch können wir über das himmlische Leben „nur" in Bildern und Umschreibungen reden, wir können das Unsagbare und Unbeschreibliche nur andeuten. „Wir können nichts darüber erkennen, sondern nur dichten" hat der große Theologe Friedrich Schleiermacher einmal in einem Trostbrief an eine neunzehnjährige Witwe, seine spätere Frau Henriette, geschrieben.

Wie das ewige Leben konkret vorzustellen ist, wissen wir nicht. Auch die Bibel spricht daher vom ewigen Leben immer „nur" in Bildern und Umschreibungen. Ihre poetischen Bilder sind dabei so aussagekräftig und ergreifend, dass Maler aller Zeiten sich von ihr inspirieren ließen. Auch der Maler Fra Angelico. Er hat sich durch Jesu Satz „sie werden sein wie Engel im Himmel" anregen lassen zu einem Bild, dass auch für uns nachaufgeklärte Menschen eine faszinierende und tröstliche Kraft entfaltet. Es heißt „Der Tanz der Engel und der Seligen" und Sie finden es auf ihrem Liedblatt.

Der Himmel wird auf diesem Bild als ein Ort der Geselligkeit vorgestellt. Auf der linken Seite tanzen die Engel, die an ihren Flügeln erkennbar sind, und die erlösten Seelen im Himmel einen Reigen. Von rechts oben werden die soeben Verstorbenen in diesen Kreis geführt. Für mich ein sehr tröstliches Bild: Es zeigt:  Die Verstorbenen sind auf ihrem letzten, schwierigen Weg nicht allein. Engel begleiten sie auf ihrem Weg von der Erde in den Himmel. Sie eröffnen ihnen den Weg in den Himmel.

Das Bild malt uns den Himmel vor Augen als einen Ort, wo wir Gott besonders nahe sind. Nach biblischer Tradition leben die Engel in besonderer Nähe zu Gott, sie leben vor Gottes Angesicht und loben ihn durch Gesang und Tanz. Und in dieses Leben in der unmittelbaren Gegenwart Gottes sind die erlösten Menschen nun aufgenommen. Ihr gemeinsamer Tanz strahlt Harmonie und Heiterkeit aus. Nichts kann sie mehr von der Liebe Gottes trennen.  

 

Ein weiteres fällt auf: Manche der Erlösten sind in ein intensives Gespräch mit ihrem Engel vertieft. Es scheint als legten sie ihm alle ihre Fragen vor. Der Himmel ist für Fra Angelico also ein Ort, wo wir Gott all das fragen können, was wir jetzt nicht verstehen und was uns schmerzt am Verlauf unserer Lebensgeschichte.

Paulus hat das einmal folgendermaßen formuliert: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht"

Und er hat damit gemeint: Jetzt ist unser Leben wie unter einer Decke verborgen. In der Auferstehung wird diese Decke weggezogen und wir werden unser ganzes Leben im Licht der Güte Gottes neu sehen. Wir werden verstehen lernen, was uns bisher im Dunkeln verborgen lag. Wir werden unser Leben so sehen, wie Gott es sieht und wir werden begreifen, wie Gott an uns gehandelt hat. Im Himmel werden wir unsere Lebensgeschichte mit ihren Wirren und Brüchen und damit uns selbst verstehen lernen.

 

Aber nicht nur das. Wir werden auch die anderen besser verstehen können. Manche der Erlösten auf diesem Bild befinden sich im intensiven Gespräch mit einem anderen erlösten Menschen. Es scheint, als sei im Himmel all das aufgehoben, was uns heute noch voneinander trennt. Die Missverständnisse und Vorurteile, die Angst voreinander und die gegenseitig zugefügten Verletzungen. Im Himmel werden wir auch das in Gottes Licht erkennen, was uns bisher am anderen im Dunkeln verborgen lag.

 

Ein letztes noch fällt mir auf. Unten rechts im Bild sehen wir, wie ein Engel einen der Erlösten zärtlich und tröstend in den Arm nimmt. Für mich ein zutiefst ergreifendes Bild. Denn es zeigt mir: Wir dürfen im Himmel mit unseren Tränen ankommen, mit all dem, was schwer für uns gewesen ist, mit den Wunden, die uns das Leben geschlagen hat und auch mit dem, was wir selbst falsch gemacht haben. Im Himmel darf geweint werden. Zugleich aber ist der  Himmel der Ort, wo Gott unsere Tränen abwischen, uns trösten und unsere Wunden heilen wird. „Gott wird abwischen alle Tränen von unseren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, Denn das erste ist vergangen."

 

Liebe Gemeinde, nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes, nicht einmal der Tod. Denn Gott ist nicht der Gott von Toten, sondern von Lebendigen. So finden wir heute in dem Wissen Trost, dass die Menschen, die wir in diesem Jahr verloren haben, umfangen sind von der Liebe Gottes. Gottes Liebe geleitet uns durch unser irdisches Leben und seine Liebe führt uns durch den Tod hindurch. In der himmlischen Heimat werden wir Geborgenheit finden nach unserem Tod. Dann wird kein Nichtverstehen und keine Dunkelheit mehr sein, keine Traurigkeit und keine Angst. Wir werden Gott schauen und uns selbst und die anderen Erlösten erkennen und verstehen - in Heiterkeit, Freude und Dankbarkeit.

Amen

 

Die Predigt verdankt viele Anregungen dem Aufsatz von Isolde Karle, „Erzählen Sie mir was vom Jenseits". Die Bedeutung des Himmels für die religiöse Kommunikation, in: EvTh 65 (2005) 5, 334-349



Dr. Tanja Schmidt
Pfarrvikarin in Heidelberg
E-Mail: tanja.schmidt@rub.de

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