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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

15. Sonntag nach Trinitatis, 13.09.2015

Predigt zu Matthäus 6:25-34, verfasst von Erika Reischle-Schedler

 

Liebe Gemeinde! In diesen Tagen bewegt uns das Schicksal von Menschen in Not, die an unsere Türen klopfen. Gerade das Gegenteil von dem, was Jesus predigt, scheint gefragt zu sein: Weitsicht für morgen. Eben nicht beim Heute stehenbleiben, weil es sich bitter rächen könnte, wenn nicht genügend Vorsorge getroffen wird! !Sorgt nicht für den anderen Morgen - es ist genug, daß ein jeder Tag seine eigene Plage habe" - aber der morgige Tag wird umso mehr Plage haben, je weniger ich heute um ihn sorge, möchte ich erwidern …..

Wir dürfen in der angespannten Situation, in der sich unsere Welt befindet und wir mit ihr - wir dürfen in dieser Situation solchen Fragen nicht einfach aus dem Weg gehen. Wohl aber möchte ich Sie einladen, sie für eine Zeit zurückzustellen, um nachher wieder auf sie zurückzukommen. Ich möchte Martin Luther zu Wort kommen lassen in seiner Auslegung des Evangelientextes, die ich bei Dietrich Bonhoeffer in dessen Auslegung der Bergpredigt gefunden habe: "Nun arbeitet kein Tier um seine Nahrung. Sondern ein jegliches hat sein Werk, darnach sucht's und findet seine Speise. Das Vöglein fliegt und singet, machet Nester und zeuget Junge; das ist seine Arbeit. Aber davon nähret sich's nicht. Ochsen pflügen, Pferde tragen und streiten, Schafe geben Wolle, Milch, Käse, das ist ihre

Arbeit; aber davon nähren sie sich nicht; sondern die Erde trägt Gras und nährt sie durch Gottes Segen. Also soll und muss der Mensch auch arbeiten und etwas tun. Aber doch danach wissen, dass ein anderer sei, der ihn ernähre, denn seine Arbeit, nämlich Gottes reicher Segen. Wiewohl es scheinet, als nähre ihn seine Arbeit, weil Gott ohne seine Arbeit ihm nichts gibt. Wiewohl das Vöglein nicht säet noch erntet, aber doch müsste Hungers sterben, wo es nicht nach der Speise flöge und suchte. Dass es aber Speise findet, ist nicht seine Arbeit, sondern Gottes Güte. Denn wer hat Speise dahingelegt, dass es sie findet? Denn wo Gott nicht hinlegt, da findet niemand nichts, und sollt' sich alle Welt zu Tod arbeiten und suchen!"

"Sich Regen bringt Segen" ... ja, das stimmt. "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen", ja, das stimmt auch. Aber etwas anderes stimmt eben nicht: Dass alles ausschließlich an meiner Arbeit hängt. Ich tue das Meine, ja, Wir alle sind nachdrücklich immer wieder aufgerufen, das Unsere zu tun - Aber das ist nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist das, wozu uns Jesus in seinen Worten ermuntert: Uns in all unserem Tatendrang nicht zu überschätzen. Nicht das Vertrauen zu verlieren, ohne das es sich sehr schwer und bitter anstrengend lebt. "Rechnet in all Euerm Tun nicht nur mit Euch selber, sondern mit dem Gott, der seine Menschen freundlich ansieht und will, dass ihr Leben gelinge", will Jesus uns sagen.

Und ein Weiteres: "Trachtet zuerst nach der Herrschaft Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird Euch das übrige zufallen!" In der englischen Sprache ist es zu einem gängigen Begriff geworden: "The german Angst" - die deutsche Angst. Da gibt es wenig Risikobereitschaft, da sind Vertrauen und Gelassenheit zu Fremdwörtern geworden, wenn wir verlernt haben, zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem zu unterscheiden. In Anbetracht des Elends vor unseren Haustüren mögen wir wieder anfangen, das wertschätzen zu lernen, was wir als selbstverständlichen Lebensstandard gelernt haben, hinzunehmen, und innezuwerden, wie wenig selbstverständlich es ist. "Habt Vertrauen!" mahnt Jesus, "Habt Vertrauen zu Gott!"

Ein neuer Einwand erhebt sich, dem wir Raum geben wollen: Gerade, wenn uns schrecklichste Bilder erreichen von Menschen, die Unsägliches durchzustehen haben - wo, bitte, ist da der von Jesus so bilderreich beschriebene gütige, freundliche Gott, der für seine Menschen sorgt? Wo ist er, wenn Hunderte jämmerlich ertrinken und bei schrecklichen Unfällen zu Tode kommen? Sind Jesu Worte in Anbetracht all des Elends, das uns vor Augen und Ohren kommt, nicht viel zu schön?

Wieder soll Martin Luther das Wort bekommen, diesmal nicht im wörtlichen Zitat, sondern lediglich in einer kurzen Zusammenfassung seiner wichtigen Gedanken. Zu den obigen Fragen würde er sagen: Hier ist der dunkle, verborgene Gott am Werk. Wenn wir uns an dem abzuarbeiten versuchen,

werden wir scheitern. Wir werden ihn nicht ergründen, allenfalls selbst in Verzweiflung geraten. Es kommt dem Menschen nicht zu, die verborgene Seite Gottes entschlüsseln zu wollen. Gott aber hat seine helle, seine freundliche, seine zugewandte Seite gezeigt ein für allemal in Jesus Christus. In IHM können wir erkennen, wer Gott wirklich ist. An IHN sollen und dürfen wir uns halten und in der Kraft dieses Vertrauens zu ihm das Unsere tun.

Der Prediger, der seine Stimme verlor und damit seines Pfarramtes verlustig ging, Philipp Friedrich Hiller - er wurde zum Liederdichter und damit zum Prediger weit über seine eigene Gemeinde hinaus. Er hat im Anschluss an unseren Evangelientext gedichtet: "Es sorge, wer nicht traut; mir soll genügen. Wovor mir jetzt noch graut, das wird Gott fügen. Er weiß, was nötig sei, so mag er sorgen. Mir ist des Vaters Treu auch nicht verborgen. Es zage, wer nicht hofft; ich will mich fassen. Er hat mich schon so oft erfahren lassen: Er hört Gebet in Not, wenn sie am Größten. Sein Geist kann auch im Tod mit Jesu trösten. So wein ich, wenn ich wein, doch noch mit Loben! Das Loben schickt sich fein zu solchen Proben. Man kann den Kummer sich vom Herzen singen. Nur Jesus freuet mich. Dort wird es klingen!" Amen.

 



Erika Reischle-Schedler
Göttingen
E-Mail: e.reischle-schedler@t-online.de

Bemerkung:
Liedvorschläge:
EG 427,1-5
EG 369,1-4,7
EG 371,7-10
EG 424,1-3



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