Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

15. Sonntag nach Trinitatis, 13.09.2015

Das Ziel bringt Dich auf den Weg!
Predigt zu Matthäus 6:25-34, verfasst von Christoph Rehbein

Predigt im Gottesdienst mit Taufe, Konfirmanden und Eltern

 

Liebe Gemeinde,

aus der Mitte der Bergpredigt spricht dieser Text zu uns. Darum lässt er niemanden kalt. Ich bin gespannt, als ich die Worte Jesu neulich einer Gruppe von Erwachsenen vorlese. Zwischen 30 und 60 Jahre alt sind sie – wir waren am Ratzeburger See auf einer Familienfreizeit. Mich interessiert vor allem die spontane Reaktion: Kritisch oder zustimmend? Die erste kommt von einer lebensklugen älteren Teilnehmerin. Sie ist begeistert von der Predigt Jesu und sagt: „Sehr, sehr schön. So soll es sein, wie Jesus sagt!“

Ich finde auch: Der Bergprediger will uns mitreißen mit dieser Ansprache. Nach vorn ziehen, mitten hinein ins Leben.

Wir sind ja auch auf dem richtigen Weg, oder? Wer betreibt denn noch Vorratswirtschaft? Und sammelt bügelfreie Hemden hinter riesigen Schrankwänden. Oder gar Einmachgläser im Kellerregal.

Wir leben doch nicht mehr in der Nachkriegszeit! Die jüngere Generation ist zwar geprägt durch einen hohen Durchlauf von Konsumgütern. Aber sie lagert nicht Sachen ohne Ende.

Und wir, die wir heute im Gottesdienst sitzen? Wir sind schließlich keine Heiden! Die andauernd am Sorgen wären wegen Essen, Trinken und Kleidung. Wir sind getaufte Christen, jedenfalls die meisten hier. Wir tragen nicht nur unseren persönlichen Namen. Wir sind getauft auf den viel größeren Namen Gottes. Den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Und unsere Gesellschaft ist geprägt vom christlichen Glauben und von Mitmenschlichkeit. Vielleicht mehr als wir ahnten. Das spüren wir am Fortbestehen der Willkommenskultur. Sie wissen, wovon ich spreche. Viele, sehr viele sprechen lieber von einer Herausforderung als von einem Flüchtlingsproblem. Sie sind bereit zum Teilen unseres Wohlstandes mit denen, die wenig haben. Jedenfalls in gewissen Grenzen. Manche sind sogar froh, ganz praktisch helfen zu können. Indem sie etwas abgeben von ihren vielen Gütern. In Hannover ist das Erstaunen in den Flüchtlingswohnheimen groß. Das Erstaunen darüber, wie viele Handtücher und wie viel Bettwäsche wir übrig haben. Bald müssen doch Scheunen gebaut werden, weil nicht alles sofort seinen Empfänger findet.

Liebe Gemeinde, sind wir so auf dem Weg zu einer gerechteren Welt? Ich weiß noch nicht so genau...

Ich denke, wir sind irgendwo zwischen Vers 32 und Vers 33. Wir sind keine Heiden mehr. Aber trachten wir zuerst nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit?

Der Weg ist noch nicht das Ziel. Wir sind noch immer die, die Jesus als Kleingläubige anspricht. Das Wort trifft uns, oder?

Wir sind vorsichtig im Glauben und sprechen wenig von Gott. In unserem Land ist Religion weitgehend Privatsache.

Hilf Dir selbst, so hilft Dir Gott. Auf diesen Glaubenssatz können wir uns einigen. Auf eine Art Kleinglaubensbekenntnis.

Jesus will ganz sicher mehr von uns!

Ich erzähle Ihnen noch von der zweiten Reaktion in unserer Gesprächsrunde am See. Einer spricht mutig vielen anderen aus der Seele. Er sagt, dieser Text bereite ihm Kopfschmerzen. Er müsse doch planen, wenn er für seine große Familie einkaufe. Auch an morgen und vor allem an das lange Wochenende denken. Im Sinne von Vorsorge und Fürsorge.

Nach seinem Einwurf haben wir uns folgendes klargemacht: Jesus ruft nicht zu ineffektivem Einkaufen auf. Die Speisekammer ist kein verbotener Raum. Einen von uns hat er ganz woanders erwischt. Ich habe eine Schwäche in Mathe, bin aber ein großer Kopfrechner. Viel zu oft rechne ich vor mich hin, wie viel Geld ich noch auf dem Konto habe. Damit ich ja nicht ins Minus gerate und meine blöde Bank hohe Sollzinsen kassiert. Meine Lebenszeit soll ich im Sinne Jesu für wichtigeres nutzen:
Trachtet vielmehr zuerst nach seinem Reich und seiner Gerechtigkeit, dann wird euch das alles dazugegeben werden.

Da ist das Ziel beschrieben. Das wäre was, unter dieser Überschrift zu leben! Wenn mir das gelänge, wäre ich ein echter Lebenskünstler.

Liebe Gemeinde, Jesus ist alles andere als ein Schönredner. Das zeigt der letzte Satz im Text: Jeder Tag hat genug an seiner eigenen Last.

Auch Jesus kennt Sorgen. Seine Freunde kapieren zu oft nur sehr langsam, was er will. In der Nacht vor seinem Tod, spätestens da, hat auch den Sohn Gottes die Angst übermannt.

Und in alldem gilt: Das Ziel seiner Predigt ist „sehr, sehr schön.“

 

Ich komme noch mal auf die Kopfschmerzen zurück. In einem etwas anderen Zusammenhang. Am See sprechen wir auch darüber, wie viele Schüler unter Kopfschmerzen leiden. Kinderärzte wissen traurige Lieder davon zu singen, dass sogar schon Zehnjährige darüber klagen. Weil der Notendruck steigt – manchmal bereits in der Grundschule. Es gibt Eltern, die wollen immer nur das Beste für ihre Kinder. Und von ihren Kindern! In guter Absicht belohnen sie Einsen und Zweien. Und ertragen nur sehr schwer mal eine Vier oder Fünf. Manche Lehrer nutzen ihre Macht aus und urteilen ungerecht. Sie haben ihre Lieblinge – und nicht immer bist Du einer von ihnen. Wie kann die Ärztin helfen? Pillen gegen überehrgeizige Eltern gibt es nicht.

Und was würde Jesus dazu sagen? Diese Eltern würde er wohl als Heiden oder als Kleingläubige ausschimpfen. Und den Schülerinnen könnte er sagen: Ihr braucht ein Ziel! Trachtet zuerst nach Gottes Herrschaft! Am Ende haben weder Eltern noch Schule die größte Macht über euch. Gott weiß den Weg für dich schon! Du wirst einen Beruf finden, der Sinn macht. Für dich und für andere. Und du bist frei in der Entscheidung. Nicht alle müssen Abi machen und studieren. Dem Reich Gottes kannst vielleicht gerade Du auch als Bäckerin dienen. Zugegeben: Das ist ein Ausbildungsberuf, der heute kein gutes Image hat. Aber irgendwann kommt die Zeit zurück und ist vielleicht schon da. Die Zeit, in der die Menschen wieder richtig leckeres Brot essen wollen. Und die Billigbrötchen im Supermarkt liegen lassen.

Und wenn Dir jemand sagt: Fotograf, das ist doch brotlose Kunst. Damit verdienst Du in Deutschland zu wenig. Dann kann es sein, dass Du trotzdem spürst: Genau das ist aber mein Ding! Und so klein ist mein Glaube nicht. Ich weiß längst, dass Geld allein nicht glücklich macht. Und ich mag sie, die Vögel am Himmel und die Lilien auf dem Felde...

Trachtet zuerst nach Gottes Gerechtigkeit! Dieser schwere Begriff bedeutet ganz einfach: Vor Gott sind wir ALLE gleich! Im Gottesdienst gibt es keine Trennung zwischen Einheimischen und Zugezogenen. Weder Parkett noch Loge. Getauft werden wir ALLE mit den gleichen Worten: Auf den Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Im Abendmahl essen wir ALLE von einem Brot und trinken vom gleichen Rebensaft.

Und noch ein letzter Gedanke: Ob unser Glaube noch klein ist oder schon mittelgroß: Wir können beten! Wir kennen einen Gott, der zuhört. Und dann für uns handelt, wenn es aus seiner Sicht an der Zeit ist.

In Philipperbrief (4,6) schreibt der Apostel Paulus:

Sorgt Euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.

Wir vertrauen darauf: Schon der morgige Tag wird für sich selber sorgen!

Amen.

 



Pastor Christoph Rehbein
Hannover
E-Mail: christoph.rehbein@reformiert.de

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