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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

17. Sonntag nach Trinitatis, 27.09.2015

Dreifacher Sieg
Predigt zu Matthäus 15:21-28, verfasst von Juraj Bándy

Wir haben nirgends in den Evangelien den Herrn Jesus so dargestellt, wie es in dieser Geschichte der Fall ist. Überall ist er liebevoll und barmherzig. Immer ist er hilfsbereit und hat für die Menschen Verständnis. Aber in diesem Fall ist er hart und gefühllos, als ob er ein steinernes Herz hätte. Auf den ersten Ruf der kanaanäischen Frau antwortet er gar nicht. So lesen wir, dass er auf den Ruf der Frau: „Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt“ kein Wort antwortete (V. 22 – 23). Er hielt es nicht für nötig zu antworten. Das ist aber noch nicht alles. Denn die Jünger, denen diese Frau schon auf die Nerven ging, baten ihn, dass er ihr Aufmerksamkeit widmete, er aber blieb er in seiner Antwort unerschütterlich und hart: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ (V. 24). Er hat auch die nächste Bitte der Frau abgelehnt und nur auf die vierte Bitte ließ er sich besänftigen und heilte das kranke Kind.

            So steht es geschrieben. So haben es die Evangelisten aufgezeichnet. So müssen wir auch diesen ungewöhnlichen Jesus annehmen.

            Wenn wir die kanaanäische Frau näher anschauen, müssen wir dann sagen, dass sie eine außergewöhnliche Person ist. Wie außergewöhnlich ist ihre Ausdauer und Glaube, sogar Hartnäckigkeit und Verstockung! Wie hart und verstockt hält sie sich zu seiner Überzeugung, dass nur Jesus ihrem Kind helfen kann. An dieser Überzeugung hielt sie fest, auch dann, als Jesus ihre Bitte ablehnte. Deswegen sprach dann der Herr Jesus mit Anerkennung: „Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! (V. 28).

            Wenn wir lesen, wie der Herr Jesus den Glauben von dem Hauptmann von Kapernaum lobte, könnten wir sagen: Na gut, das war ein Soldat, ein tapferer Mann, der einen festen Glauben haben konnte. Wenn wir von Männern hören, die einen starken Glauben hatten, wie z.B. Abraham, Moses, David oder Martin Luther, könnten wir wieder sagen. Na gut, das waren Männer, feste Charakter. Die konnten einen festen Glauben haben. Wir sind aber nicht aus so.

            Wenn der Glaube von der körperlichen Konstitution oder von der Festigkeit der Nerven abhinge, dann könnten wir so reden. Die Festigkeit des Glaubens hängt aber nicht von der körperlichen Stärke oder von den guten Nerven ab. Deswegen kann auch eine schwache Frau festen Glauben haben. Denken wir daran, dass der Herr Jesus diese Frau dreimal zurückwies und sogar beleidigte. Er verglich sie mit einem Hund. Die Wörter „Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde“ (V. 26) stellen eine Beleidigung dar.

            Als Martin Luther über diesen Text predigte, sagte er folgendes: „Wenn er (scil. Jesus) solche Worte zu mir gesagt hätte, ich wäre stracks davongelaufen und hätte gedacht. Es ist umsonst, was du tust, da ist nichts zu erlangen.“

            Luther hätte also so gehandelt. Wir hätten gewiss ebenso gehandelt. Diese Frau hat aber auch aus dem harten „Nein“ das hoffungsvolle „Ja“ gehört. Sie hat so überlegt: Gut, ich bin also ein Hund, der keinen Anspruch hat. Mir aber reicht die Position des Hundes, weil „doch fressen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen“ (V. 27). Sie sagte sich: Für mich ist auch ein Bruchstück der Gnade und Hilfe Christi genug. Deswegen bezeichnete der Herr Jesus ihren Glauben als groß.

            Die kananäische Frau erreichte mit ihrem Glauben einen dreifachen Sieg.

  1. den Sieg über sich selbst,
  2. den Sieg über den Herrn Jesus
  3. den Sieg über der Welt und ihrer Not.

 

Ad 1. Nicht deswegen sagte der Herr von dem Glauben der kananäischen Frau, dass er groß ist, weil sie große Kenntnisse von der jüdischen Religion hatte. Diese Frau nannte den Herrn Jesus nicht Davids Sohn deswegen, weil sie ganz im Klaren war, was dieser Titel bedeutet. Sie wusste von dem Sohn David nur so viel, was man aus den Alltagsgesprächen erfahren konnte. Sie wusste aber, dass aus der Macht des Teufels und der bösen geistlichen Wesen nur Jesus ihre Tochter retten kann. Das wusste sie. Das war ihr ganzer Katechismus und ihre ganze Theologie.

            Der Herr Jesus bezeichnet ihren Glauben als groß, weil sie sich selbst überwunden hat. Sie hat ihre Zweifel und die Lähmung ihres Glaubens überwunden, wenn es so ausgesehen hat, dass der Herr nicht hilft. Sie hat sich selbst überwunden, weil sie wortwörtlich zum dem Herrn geschrien hat.

            Ist das schon in deinem Leben vorgekommen, lieber Bruder und liebe Schwester, dass du zu Gott geschrien hast!? Ist schon in deinem Leben vorgekommen, dass dein Gebet ein Schrei gewesen ist? Ein Schrei aus der Not und aus der Verzweiflung? Wenn noch nicht, dann kannst du nicht ganz verstehen, worum es in dieser Geschichte geht. Du kannst nicht ganz verstehen, was für einen Kampf diese Frau mit sich selbst führt, wenn sie nach mehrfachen Ablehnungen noch immer bittet. Hab auch du Mut zu Gott zu rufen, zu schreien! Hab Mut zu ihm auch aus der tiefsten Not (Ps 130) zu rufen!

Ad 2. Es muss auch darüber gesprochen werden, warum der Herr Jesus die Bitte der Frau abgelehnt hat. Wollte er nicht helfen? Er wollte, aber jetzt konnte er noch nicht. Er war nämlich nur „zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ gesandt (V. 24). Er hat nur den Aposteln den Befehl gegeben, damit sie in die ganze Welt gehen und alle Völker zu Jüngern machen (Mt 28, 19). Früher nicht. Diese Frau war aber eine Heidin und damals, als sie um die Hilfe gebeten hatte, war die Zeit der Heiden noch nicht gekommen. Gott ist Gott der Ordnung, der eine Ordnung auch im Prozess des Heils der Menschheit einhält. Diese Frau hat aber so großen Glauben gehabt, dass Herr Jesus etwas solches getan hat, was nicht der Ordnung bzw. Reihenfolge Gottes entspricht. Nach Gottes Ordnung soll zuerst das auserwählte Volk errettet werden und erst dann die Heiden.

            Der Glaube der Frau hat den Herrn Jesus beim Wort ergriffen. Er hat nämlich darüber gesprochen, dass es nicht gut ist, „dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde“ (V. 26). Sie hat aber diese Worte so verstanden, dass sie auch auf einen Brocken Anspruch hat. Sie hat nicht gedacht: „Wieso kann ich als Heidin nur einen Brocken haben?“ Sie dachte aber: „Ich habe auch Anspruch auf einen Brocken der Gnade Gottes.“ Deswegen hat sie dann nicht eine Hundeportion, sondern eine Portion der Kinder Gottes bekommen. In diesem Fall verwirklicht sich wortwörtlich außenordentlich das Prinzip „Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.“ (Gal 3, 27).

Ad 3. Mit diesem Glauben hat die kananäische Frau auch über dem Leid und der Not in der Welt errungen. Ihre Tochter wurde geheilt. Der hoffnungslose Fall wurde gelöst, weil es für Christus keine hoffnungslosen Fälle und unüberwindlichen Hindernisse gibt. Die Heilung der Tochter stellt in der ganzen Geschichte nur eine Nebensache dar. Sie ist mit einem Satz erledigt: „Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde“ (V. 28). Der Schwerpunkt der Geschichte liegt in dem Ringen zwischen dem Herrn Jesus und der Frau. Dort geschah das Wunder. Das Wunder, von dem der Herr sagte: „Frau, dein Glaube ist groß“ (V. 28). Solchen Glauben hat der Herr selten getroffen. Mit einem Glauben, der den Sieg über die Welt bedeutet (1J 5, 4).

            Liebe Brüder und Schwester! In dem heutigen Predigttext haben wir den Herrn Jesus in einem ungewöhnlichen Licht gesehen. Wenn du manchmal den Eindruck hast, dass der Herr ungewöhnlich auf deine Bitten und Fragen antwortet, dann soll diese Geschichte für dich zur Ermutigung dienen, damit du mit ihm ringest. Er lässt sich gern von deinem Glauben besiegen! Amen.



Prof. Dr. Juraj Bándy
Bratislava
E-Mail: bandy@fevth.uniba.sk

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