Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

17. Sonntag nach Trinitatis, 27.09.2015

Ihr Nachbar braucht Liebe. Wissen Sie das?
Predigt zu Matthäus 15:21-28, verfasst von Thomas Jabs

21 Und Jesus ging weg von dort und zog sich zurück in die Gegend von Tyrus und Sidon.
22 Und siehe, eine kanaanäische Frau kam aus diesem Gebiet und schrie: Ach Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt.
23 Und er antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger zu ihm, baten ihn und
sprachen: Lass sie doch gehen1, denn sie schreit uns nach.
24 Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.
25 Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir!
26 Aber er antwortete und sprach: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.
27 Sie sprach: Ja, Herr; aber doch fressen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.
28 Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.


Liebe Gemeinde!
Jesus war im Ausland. Er machte Urlaub am Mittelmeer. Oder biblisch gesprochen Er zog sich zurück. Jedenfalls wollte er seine Ruhe haben. Er hatte sie sich redlich verdient. Schließlich hatte er in Galiläa vieles getan und bewirkt.
Er hatte sich bereits Feinde gemacht. Er hatte aber auch seine Bergpredigt gehalten, Kranke geheilt und Sünder besucht. Ständig war er von einer Menschenmenge umgeben und gefordert. Jetzt war er ins Ausland gegangen. Dort kannte man ihn noch nicht. Dort glaubte man sowieso an andere Götter als an den Gott Abrahams und Davids seinen Vater. Endlich mal in der Anonymität ausspannen.
Da kam diese Frau. Sie war dort eine Einheimische, für Jesus also eine Fremde, eine
Ausländerin eine Heidin. Diese Frau rennt ihm nach und schreit ihm hinterher. Sie war es, die ihn selbst hier nicht in Ruhe ließ. Ihm war sie lästig, den Jüngern war es peinlich. Er beachtete sie nicht, aber wurde sie trotzdem nicht los. Er hatte genug Leute, um die er sich kümmern musste im eigenen Volk und Land. Jetzt war endlich Urlaub. Kraft schöpfen für die Arbeit zu Hause. Nur für die verlorenen Schafe Israels. Da baten ihn die Jünger: Schick sie doch weg. So kam sie wenigstens dazu, ihm zu begegnen. “Herr hilf mir.”
Er aber wollte sie loswerden: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot wegnehme und gebe es den Hunden.”
Sie war gemeint. Und allzu deutlich war er gewesen: „Hund, Hündin“. Eines der
schlimmsten Schimpfworte im Orient musste sie sich anhören. Sie aber blieb hartnäckig eine Bittende: “Ja Herr aber doch fressen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.”
Jesus änderte seine Meinung. Er war bereit, dazu zu lernen. Er sah ihren Glauben, nahm sie darum als Person ernst und half ihr. Ihre Tochter wurde nicht mehr von einem bösen Geist gequält.


Liebe Gemeinde, wie geht es Ihnen?
Ist es egal, was Menschen zustößt, die mir egal sind, die ich nicht kenne?
Jesus war es anfänglich egal, dass diese Frau litt, die für ihn eine Fremde, eine Heidin war.
Doch bei Jesu änderte sich das. Der Fremden wurde er ein Freund.
Der Verachteten wurde er ein Helfer. Aus seiner Verfolgerin wurde eine Vertraute. Das hatte er gelernt und damit das Evangelium für die Welt geöffnet. Das hat Gott seinen Sohn lernen lassen, um es uns vor Augen zu führen:
Es ist nicht egal, was Anderen zustößt, was andere bewegt.
Dazu gibt es ein sehr schönes Zwiegespräch:
Mutter Theresa wurde einmal kritisiert: Sie helfe Moslems, die ihre christliche Hilfe gar nicht wollten und würde doch am schlimmen System dieser Welt nichts ändern: Sie entgegnete: „Ihr Nachbar braucht Liebe. Wissen sie das?“
Ihr Nachbar braucht Liebe. Wssen sie das? Das gilt auch uns und besonders in diesen drei Schritten, die uns von Jesus berichtet werden.
Als erste Situation: Jesus war zwar im Urlaub, aber die Frau blieb hartnäckig und ließ nicht locker. Das kennen wir beides. Die Schule ist aus, jetzt soll euch keiner mehr nerven. Wir haben Feierabend und wollen unsere Ruhe haben. Sie sind Rentner und wollen endlich kürzer treten. Man hat etwas mit der Familie vor und will nicht gestört werden und gerade dann, gerade jetzt muss eine anrufen einer kommen, jemand Hilfe wollen. Wie reagieren?
Hier wird uns Jesus als Mensch geschildert. So reagieren wir auch: Es geht uns auf die Nerven. und wir lassen das Telefon klingeln, wir sagen, dass wir keine Zeit haben, wir hören nicht zu oder reden uns raus.
Doch die Frau ließ sich nicht abschütteln. Sie war die aktive Person, sie brachte die
Geschichte Gottes in der Welt voran. Sie schrie ihre Not heraus, sie bat um Hilfe, sie ließ nicht locker.
Diese Hartnäckigkeit ist nicht gut oder schlecht. Sie hat ihre wichtige Funktion. Schlecht ist, dass sie unpersönlich ist. Doch dazu später.
Jetzt zum zweiten: die Jünger sagten Jesus: „Schick sie weg.“ Sie wurden aufmerksam und durchbrachen sein Schweigen. Sie sprachen ihn an, wo die Frau nur in den Wind schrie.
Sie wurden zum Fürsprecher für die, die selbst nicht das Ohr und Herz Jesu erreichte.
Suchen auch wir uns Fürsprecher, oder machen wir uns zu Fürsprechern? Es gibt
genügend Situationen, in denen wir jemanden brauchen oder von jemanden gebraucht werden als Fürsprecher, um gehört zu werden, hellhörig zu werden auf die Schreie die von anderen überhört werden, aufmerksam für die Not, die totgeschwiegen wird, Fürsprecher für die Menschen, die anderen nur auf den Geist gehen. Diese Menschen brauchen uns. Wir sollen sie hören, damit sie überhaupt gehört werden.
Dann kann auch das dritte eintreten, dass Hilfe kommt. Mit der Hilfe hat es eine doppelte Bewandtnis.
Einerseits die Hartnäckigkeit und den Glauben der Frau. Sie lässt sich selbst durch eine schlimme Beleidigung nicht entmutigen, sucht doch das persönliche Gespräch und zeigt ihr ganzes Vertrauen ihren Glauben diesem Jesus gegenüber.
Andrerseits Jesu Hilfe. Sie ist die folgerichtige Antwort auf dieses Vertrauen, das endlich doch eine wirkliche Begegnung, ein persönliches Verhältnis begründen konnte. Und darin, in einem persönlichen Verhältnis in wirklicher Begegnung liegt der Dreh- und Angelpunkt unseres Evangeliums und unseres Heils.
Jesus heilte, als er sich endlich persönlich angesprochen fühlte, als er endlich auch die Heidin als Mensch, als Frau in Not anerkannte. Jesus hatte es gelernt und die Jünger mit ihm. Sie wussten: Mein Nachbar braucht Liebe, egal wer er ist.
Lernen wir nur dies eine aus dem heutigen Evangelium, jeden Menschen, den wir
brauchen oder der uns braucht, persönlich kennenzulernen und ernst zu nehmen, dann werden wir manch bösen Geist aus dieser Welt vertreiben. Und lernen wir dann noch so hartnäckig an Jesus zu glauben wie diese Frau, dann werden wir ihm persönlich begegnen zu unserem ewigen Heil. Amen


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne
in Christus Jesus unserem Herrn.



Pfarrer Thomas Jabs
Berlin
E-Mail: Pfarrer.Jabs@kirche-mahlsdorf.de

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