Göttinger Predigten

Choose your language:
deutsch English español
português dansk

Startseite

Aktuelle Predigten

Archiv

Besondere Gelegenheiten

Suche

Links

Konzeption

Unsere Autoren weltweit

Kontakt
ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

18. Sonntag nach Trinitatis, 04.10.2015

Predigt zu Matthäus 22:34-46 (dänische Perikpenordung), verfasst von Lasse Rødsgaard Lauesen

Das Evangelium sagt, dass das Wichtigste ist, Gott und den Nächsten zu lieben, aber man merkt nicht viel von Liebe in dem Streit, den wir da erleben.

Man streitet sich, die Luft ist voller Vorwürfe und Fangfragen, die den anderen bedrängen sollen. Eigentlich hätte es ja ein romantischer Besuch im Kino werden sollen, aber dann nahm ein Wort das andere. Stimmen schneiden durch die Luft, am gegenüberliegenden Bürgersteig wendet man sich um, andere sehen weg. Sie streiten sich und gehen auseinander. Die Stille ist schlimmer als der Streit, denn da redeten sie ja noch miteinander. Auf dem Heimweg geht er mit dem Telefon in der Hand, wann schickt sie eine SMS mit einer Entschuldigung? Entschuldigung, das Wort, das das Gespräch wieder öffnet. So sieht ein Streit aus in unserer Welt, aber auch in diesem Evangelium. Die Fragen werden auch gestellt, um einander eine Falle zu stellen, und den Sadduzäern wird das Maul gestopft. Der Pharisäer beteiligt sich dann am Streit und bekommt verbale Hiebe, und niemand wagt es mehr, Fragen zu stellen. Wer soll da den Dialog wieder eröffnen?

In meinen alten Predigten kann ich sehen, dass ich darüber begeistert war, dass Jesus seinen Widersachern das Maul stopfen konnte. Denn wenn Gott vorbeikommt, gibt es nur eine Wahrheit, schrieb ich, und alles andere muss schweigen. Heute finde ich, dass alle verlieren bei dem Dialog, der abgewürgt wird. Jesus gewinnt natürlich die Stille, aber auch hier verliert er sein Leben, weil die Pharisäer darüber reden, ihn zum Schweigen zu bringen. Und ehrlich gesagt: es ist nicht viel Evangelium darin, zwei Parteien zuzuhören, die sich streiten. Oder?

Was ist das größte Gebot im Gesetz, fragte der Pharisäer, heute würden wir wohl sagen das wichtigste im Leben. Jesus antwortet: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte. Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Und darüber fangen sie sich an zu streiten, und das, was sie trennt6, wird so groß, dass sie auseinandergehen. Zuletzt hörten wir diese Frage und der Frager wuchs, als er das Gleichnis vom barmherzigen Samariter hörte. Eine Geschichte von einem, der trotz seiner ethnischen Zugehörigkeit zum Nächsten wurde, weil das, was vereint, größer ist als das, was trennt.

Heute wirken diese Worte nicht wie damals, sondern bleiben merkwürdig unerfüllt bei uns hängen. Lasst uns den Dialog wieder beginnen und sehen, was es in unserem Leben bedeutet, dass wir unseren Nächsten lieben sollen wie uns selbst. Lasst uns sehen, ob wir den Nächsten finden können, damit wir neu anfangen können. Eine Definition könnte sein, dass der Nächste nie ebenbürtig ist, denn der Nächste ist immer schwach, und ich gebe dem Nächsten aus meiner Kraft, damit er wieder auf die Beine kommt. So war es vor einigen Sonntagen im Gleichnis vom barmherzigen Samariter, er, der seine eigene Furcht, ethnische Zugehörigkeit und all das überwindet, was uns daran hindert, einfach zu helfen. Der Nächste ist der, der der Nächste für den anderen wird.

Ich glaube, wir haben hier wieder das Evangelium vor uns, denn wenn der Nächste der ist, der den Nächsten findet und der Nächste wird, was sagt dies dann über das Gebot, Gott zu lieben? Dass Gott nicht nur jemand ist, der gefunden und geliebt werden soll, sondern auch der, der sich selbst begrenzt, um uns zu finden. Gott trat in einem Dialog mit uns ein durch Jesus Christus, um Auf das zu verweisen, was am wichtigsten war. Das, was geschieht, bevor jeder Dialog aufhört, dass wir Gott und den Nächsten lieben sollen.

Der Mann mit dem Liebeskummer sitzt auf der Kirchenbank mit dem Telefon in der Hand, da ist noch keine SMS gekommen. Und wir können die Frage stellen, wer die erste SMS schickt, wenn der Dialog zwischen Menschen aufhört. Und was, wenn der Dialog mit Gott aufhört?

Wir werden Nächster, indem wir das Basale tun, einem Menschen in Not helfen. Gott wird Gott, indem er all das überwindet, was ihn von uns trennt, und in Jesus Mensch wird. Er wird ein Mensch, der auch manchmal den Verstand verlieren und den Dialog abbrechen kann. Das war seine Lage wie die unsere, dass ein Wort das andere nimmt und wir all das mit der Nächstenliebe vergessen. Die Nächstenliebe ist vergessen heute in der kleinen Geschichte, aber in der großen Geschichte eröffnet Gott den Dialog mit uns Menschen, indem er das versöhnt, was uns trennt. Zum Streiten gehören zwei, aber nur einer kann eine SMS schicken, wer, glaubt ihr, wird das sein? Wenn ihr eine Idee habt, wer den Dialog wieder eröffnet, dann glaube ich, dass wir dennoch das Evangelium hinter dem Streit wiedergefunden haben und die eine Predigt nennen können. Amen.



Pastor Lasse Rødsgaard Lauesen
DK-5000 Odense
E-Mail: lrl(at)km.dk

(zurück zum Seitenanfang)