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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Reformationstag, 31.10.2015

Wer´s glaubt, wird selig!
Predigt zu Matthäus 5:1-10 (11-12), verfasst von Johannes von Campenhausen

 

1.
In 72 Stunden waren 34.000 Figuren ausverkauft: Die nächste Auflage wurde sechsstellig. Martin Luther ist der neue Star bei Playmobil. Nur 7,5 cm ist die Lutherfigur des deutschen Spielzeugherstellers hoch, aber schon jetzt die erfolgreichste Playmobil Figur aller Zeiten. Der Playmobil- Luther trägt einen Talar, was ihn als den Gelehrten seiner Zeit zeigt. Genau wie das schwarze Barett auf seinem Kopf. Es ist Zeichen gebildeter Stände. Seinen historischen Ursprung haben Talar wie Barett als akademische Kleidung an mittelalterlichen Universitäten – wo Martin Luther zu Hause ist und herkommt.
Die Feder hält die Figur in der rechten Hand. Sie zeigt Martin Luther als einen Mann des Wortes. Die Bibel hält er in der anderen Hand. Das lässt erkennen, was die Quelle seines Glaubens ist. Das Wort Gottes - sowohl Altes Testament als auch Neues Testament. Reizvoll ist der Gedanke, dass so die Bibel in die Kinderzimmer kommt.
Die empfohlene Altersangabe 4-99 Jahre markiert, dass es um mehr geht, als um die Eroberung der Kinderzimmer. Auf der Verpackung weist die Wortbildmarke 2017 „Am Anfang war das Wort “ - eine Anlehnung an den Anfang des Johannesevangeliums - auf den Anlass hin: 500 Jahre Reformation. Die 500 Jahre werden gezählt ab dem Tag, an dem Martin Luther im Jahr 1517 seine 95 Thesen zum Ablasshandel an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen haben soll. In zwei Jahren ist es soweit.

2.
In längst vergangenen Jahren wurde der Reformationstag und der folgende katholische Feiertag Allerheiligen allzu gerne dazu benutzt, die Grenze zwischen evangelisch und katholisch öffentlich erkennbar zu pflegen. Aus gemischtkonfessionellen Gegenden, wo evangelische und katholische Christen an einem Ort leben, erzählen die Alten aus alten Zeiten, dass die evangelischen Christen am Allerheiligen-Tag demonstrativ ihre Wäsche zum Trocknen in den Garten rausgehängt hätten. So wurde deutlich gemacht, dass Allerheiligen für sie keinesfalls ein Feiertag war. Die katholischen Christen gingen in Festtagskleidung an der auf Leinen trocknenden Wäsche vorbei zum Gottesdienst. Am Vortag, dem Reformationstag, soll es von den katholischen Christen genauso gemacht worden sein – nur eben andersrum. Da gingen ja die evangelischen Christen zum Gottesdienst.
Die kämpferischen Töne zwischen den beiden großen Kirchen sind verstummt. In den letzten Jahrzehnten haben Christinnen und Christen beider Konfessionen aufmerksam aufeinander gehört. Dabei wurde immer deutlicher, um wie viel größer und stärker das Gemeinsame ist, als das, was katholische und evangelische Christen voneinander trennen kann. Gott sei Dank! Die Stimmung hat sich geändert und das Wissen um eine gemeinsame Verantwortung für ein lebendiges Zeugnis für Jesus Christus in unserer Gesellschaft ist gewachsen.
Vor bald 500 Jahren haben Menschen neu entdeckt, welche Kraft in der Liebe Gottes liegt. Diese Kraft wirkt bis heute. Gott macht alles neu! Diese reformatorische Botschaft wird heute geteilt, als Ausdruck unserer gemeinsamen unkaputtbaren Hoffnung auf eine neue, auf eine bessere Welt.

3.
Diese, die neue, die bessere Welt predigt Jesus Christus. Er tut dies auf einer Erhebung am Nordrand des Sees Genezareth im Norden Israels. Wegen dieser Erhöhung heißt diese Predigt auch Bergpredigt. Heute ist es andersherum. Heute heißt diese Erhöhung nach dem Anfang der Bergpredigt. Die Erhöhung heißt „Berg der Seligpreisungen“.
Mit den Seligpreisungen fängt es also an: Jesu Jünger - und heute wir mit ihnen - hören das göttliche Who ist Who: „Selig sind …“, „vergnügt – erlöst - befreit sind …“ – „irgendwie zum Himmel gehörig, ist „ der Himmel denen offen, die …“
Und was dann folgt, ist eine Gegenwelt zu dem, was ich so für mich und für die meinen und deren Wohlsein anstrebe. Ich möchte schon gerne ausreichend reich sein. Möglichst ohne Schmerz und ohne Leid leben, nicht hungrig und auch nicht durstig, - auch nicht nach Gerechtigkeit.
Ganz anders als die Seligpreisungen . „Selig sind die da Leid tragen, die verfolgt werden.“
Luther meint dazu, dass „selig“ offensichtlich etwas anderes ist, als was ich mir so wünsche. Oder, wie er es lapidar erklärt: „Es gehöre ein anderes dazu, denn dass man hie genug habe auf Erden.“
Luther hat seine Predigt zu den Seligpreisungen in Wittenberg gehalten. Der berühmte Thesenanschlag an der Tür der Schlosskirche liegt da gerademal 13 Jahre zurück. Die Reformation ist gerade den Kinderschuhen entwachsen und kommt sozusagen in die Pubertät. Da muss man einiges ausdiskutieren und ausstreiten. Es ging ja schließlich um nichts weniger als um mein Ticket in den Himmel. Oder wie Luther es formuliert hat: Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?

4.
Zu gerne wird die Bergpredigt mit den Seligpreisungen missverstanden. Das hörten die Einen: Seht Ihr mal zu, dass Ihr Euch entsprechend benehmt- dass ihr ordentlich barmherzig seid und friedlicher und sanftmütiger werdet, dann – aber nur dann - werdet Ihr selig und wenn die Welt wieder ein Stückchen besser, ein wenig lebenswerter ist, – dann kommt Ihr in den Himmel. Das hat ja auch was und kommt einem bekannt vor: Wenn Du gut handelst, wird das gut belohnt. Warum sollte das bei Gott jetzt anders sein? Jahrhunderte wurde das gepredigt und wird in den Bürofluren und in den Kinderzimmern gelebt. So richtig geklappt hat das aber auch nicht.
Man kann auf verschiedene Art manches missverstehen. So auch die Bergpredigt mit den Seligpreisungen. Das hatten Andere ganz anders gehört, die Zeitgenossen in Wittenberg und anderswo. Das hörten die Anderen: Man kann sich Gott nicht kaufen und kommt bei Gott nicht durch Wohlverhalten in den Himmel. Da kann ich keine Punkte sammeln, mit denen ich hinterher das Ticket in den Himmel erstehe. Das Ticket in das Himmelreich bekommt man bekanntlich und ausschließlich geschenkt! Ein paar Spitzfindige dachten dann so: Wenn ich allein durch die Gnade Gottes in den Himmel komme, wenn alles geschenkt ist, dann kann ich doch auch alles tun, was der liebe Gott verboten hat. Und das taten sie dann auch. Sie taten alles, was sich so in den dunklen Ecken auch Deines Herzens als heimliche und unheimliche Gelüste ganz wohlfühlt und immer nach draußen will.
Martin Luther wurde an dieser Stelle sehr emotional. Er wurde richtig wütend: Wenn Ihr es so missversteht, habt Ihr mich - besser: das Wort Gottes - überhaupt nicht verstanden. Die Seligpreisungen sind keine abzuarbeitende To-Do-Liste, um in den Himmel zu kommen. Und es gilt genauso das andere: Es ist auch ganz und gar nicht egal, was ihr tut und dass ihr den lieben Gott einen guten Mann sein lasst. Dass Ihr aus eigener Vernunft oder Kraft nicht selig werden könnt, ist klar. Ihr strengt Euch an, macht Klimmzüge - aber das macht Euch immer wieder mehr deutlich, wie sehr ihr doch auf das Vergeben und Verzeihen angewiesen seid. Daran erkennt ihr: Wir schaffen das nicht! Das ist zähneknirschend wahrgenomme Selbsterkenntnis und außerdem eine gute Voraussetzung – so kommt man dann dazu zu sagen: Gott, hilf Du mir! Komm Du in mein Leben, wo so viel schief geht, wo Du allzu oft gar nicht drin vorkommst – und bitte verzeih mir. Trag mir nicht nach, was ich verbockt habe, sondern sehe mich an mit den Augen Deines Sohnes Jesus Christus, der am Kreuz starb wegen meiner Schuld und aufstand vom Tod.
Richtig ist: Es kommt allein auf Jesus Christus an, auf sein Leben, auf sein Sterben, auf seine Auferstehung, wie das Raum greift in meinem Leben. Hier noch mal ein Originalton aus Luthers Predigt dazu: „Die Sach ist nicht mein, sondern des Herrn Jesus Christus.“ Wer dem glaubt, wird selig.

5.
Dann kommt das, was Luther „gute Taten“ nennt fast von selbst dazu. Sozusagen als Früchte, damit die Welt vielleicht doch ein wenig besser wird, vielleicht ein wenig Abglanz von den so anderen Spielregeln von Gottes Reich erkennbar werden lässt.
Vor bald 500 Jahren haben Menschen der Reformation neu entdeckt, welche Kraft in der Liebe Gottes liegt. Diese Kraft wirkt - heute. Sie ist unsere Hoffnung auf eine bessere Welt, wo nicht alles bleibt, wie es schon immer war. Gott macht alles neu. Dieser Aufbruch bringt heute Menschen dazu, Neues zu wagen. Menschen gestalten die Welt. Sie verändern auch die Gesellschaft und sie setzen sich für das Leben ein. Wo es nötig ist, geschieht dies auch gegen Widerstand.

Selig sind sie!

Amen




Pfarrer Johannes von Campenhausen
06886 Wittenberg
E-Mail: jan.vonCampenhausen@wittenberg.ekd.de

Bemerkung:
Herr Pfarrer von Campenhausen ist Theologischer Direktor der Evangelischen Wittenbergstiftung


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