Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres / 23. Sonntag nach Trinitatis, 08.11.2015

Predigt zu Matthäus 22:15-22 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Eberhard Harbsmeier

 

Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ Das klingt so einfach, so als könnten wir unsere Welt in zwei Bereiche aufteilen – das Religiöse, Private – und dann das Politische, die Gesellschaft, die Öffentlichkeit. Und dann hat man sogar noch gesagt, dass diese Aufteilung zwischen diesen beiden Bereichen, dem Privaten und der Öffentlichkeit, das weltliche und das geistliche Regiment, gleichsam das Kronjuwel im lutherischen Glauben sei, die Unterscheidung zwischen den beiden Reichen, die Lutheraner auszeichnet gegenüber anderen Religionen und Konfessionen, die beides vermischen.

Aber ist das nun so einfach? Und ist es überhaupt gut, wenn wir diese beiden Dinge trennen, Privates und Politisches? Und was ist im Grunde privat? Und was politisch? Je mehr man darüber nachdenkt, desto komplizierter wird es. Ist es überhaupt gut, dass man in zwei verschiedenen Welten lebt, mit zwei verschiedenen Wertordnungen und unterschiedlicher Moral? Was die Moral anbetrifft, so sagen wir ja auch nicht, dass Doppelmoral besser ist als nur eine Moral. Im Gegenteil: Doppelmoral ist dasselbe wie keine Moral. Denn entweder gilt Moral immer, oder es ist keine Moral sondern Unmoral. Und das gilt auch für unsere Werte. Entweder sie gelten, oder auch nicht. Man kann nicht mit verschiedenen Werten leben, je nach dem, was einem am besten passt. Das wäre charakterlos und opportunistisch.

Was gehört dem Kaiser, was Gott? Eigentlich gar nicht so leicht zu entscheiden. Aber wir können ja mal auf den Text hören und sehen, was Jesus eigentlich sagt. Was soll man dem Kaiser geben? Geld! Alles andere gehört Gott. Eigentlich ganz einfach.

Und die traditionelle lutherische Auslegung ist eigentlich eine Fehldeutung, die die Dinge auf den Kopf stellt. Als preise Jesus hier die „Obrigkeit“ als von Gott eingesetzt. Davon steht da kein Wort. In Wirklichkeit ist von einer Begrenzung der Macht des Kaisers die Rede. Er hat Anspruch auf unser Geld, mehr nicht. Von Gehorsam steht da gar nichts, denn der gehört Gott allein.

In der lutherischen Kirche haben wir oft die Unterscheidung zwischen den beiden „Reichen“ zur Grundlage für eine Unterscheidung zwischen Religion und Politik gemacht. So als könne man das trennen. Als spielte Gott in der Politik keine Rolle. Das ist aber eine Verfälschung von Luther. Zwar sprach Luther von Gehorsam gegenüber der „Obrigkeit“, aber dieser Gehorsam steht immer unter dem Vorbehalt eines anderen Bibelwortes: Man soll Gott mehr gehorchen als den Menschen. Gott steht nicht neben, sondern über dem Kaiser! Deshalb: Gebt dem Kaiser sein Geld – alles andere gehört Gott. Jesus hat keine Doppelmoral gelehrt, nach der in Politik und Religion jeweils andere Gesetze gelten.

Geld – der schnöde Mammon – dem Kaiser, aber Gehorsam gegen Gott, so verstehe ich Jesu Worte. In der frühen Christenheit hing dies ja damit zusammen, dass der Kaiser nahezu als göttlich angesehen wurde und nicht nur Geld, sondern gleichsam auch Anbetung einforderte. Das lehnten die Christen ab – das kommt dem Kaiser nicht zu.

Ich denke, das ist ein verbreitetes Missverständnis, dass man Religion und Politik trennt. Religiös ist man sozusagen nur, wenn man allein ist, im privaten Bereich, sie ist angeblich Privatsache und hat in der Öffentlichkeit nichts zu suchen. Gott ist ein privater Gott, ein Hausgott. Ein ungefährlicher Gott. Das würde vielen Politikern gut passen. Denn Religion ist gefährlich, stellt unangenehme Fragen. Gerade weil sie Gott höher stellt als den Kaiser – und die Politiker.

Dass Religion in der Öffentlichkeit nichts zu suchen habe, ist ein romantisches Missverständnis. Religion hat etwas zu tun mit Gemeinschaft, religiös ist man nicht allein, sondern mit anderen, deshalb kann man sie nicht aus der Öffentlichkeit verbannen.

Was gehört Gott, was gehört dem Kaiser? Eigentlich merkwürdig: Heutzutage wollen wir gerne wir selbst sein, unser eigenes Geld behalten, darauf meinen wir, einen Anspruch zu haben. Vielleicht hinterziehen wir keine Steuern, aber wir brauchen viel Energie und Phantasie, um Steuern zu vermeiden. Soviel Geld wie möglich für uns selbst. Aber damit verkaufen und verraten wir uns selbst. Jesus sagt, es sollte umgekehrt sein: Dein Geld kannst du ruhig hergeben, da verlierst du nichts, es gehört dem Kaiser, aber du selbst gehörst nicht dem Kaiser, sondern Gott. Darin besteht die christliche Freiheit: Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, das Geld, aber Gott, was Gott gehört, nämlich dich selbst!

Ich denke, es gibt einen großen Unterschied zwischen unserer Zeit und der Zeit Jesu: In der Zeit Jesu war man der Auffassung, dass das Verhältnis zu Gott das Entscheidende war. Deshalb war es wichtig zu betonen, dass das Verhältnis zu anderen Menschen und zur Gesellschaft auch wichtig war: Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Heute ist es umgekehrt: Wir sind davon überzeugt, dass das Verhältnis zu den anderen Menschen und der Gesellschaft alles bedeutet, deshalb ist es wichtig zu betonen, dass die Religion und das Privatleben auch etwas bedeuten. Damals war es umstritten, sich mit Politik zu befassen – heute ist es umstritten, sich für Religion zu interessieren.

Deshalb ist es wichtig, die Rangordnung zu sehen, die in Jesu Worten liegt: Die Religion kommt zuerst – wir gehören Gott und nicht dem Kaiser. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Amen.

 



Rektor Professor Eberhard Harbsmeier
DK-6240 Løgumkloster
E-Mail: ebh(at)km.dk

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