Göttinger Predigten

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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag des Kirchenjahres, Ewigkeitssonntag, 22.11.2015

Predigt zu Matthäus 25:1-13, verfasst von Hilmar Menke

 

"Da wurden sie alle schläfrig und schliefen ein". Alle, kluge wie törichte - so heißt es im Evangelium ohne Kommentar sind eingeschlafen - schlafen - wie man so sagt - den "Schlaf der Gerechten", schlafen tatsächlich gerechterweise, denn lange lässt der Erwartete auf sich warten - zu lange für ihre Geduld, Ausdauer und Kraft - Wachsamkeit lässt irgendwann einmal nach und Warten muss auch 'mal ein Ende haben ... Wer wüsste das nicht aus eigener Erfahrung. Jahrtausendelang hat das Volk Israel gewartet auf den, den Gott senden wollte, auf den Messias, den Christus - jahrtausendelang mit einer Sehnsucht, die wir uns kaum vorstellen können - vor allem in all den Zeiten, in denen Israel es schwer hatte in dieser Welt - umgeben von Feinden - ihre Städte erobert, ihre Schwestern und Brüder verschleppt- in der Fremde - ohne die Gegenwart Gottes im Tempel- verlas - von Gott und der Welt, wie es oft fürchtete. Jahrtausendelang wach geblieben! Als in Israel der Ruf ertönt: "Er kommt; er, auf den ihr so lange gewartet habt" - als der Rufer in der Wüste die Botschaft bringt, da zeigt sich, dass alles Wachen und Sehnen, alles Hoffen und Harren für die meisten nichts nütze war: Sie erkennen ihn nicht, es bleibt dunkel, keine Erleuchtung kommt ihnen...

Anscheinend ist es wirklich nicht entscheidend, wie Menschen auf Gottes Kommen warten, ob im Wachen oder im Schlafen, weder ist das eine Garantie dafür, sein Kommen zu spüren und zu bemerken, noch das andere Grund, nicht rechtzeitig zu erwachen und ihn nicht in Empfang zu nehmen...

Etwas anderes muss entscheidend wichtig sein, etwas anderes muss entscheiden über Dabeisein und Versäumen. Zunächst einmal ist das für mich sehr tröstlich! denn wer - außer Wenigen, die meist noch dafür verspottet werden - wer wartet schon mit offenen Augen und wachen Sinnen wirklich auf das Kommen des Menschensohnes am Ende der Zeiten - wer wartet wirklich auf die Wiederkunft Christi, auf den "Jüngsten Tag", auf den neuen Himmel und die neue Erde!?

Längst sind die Augen der Christenheit zugefallen, vor langer, langer Zeit schon. Schon der Apostel Paulus musste sich auseinandersetzen mit denen, die nicht mehr warten wollten oder konnten. Längst sind unsere Augen geschlossen, schlafen wir tief- leben in den Tag hinein, obwohl wir soviel wissen und planen, erkennen und vorsorgen; obwohl Menschen mit allen Möglichkeiten in die Zukunft zu blicken versuchen - mit mystischen «und wissenschaftlichen - mit Astrologie oder Zukunftsforschung - ich fürchte, die Augen bleiben geschlossen, weil bei all dem Gott und seine Zukunft nicht vorkommen - weil bei all dem immer nur erwartet, erhofft oder befürchtet wird, dass es mit uns und mit der Welt eben so weitergehen wird wie bisher - es mag schlechter werden oder besser - Fortschritt oder Rückschritt - immer erwarten wir, dass nichts wirklich Neues kommt. In gewisser Weise ist der, um dessen Wiederkunft es geht, selbst "Schuld" daran - weil er immer wieder die Seinen gewarnt hat, seine Wiederkunft berechnen oder an den "Zeichen der Zeit" ablesen zu wollen - "wie der Dieb in der Nacht" kommt Gottes Reich - ohne, dass man sagen kann "siehe hier ist es oder siehe dort ist es". Es kommt in der Tat so wie in dem Gleichnis der Bräutigam kommt - nach langem, fast zu langem Zögern, wenn alle schlafen - alle, die Klugen und die Törichten, die Eifrigen und die Trägen - alle werden überrascht werden vom Kommen des Gottesreiches - so wie alle überrascht wurden von der Ankunft des Messias, der so anders kam und so anders war als erwartet. Und dabei hängt doch soviel davon ab, bereit zu sein oder nicht: Die Klugen, so heißt es im Gleichnis, nehmen an der Hochzeitsfeier teil - den Voraus-Schauenden öffnet sich die Tür zum Gottesreich - die Törichten bleiben nicht nur Draußen, sie bleiben unbekannt - den Sorglosen öffnet sich die Tür zum Gottesreich nicht. Und die einen können noch nicht einmal den anderen helfen, abgeben von dem, was sie haben - und so glaube ich , selbst der Kaufmann, zu dem sie mitten in der Nacht eilen, wird ihnen letztlich nicht geben können, was sie brauchen.

Aber, was ist es denn nun, das die Lampen zum Leuchten, die Augen zum Sehen bringt; was ist es, das Erkennen ermöglicht und Türen öffnet - dieses seltsame "Öl", das sogar denen noch nützt, die eingeschlafen sind und eigentlich nicht mehr warten? Eine einfache Antwort gibt es darauf wohl nicht - aber Hinweise im der Geschichte: Einige habe ich schon genannt: Abgeben, teilen kann man es nicht und nicht verschenken; kaufen kann man es wohl auch nicht; trotzdem kann man es vorsorglich er- werben und sorgfältig aufbewahren und es sozusagen dann aktivieren, wenn man es braucht. Und: es scheint doch etwas zu sein, das man mit anderen Menschen gemeinsam hat, nicht allein. Es bringt Licht für die, die es haben, Erleuchtung vielleicht sogar, es macht hell und es macht schließlich froh, wenn es den Zugang zu Gottes großem Fest des Lebens ermöglicht. Was ist es, dieses Öl? Vielleicht gibt es doch eine ganz einfache Antwort: Es ist das Evangelium, die schöne und«gute, frohe und frohmachende Botschaft von der Liebe Gottes in Jesus Christus - es ist all das, was Jesus Christus in diese Welt brachte, alles, was er lehrte und lebte, sagte und verkörperte: Dass Gott uns Menschen annimmt, wie wir sind, ohne Vorleistungen, dass er uns liebt ohne Bedingung, dass er will, dass wir leben - und das ist für Gott mehr als die Spanne zwischen Geburt und Tod. Kaufen kann man dieses Evangelium nicht, es sich nicht erarbeiten, es wird uns geschenkt -Teilen kann man es nicht - jedenfalls nicht so, dass es hieße: Hier ein Teil für Dich und hier ein Teil für mich - aber man kann es anderen mitteilen, damit sie es selber sich schenken lassen; man kann es nicht haben wie einen Besitz, aber annehmen und bewahren - wie die Bibel sagt. Es macht das Leben hell - es lässt die Welt in einem neuen anderen Licht erscheinen - im Licht Gottes...

Und das bleibt! Das bleibt auch dann, wenn ich vieles andere vergesse und "einschlafe" - das bleibt, dass ich mein ganzes Leben, das meiner Mitmenschen und meiner Welt - Vergangenheit Gegenwart und Zukunft im Licht der Liebe Gottes«sehen kann.

Es ist sicher kein Zufall, dass wir an diesem letzten Sonntag im Kirchenjahr uns nicht nur daran erinnern und erinnern lassen, dass die Welt auf Gottes Zukunft wartet, auf das sichtbare Kommen des Gottesreiches, das, wie Jesus sagt«schon "mitten unter uns" ist, sondern dass wir auch an diesem Tage derer gedenken, die uns der Tod genommen hat - und daran, dass auch unser Leben ein Ende und ein Ziel hat.

Im Licht des Evangeliums hat der Tod nicht das letzte Wort über das Leben unserer Verstorbenen - so wenig wie über unser eigenes.

Im Lichte des Evangeliums öffnet sich die Tür hinter der Gott wartet, auf alle Menschen. Im Lichte des Evangeliums wachen wir auf und wagen einen Blick in die wunderbare Zukunft Gottes.

 



Superintendent i.R. Hilmar Menke
21781 Cadenberge
E-Mail: hhfjmenke@aol.com

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