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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag des Kirchenjahres, Ewigkeitssonntag, 22.11.2015

Leben in dieser Todeswelt
Predigt zu Johannes 5:24-29, verfasst von Rainer Kopisch

 

25Amen, amen, ich sage euch: Die Stunde kommt und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben.
26Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben.
27Und er hat ihm Vollmacht gegeben, Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist.
28Wundert euch nicht darüber! Die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören
29und herauskommen werden: Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht.

Leben in einer Todeswelt

Liebe Gemeinde,

wir leben in einer Welt des Todes.
Wir leben gegen den Tod an und verlieren am Ende gegen ihn.

Wir bewegen uns durch dieses Leben als Tote, aber wir geben uns der Illusion hin, wir wären Lebende.
Wir geben viel Geld aus, um die Zeichen von Krankheit und Tod aus unserem Gesichtsfeld zu bringen.

Schon allein, dass wir essen und trinken müssen, zeigt die Situation, gegen den Tod an zu leben.
Wir stilisieren die Nahrungsaufnahme hoch zu Festen der Gaumenfreuden und helfen dem Genuss dazu mit Drogen wie Alkohol nach.

Wir geben viel Geld dafür aus, um jung und schön auszusehen und die äußerlichen Zeichen des Alterns aufzuhalten.
Wir geben viel Geld aus, um die Zeichen von Krankheit und Tod aus unserem Gesichtsfeld zu bringen.



Sich jung, kraftvoll und erfolgreich fühlen zu wollen, ist das Bestreben, den Tod nicht spüren zu müssen.

Darüberhinaus hat das Spiel mit dem Tod Menschen schon immer in seinen Bann gezogen.
Die Gladiatorenkämpfe waren im alten Rom ein vom Volk gern besuchte Veranstaltung.
„Die Totgeweihten begrüßen dich, Cäsar.“
Im Zeitalter des Fernsehens, der Spielekonsolen, der Computerspiele sind ganz neue Möglichkeiten entstanden, die Sucht nach dem Spiel mit dem Tod zu zelebrieren, ob als Zuschauer oder Mitspieler.

Die Beschäftigung damit scheint als Recht auf persönliche Freiheit unantastbar.
Eltern haben da erfahrungsgemäß beschränkten Einfluss.
Gewalt auf Schulhöfen, Mobbing im Internet – das Böse ist mit fließenden Übergängen als Gewalt gegenwärtig:
Die Gewalt entzündet sich auch auch bei Gegendemonstrationen.
Hooligans suchen Gelegenheiten, ihre Gewalt-Sucht hemmungslos ausleben zu können.

Der IS geht mit aller Gewalt im von ihnen selbst erklärten Auftrag Allahs gegen den Verfall der Sitten und die Dekadenz der westlichen Welt vor.
„Unsere westliche Kultur und unsere Freiheit sind bedroht. Frankreich steht im Krieg“, sagt der französische Präsident. Und die französische Regierung fordert nach Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages den Eintritt anderer EU Staaten in den Krieg. Genau diesen Erfolg haben die Strategen des IS geplant und erreicht. Sie spielen gekonnt auf der Klaviatur des Todes und arbeiten mit den korrupten Geschäftemachern unserer Todeswelt, um sich zu finanzieren.

Was ist zu tun?
Unser Außenminister sagt: „Mit kriegerischen, militärischen Mitteln ist der Kampf gegen den Terrorismus nicht zu gewinnen.“ Wie gut, dass wir auch besonnene Politiker haben.

Luther hat einmal gesagt: Wir sind allzumal Sünder. Das ist wahr.
In Anlehnung an seinen Ausspruch sage ich: Wir sind Tote. Das ist wahr.

Jesus bietet den Ausweg an:

Amen, amen, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, hat das ewige Leben; er kommt nicht ins Gericht, sondern ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen.
Hier spricht Jesus mit der Autorität des Gottessohnes. Johannes hat am Anfang seines Evangeliums den Zusammenhang mit Gott mit dem Begriff des Logos deutlich gemacht.
Der Begriff des Logos umfasst mehr als die Übersetzung mit dem Begriff Wort ausdrückt.
Johannes meint damit das Leben Jesu, sein Reden und Handeln, wie er es uns schildert.
Die Botschaft vom Leben beschränkt sich bei Jesus nicht im Reden. Seine Heilungen sind eben auch Zeichen des Lebens, das Gott schenkt.
Um seinen Zuhörer bei ihren endzeitlichen Vorstellungen abzuholen, sagt er weiter:
Amen, amen, ich sage euch: Die Stunde kommt und sie ist schon da, in der die Toten die Stimme des Sohnes Gottes hören werden; und alle, die sie hören, werden leben.
Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben.
Das kann er so mit Recht sagen, da mit seiner Person auch das Reich Gottes gegenwärtig ist.
Die Endzeit, die Apokalypse wird mit diesen Worten Jesu nicht in Frage gestellt, sondern für die Glaubende, die seine Stimme hören, vorweggenommen.
Das endzeitlichen Gericht ist bei der Vergegenwärtigung eingeschlossen, denn Gott hat seinem Sohn Vollmacht gegeben, Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist.
Natürlich ist es erstaunlich, dann noch vom Gericht am Ende der Zeit zu sprechen. Deswegen sagt Jesus:
Wundert euch nicht darüber! Die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören
und herauskommen werden: Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht.

Der letzte Satz entspricht der Reihenfolge unserer mehrheitlichen Glaubensvorstellungen und den ethischen oder moralischen Vorstellungen. Wir werden nach unserem Tun im Endgericht bewertet und haben dann die Chance zu Gott zu gelangen und Anteil an seinem Leben zu bekommen. Dieser Tat-Folge-Ablauf bestimmt unser Weltbild in dem Maße, dass wir uns manchmal ohne äußeres Zutun selbst bestrafen können. Das ist in unserem Menschsein tief eingewurzelt und hat zunächst nicht mit Gottesfurcht zu tun.

Die Botschaft Jesus ist eine andere: Ohne Gerichtsverfahren schenkt der Gottessohn das Leben, das nicht der Bedrohung durch den Tod ausgesetzt ist.
Das neue Leben bekommen wir ohne den Nachweis von Taten allein aus Glauben.

Ob wir Tote oder Lebende sind entscheidet unser Glaube an Gottes Botschaft.
Diese Botschaft heißt aus dem Munde des Gottessohnes zum Beispiel:

In der Welt habt ihr Angst, aber siehe, ich habe die Welt überwunden.

Gute Taten zu tun und Gottes Liebe weiterzugeben, sind jetzt Folge der Erlösung vom Tod.
Sie sind sichtbare und für andere deutliche Zeichen des neugewonnenen Lebens in uns.

Da wir Menschen in einer Todesumgebung leben und den Todesängsten der Menschen rings um uns oft begegnen müssen, bauchen wir Hilfe von Gott. Um den Reaktionen übersteigerter Angstabwehr begegnen zu können, brauchen wir inneren Frieden. Als fehlbare Menschen brauchen wir oft die Hinwendung zu Gott. Wie oft und was beten, hängt unserem Gesprächsbedarf mit Gott ab. Im Gegensatz zu guten Freunden ist Gott immer und jederzeit erreichbar und bereit, uns mit barmherziger Liebe zu erfüllen.
Er hat Freude daran, uns an seinem Leben teilhaben zu lassen.
Ein interessanter Gedanke:
Wir geben Gott Anlass zur Freude, wenn wir zu ihm beten.

Amen





Pfarrer i.R. Rainer Kopisch
Braunschweig
E-Mail: rainer.kopisch@gmx.de

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