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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

Letzter Sonntag des Kirchenjahres, Ewigkeitssonntag, 22.11.2015

Predigt zu Matthäus 25:31-46 (dän. Perikopenordn.), verfasst von Elof Westergaard

 

Das Kirchenjahr schließt mit einem Blick in die Zukunft und mit einem Ruf an uns hier und jetzt, verantwortlich zu leben, das Rechte zu tun und aufeinander zu achten. Die Verkündigung Jesu bezieht sich also sowohl auf eine Zukunft, wo wir vor Gott Rechenschaft ablegen sollen, und an eine Gegenwart, in der wir aufmerksam sein und füreinander Verantwortung übernehmen sollen.

Wenn Jesus das Weltgericht verkündigt und wenn er schildert, wie der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommen wird um zu richten, zu segnen und zu verdammen, die Schafe von den Böcken zu trennen, dann zeichnet Jesus nicht nur ein kräftiges und dramatisches Bild einer ungewissen und entscheidenden Zukunft. Er fordert uns auch indirekt auf, Verantwortung für unseren Nächsten zu übernehmen.

Denn wer sind die, die der Menschensohn segnet, und wer sind die, die einer himmlisch leuchtenden Zukunft entgegengehen? Welche Kriterien legt der Menschensohn für sein Urteil zu Grunde? Die gesegneten sind die, sagt Jesus, die ihm zu trinken gaben, als er durstig war, Speise, als er hungrig war, Kleider, als er nackt dastand, und es sind die, die sich seiner annahmen, als er in Not war. Die Verdammten sind die, die sich nicht um den Nackten kümmerten und den Fremden empfingen. Das Gericht bezieht sich also auf das Leben, das wir miteinander leben, ja es ist mit ihm verbunden.

 

Das Bemerkenswerte an der Rede Jesu über das Weltgericht ist jedoch, dass sowohl die, die gesegnet werden, als auch die, die verdammt werden, den Menschensohn fragen: „Wann haben wir dich als einen Fremden gesehen und dich beherbergt? Wann haben wir dich krank gesehen?“

Weder die Gesegneten noch die Verdammten haben ihn also vorher gesehen oder entdeckt. Er muss sowohl zu den Schafen als auch den Böcken, den gesegneten und den Verdammten dasselbe sagen: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“.

Es ist ganz entlarvend, wir blind sie sind. Weder die einen oder die anderen können den Menschensohn sehen, und damit sehen, wie wir Menschen im Bilde Gottes geschaffen sind, wie wir zusammengehören in unserer Schwachheit und auch einander verpflichtet sind.

Sind es unsere harten und ängstlichen Herzen, die uns so blind machen?

Sind es die Eile, die Hast du das schnelle Leben, die und die Bewegungen unseres Körpers und das ruhelose Irren unserer Augen diktieren und die bewirken, dass wir auch dann, wenn wir unsere Hände ausstrecken nach dem Schwachen, den nicht wahrnehmen, dem wir helfen?

Oder ist es, weil wir so sehr auf uns selbst fixiert sind und den Nutzen unserer eigenen taten, dass andere Menschen für uns nur zu Schatten werden?

Oder ist es Mutlosigkeit, die unsere Hilfskräfte schwächt und uns unfähig macht, unsere Umwelt wahrzunehmen?

Ich weiß es nicht, aber es ist bemerkenswert, dass alle in der Verkündigung Jesu vom Weltgericht, die Gesegneten wie die Verdammten, nicht sehen können, wo sie dem Menschensohn schon begegnet sind.

 

Gleichzeitig ist es dann gerade dieselbe Blindheit, die mir einen gewissen Trost gibt. Denn so bemerkenswert es ist, dass wir den Menschensohn und damit die Spuren Gottes in der Welt nicht sehen können, so befreiend ist es zu wissen, dass wir also nicht selbst sehen und beurteilen können, wann wir genügend Gutes getan haben, um beim Gericht zu den Gesegneten zu gehören.

Wenn ich die Zukunft ausrechnen könnte und die Kriterien für das Gericht Gottes, dann würde ich ja ganz sicher wissen, was nötig ist, um, auf der Seite der Schafe zu stehen, und ich könnte in aller Ruhe daran arbeiten, zu den gesegneten zu gehören, den Schafen. Und ich könnte vielleicht selbst etwas dafür tun, ich an das Tor zur den himmli9schen Weiden Gottes begeben. Aber die Verkündigung Jesu vom Weltgericht macht deutlich, dass das nicht möglich ist. Weder die Gesegneten noch die Verdammten können sehen, was für das Weltgericht entscheidend ist. Nicht wir und unsere Urteile sind entscheidend für das Gericht, wenn es gilt. Gott ist der Richter, und wir sollen im Vertrauen darauf leben und es wagen darauf zu hoffen, dass er ein gnädiger Richter ist.

 

Gott ist Richter über Lebendige und Tote, so beginnt ein dänisches Kirchenlied. Das ist wahr, denn das Gericht findet nicht nur am jüngsten Tag statt. Das Gericht ist immer über uns.

Das Gericht ist über uns nicht wir eine Pilzwolke am Himmel oder eine angstvolle Drohung von kommendem Terror und Krieg. Und das Gericht ist auch keine tägliche Entlarvung unserer Herzlosigkeit und unserem selbstzerstörerischen Drang.

Das Gericht Gottes folgt uns jeden einzigen Tag, und es erinnert uns vor allem daran, wer wir sind und was wir sollen. Das letztere macht Jesus ganz deutlich und klar: Wir sollen den Menschensohn sehen, und wir sollen ihn sehen im Geringsten, ich ihm oder ihr, die Hilfe brauchen.

Unser eigenes Leben ist verletzlich und die Motive unseres Handelns sind oft zweideutig. Aber trotz aller Mängel liegt ein Ruf im Gericht, der einfach und klar ist: Nimm das Leben an, habe ein Auge für deinen Nächsten, den Menschensohn in der Welt.

 



Bischof Elof Westergaard
DK-6760 Ribe
E-Mail: eve(at)km.dk

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