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ISSN 2195-3171





Göttinger Predigten im Internet hg. von U. Nembach

3. Sonntag im Advent, 13.12.2015

Predigt zu 1. Korinther 4:1-5, verfasst von Juraj Bándy

 

Gnade sei mit euch und Friede…

Der dritte Sonntag im Advent erinnert uns an Johannes den Täufer. In dem Evangelium vor dem Altar hörten wir, dass der Täufer eine Antwort von Christus auf seine Frage erwartet. Die Frage lautet: „Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines anderen warten?“ (Mt 11, 3). Die Frage des Täufers macht uns darauf aufmerksam, dass es sehr wichtig ist, damit wir eine richtige Meinung von Christus hätten. Es ist nicht egal, welche Meinung wir von dem Herrn Jesus haben. Der heutige Predigttext macht uns darauf aufmerksam, dass es ebenso nicht egal ist, welche Meinung der Herr über uns hat. Warum darf es uns nicht gleichgültig lassen? Deswegen, weil er unser Richter ist. „Der Herr ist's aber, der mich richtet…“ sagt Apostel Paulus den Christen in Korinth, die verschiedene Meinungen von seiner Person hatten.

Herr Jesus wird uns nicht nur am jüngsten Tag richten, aber er beurteilt unser Leben schon jetzt. Die Buße, zu der uns die Adventszeit ruft, bedeutet dessen bewusst zu werden, dass uns der Herr stets beurteilt.

Was bedeutet das Leben in dem Bewusstsein, dass die Meinung Jesu Christi über mich für mich die wichtigste ist?

1. Solches leben macht uns von dem Druck der öffentlichen Meinung frei. Verschiedene Meinungsumfragen begegnen wir fast täglich. Wir können erfahren, welche Parteien würden die Bürger wählen, wie beliebt die einzelnen Politiker, Schauspieler, Sängerinnen und TV-Programme sind. Aus den Meinungsumfragen können wir sehr genaue Daten von der Vertretung der Ansichten über solchen Fragen erwerben, die die ganze Gesellschaft bewegen. Auf einer Seite ist es gut über solchen Sachen informiert zu sein, damit wir wissen, in welcher Umgebung wir uns befinden und um uns besser orientieren zu können. Auf der anderen Seite üben solche Daten einen Druck, damit wir uns dem Hauptstrom der öffentlichen Denkweise anpassen. Unter diesem Druck beginnen wir mit denen zu sympathisieren, die der Mehrheit gefallen, kaufen wir Bücher, die am meisten verkauft werden, hören wir Musik, die in den Hitparaden am höchsten liegen. Wir möchten den Erwartungen der Mehrheit entsprechen.

Wir begehen den größten Fehler dann, wenn wir auch unser Verhältnis zu den Sachen Gottes nach den Erwartungen der öffentlichen Meinung bilden.

Wenn es uns klar ist, dass unser Richter der Herr und nicht die öffentliche Meinung ist, dann können wir uns von den Erwartungen und von dem Druck der öffentlichen Meinung befreien. Apostel Paulus, der die Probleme der Gemeinde in Korinth vor Augen hatte, drückte es so aus: „Mir aber ist's ein Geringes, dass ich von euch gerichtet werde oder von einem menschlichen Gericht; auch richte ich mich selbst nicht“ (V. 3).

Der Druck der öffentlichen Meinung existiert auch in der Kirche. Diesen Druck fühlen auch die kirchlichen Amtsträger. Wenn sich dieser Druck in eine falsche Richtung richtet, kann es schädliche Folgen haben. Der Apostel spricht darüber, nach welchen Kriterien wir unsere Meinung über den kirchlichen Amtsträger bilden sollen. Er schreibt: „Dafür halte uns jedermann: für Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse“ (V. 1). Der kirchliche Amtsträger ist also ein Diener und ein Haushalter. Er ist kein Herr der Kirche, er ist kein Herr über der Kirche und kein Inhaber der Kirche. Der Herr der Kirche ist Jesus Christus. Der Pfarrer oder ein anderer Amtsträger ist ein Diener und ein Haushalter, der Verantwortung trägt. Lieber Bruder, liebe Schwester, bilde deine Meinung von deinem eigenen Pfarrer und von den Pfarrern, die du kennst, danach, wieweit sie Diener und Haushalter sind. Der Herr der Kirche wird uns danach richten, wie wir ihm dienten und wie wir Gottes Geheimnisse verwalteten.

2. Das Leben in dem Bewusstsein, dass die Meinung Jesu Christi über uns für uns die wichtigste ist, gestattet uns nicht, damit wir uns zu sehr auf unser Gewissen verlassen. Der Apostel sagt: „Ich bin mir zwar nichts bewusst, aber darin bin ich nicht gerechtfertigt“ (V. 4). Mit anderen Wörtern: Das gute Gewissen macht uns nicht vor Gott zu gerechten Menschen.

Das deutsche Sprichwort sagt: „Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen.“ Bestimmst kennst du, lieber Bruder und liebe Schwester, das Gefühl des schlechten Gewissens, das wortwörtlich nicht schlafen lässt. Wenn unser Gewissen eine Sünde signalisiert, dann ist es ein zuverlässiges Signal.

Wenn aber unser Gewissen ruhig und rein ist, dürfen wir uns nicht sehr darauf verlassen, weil das Gewissen auch breit, wenig empfindlich, sogar schlafend sein kann. Das Gewissen darf nicht die letzte Instanz, nur das vorletzte Instanz sein. Wir kennen es aus Erfahrung, dass viele Sachen, die wir mit gutem Gewissen tun, könnten jemandem anderen ein schwieriges Problem des Gewissens verursachen. Das gilt auch umgekehrt: etwas, was die anderen mit gutem Gewissen tun, würden wir für alle Schätze der Welt nicht tun. Deswegen sollen wir Tag für Tag unseres Gewissen in den Einklang mit dem Wort Gottes bringen, damit es empfindsamer und genauer wird.

Das Gewissen ist wie die Armbanduhr, die wir tragen. Sie ist nicht ganz genau, aber je öfter wir sie zu der genauen Zeit aus dem Rundfunk oder aus dem Fernsehen einstellen, desto ist sie genauer. Unseres Gewissen sollen wir zu dem Wort Gottes einstellen.

3. Das Leben in dem Bewusstsein, dass die Meinung Jesu Christi über mich für mich die wichtigste ist, gestaltet mein Verhältnis zu meinen Nächsten. Es hindert uns über unseren Nächsten vorzeitige und oberflächige Urteile auszusprechen.

Wenn der Herr mein Richter ist, dann ist er auch Richter meines Nächsten. Daraus ergibt sich: „richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch ans Licht bringen wird, was im Finstern verborgen ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen“ (V. 5). Apostel Paulus wiederholt den Gedanken, den Herr Jesus so formulierte: „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ (Mt 7, 1).

Wir sind leider sofort mit der verschmähenden Meinung über unserem Nächsten fertig. Das ist aber keine christliche Haltung. Wenn sogar Herr Jesus kein endgültiges Urteil vor dem jüngsten Tag über uns aussprechen will, warum wollen wir es über unseren Nächsten tun? Wer sind wir, dass wir es wagen (siehe R 14, 4)?

Jeder unser endgültiges Urteil über unseren Nächsten ist vorzeitig und oberflächig. Wir kennen nicht „das Trachten der Herzen“. In die Tiefe des menschlichen Herzens sieht nur der Herr und deswegen kann nur er das letzte Wort über uns aussprechen.

Aus dem gesagten folgt auch eine Pflicht: Wir sollen von Zeit zu Zeit unsere Meinung über unseren Mitmenschen korrigieren, damit sich unsere vorzeitig gemachten ungenauen Meinungen in uns nicht festigten.

4. Das Leben in dem Bewusstsein, dass die Meinung Jesu Christi über mich für mich die wichtigste ist, ist ein Leben in der Gewissheit, dass mir Gottes Lob zugeteilt wird (V. 5).

Es konnte schon uns passieren, dass wir etwas Lobenswertes, mehr als unsere Pflicht getan haben, aber niemand hat uns „danke schön“ oder „es war brav“ gesagt. Gewiss kennen wir das Gefühl, dass wir Dankbarkeit und Anerkennung erwarteten, aber sie kam nicht. Solcher Undank fällt uns schlecht. „Niemand sagte mir ein dankbares Wort“, pflegen wir bei solchen Gelegenheiten murren.

Wir müssen aber zugeben, dass obwohl das lobende und anerkennende Wort von uns erwartet wird, kommt nicht. Manchmal wartet jemand vergebens von uns ein Lob oder eine Anerkennung…

Unser himmlischer Vater vergisst aber nicht das Lob: „Dann wird einem jeden von Gott sein Lob zuteilwerden“ (V. 5). Wir dürfen auf dieses Lob deswegen warten, weil der Herr unser Richter ist. Die Tatsache, dass er unser Richter ist, bedeutet nicht nur, dass wir nicht nur einen gerechten Richter, sondern auch einen barmherzigen Richter haben.

Das Evangelium des heutigen Sonntags hat uns Johannes des Täufers dargestellt, der eine richtige Meinung über Christus haben wollte. Die Epistel des heutigen Sonntags, die auch als Predigttext diente, hat uns daran erinnert, wie wichtig es ist, damit Herr Jesus schon jetzt eine gute Meinung über uns hätte, weil er unser Richter ist. Nehmen wir es nicht auf leichte Schulter, dass wir einmal vor dem Richterstuhl des Herrn stehen werden. Wenn wir dieser Tatsache bewusst sind, dann unterliegen wir nicht dem Druck der öffentlichen Meinung, verlassen wir uns nicht sehr auf unser Gewissen, machen wir keine schnelle und oberflächige Urteile über unseren Nächsten, aber wegen der Gnade Christi warten wir auf das Lob von Gott. Amen.



prof. ThDr. Juraj Bándy
811 02 Bratislava
E-Mail: bandy@fevth.uniba.sk

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